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Kulmbacher Lidl-Räuber droht lebenslänglich


Autor: Stephan Tiroch

Kulmbach, Mittwoch, 03. Februar 2016

Das Landgericht Hannover will das Verfahren gegen den Serientäter abkürzen, der wegen Mordes und 24 Supermarkt-Überfällen angeklagt ist.
So trat der Supermarkt-Räuber bei seinen Raubzügen auf. Derzeit wird ihm vor dem Landgericht Hannover wegen Raubmordes und 24 Überfällen auf Supermärkte in Deutschland - unter anderem auch in Kulmbach - der Prozess gemacht.  Foto: Archiv


Dieser Mann wird so schnell keinen Supermarkt mehr überfallen: Dem Serientäter, der bei seinen Raubzügen durch halb Deutschland in Hannover auch einen Mann erschossen hat, droht lebenslange Haft. Das Landgericht Hannover geht davon aus, dass der 42-jährige für acht Überfälle mit Schusswaffengebrauch verantwortlich ist. "Die Gesamtstrafe wäre eine lebenslange Freiheitsstrafe", stellte Vorsitzender Richter Wolfgang Rosenbusch am Mittwoch in einer Zwischenbilanz zum Verfahrensstand fest.

Damit würden die weiteren 16 Überfälle - unter anderem im Juni 2015 auf die Kulmbacher Lidl-Filiale in der Albert-Ruckdeschel-Straße - bei der Strafzumessung nicht mehr ins Gewicht fallen. Denn mehr als lebenslänglich geht nicht.


Beweislage erdrückend

Das Vorgehen der Strafkammer zielt darauf ab, den Prozess zu verkürzen. Das Gericht ist aufgrund der bisherigen Beweisaufnahme davon überzeugt, dass dem Angeklagten der Raubmord in Hannover-Stöcken sowie weitere sieben Taten zuzuordnen sind. Aufgrund von DNA-Spuren, Fingerabdrücken und Waffengutachten sei die Beweislage erdrückend. Neben übereinstimmenden Täterbeschreibungen der Zeugen sei das Tatmuster immer gleich gewesen: Als letzter Kunde im Laden zog der Mann an der Kasse unvermittelt eine Waffe. Er bedrohte die Kassiererin, verstaute das Geld in einer Plastiktüte und rannte hinaus.

Laut Landgerichtssprecher Stephan Loheit hat es nun die Anklagebehörde in der Hand, bei den übrigen 16 Überfällen die Einstellung des Verfahrens zu beantragen. Dann könnten Staatsanwaltschaft und Verteidigung am 16. Februar plädieren und die Kammer eventuell auch schon das Urteil verkünden. "Andernfalls wären noch Wochen und Monate notwendig für die weitere Beweisaufnahme", so Loheit.


Besondere Schwere der Schuld

Ferner kündigte die Strafkammer an, dass man beabsichtigt, von der besonderen Schwere der Schuld auszugehen. Das bedeutet für das Strafmaß, dass der Verurteilte erst nach 21 Jahren einen Antrag auf Straferlass zur Bewährung stellen könnte.

Über das Motiv des Mannes, der zu den Raubzügen immer von Polen nach Deutschland einreiste, liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor. Denn der Angeklagte schweigt seit Prozessbeginn zu den Vorwürfen. Der Chef der niedersächsischen Sonderkommission "Discounter", die federführend die Ermittlungen übernommen hatte, gab am Mittwoch an, dass der 42-Jährige finanzielle Probleme hatte. Der Industriemechaniker, so der Zeuge, habe Pleiten mit zwei Gastwirtschaften hingelegt. Möglicherweise habe er deswegen Schulden gehabt. "Außerdem wollte er seiner Familie etwas bieten", meinte der Kriminaloberkommissar. Insgesamt hatte der Angeklagte zirka 100 000 Euro erbeutet.


Frau und drei Kinder

Der Supermarkt-Räuber lebte bis zu seiner Festnahme mit seiner Lebensgefährtin und drei Kindern in Polen. Nach den Worten des Vorsitzenden Richters ist er vor der Überfallserie weder in Polen noch in Deutschland als Straftäter aufgefallen.

Zwischen Februar 2014 und Juni 2015 hielt er die deutsche Polizei mit Überfällen in Niedersachsen, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Oberfranken in Atem. Nach den Überfällen auf Lidl-Filialen in Hof (3. Juni) und Kulmbach (10. Juni) sowie einen Netto-Markt in Pegnitz (11. Juni) wurde der Mann geschnappt.

Die Polizei kam ihm durch gespeicherte Handydaten auf die Spur, da sein Mobiltelefon stets in der Nähe der Tatorte eingeloggt war. Als die bewusste Nummer am 24. Juni in einer Funkzelle bei Cottbus wieder auftauchte, hefteten sich die Fahnder an seine Fersen. In der Nähe von Dresden wurde er auf einem Autobahnparkplatz von einem bayerischen SEK gestellt und ließ sich widerstandslos festnehmen.