Kulmbacher Kirche: Geschichte des Verrats neu erzählt
Autor: Sonny Adam
Kulmbach, Freitag, 14. April 2017
Christoph Auer zelebriert einen einstündigen Monolog und will wissen, wieviel Judas in jedem Menschen steckt.
Judas hat Jesus verraten. Seither ist dieser Name gebrandmarkt. In der Spitalkirche schlüpft Christoph Auer in die Rolle des Verräters und schreibt die altbekannte Geschichte neu.
Jeder kennt sie: die Geschichte von Judas, dem Verräter. Er hat Jesus ans Kreuz geliefert und wird deshalb weltweit von den Menschen verurteilt. In den Tagen vor Ostern wird die alte Geschichte jedes Jahr aufs Neue erzählt. Es ist eine Geschichte voller Tragik, voller Hinterlist, voller Missverständnisse. Auch Christoph Auer, Schauspieler beim Fränkischen Theatersommer, erzählt auf Einladung des Tutzinger Freundeskreises in der Spitalkirche die Geschichte vom Verrat des Judas - allerdings auf etwas andere Weise.
Geht unter die Haut
Christoph Auer zelebriert einen einstündigen Monolog, der den Zuschauern unter die Haut geht. Natürlich spielt das Gesetz der Dualität eine entscheidende Rolle. Es gibt kein Licht ohne Schatten. "Und gäbe es Jesus ohne Judas?", fragt der Schauspieler und offenbart - mit Tränen in den Augen - seine eigene, ganz persönliche Geschichte der Selbstzweifel. "Ich habe nicht auf mein Gefühl gehört: Zu wissen, dass man einen Fehler gemacht hat, ist schlimmer als zu wissen, was man gut gemacht hat", sagt Judas.Christoph Auer zeichnet einen Judas, der sich für andere Menschen geopfert hat. "Ich habe die Schuld all derjenigen auf mich genommen, die ihn nicht retten konnten oder wollten. Mein Name wurde schwarz, die Ikone des Verrates", sagt er. Das solle sich im 21. Jahrhundert ändern. "Jetzt reicht's. Wenn wir die Geschichte zurückdrehen könnten, würden Sie das tun?", fragt er in die Runde.
Betretenes Schweigen
Betretenes Schweigen. Natürlich will sich niemand outen. Wieviel Judas steckt in jedem Menschen? Das ist die Frage, die Christoph Auer in den Raum stellt. Seine Botschaft erreicht die Herzen der Menschen.Judas will Schluss machen mit der Brandmarkung, mit der Veurteilung seiner Person. "Ja, ich bin stolz auf diesen Namen. Und ja, ich spreche ihn gerne aus", sagt Christoph Auer am Ende. Und erntet Schweigen.
Und noch eine Frage wirft er auf: Hat Christus, der für eine Religion der Vergebung steht, auch Judas vergeben - oder hat er mit dem Verrat eine Grenze überschritten?
Für das ergreifende Kammerspiel von Lot Vekemans braucht "Judas" wenige Utensilien. Er tritt in der Kirche barfuß auf, trägt lediglich einen farbigen Umhang und ist sonst schwarz angezogen. Nur noch ein Baum stamm, auf dem er sitzt, und eine Räucherschale setzen Akzente.