Kulmbacher Institutionen begrüßen Vorstoß zur allgemeinen Dienstpflicht
Autor: Jochen Nützel
Kulmbach, Dienstag, 18. Sept. 2018
Laut Umfragen befürworten zwei Drittel der Deutschen einen solchen Dienst fürs Vaterland.
Jens Spahn ist umtriebig, wenn es darum geht, Diskussionen anzustoßen. Nach seinem Vorschlag, die Organspende in Deutschland neu zu regeln, hat der Gesundheitsminister jüngst wiederholt die Einführung einer Dienstpflicht auf die Agenda gesetzt. Am Montag lud der CDU-Mann Vertreter von Sozialverbänden wie Caritas und Diakonie nach Berlin ein. Ein sozialer Dienst, so Spahn, könne mit dazu beitragen, den Zusammenhalt in der Gesellschaft zwischen den Generationen zu stärken und "viele positive Impulse" liefern.
Das kann Karlheinz Vollrath unterschreiben. "Ich fände es toll, wenn es diese Möglichkeit gäbe", sagt der Vorsitzende der Kreisgruppe des Bund Naturschutz (BN). "Es wäre sicher nicht zum Schaden junger Menschen, ein Jahr für die Gesellschaft zu geben - sei es bei der Feuerwehr oder bei uns im Naturschutz." Er selber habe 20 Monate Zivildienst geleistet. "Das hat mich geprägt. Und eine ähnliche Vorgabe würde heutzutage auch einem gewissen Egoismus etwas entgegensetzen."
Einsatz in "Schlönz"
Als eine Einsatzmöglichkeit beim BN nennt Vollrath die Umweltschule "Schlönz" in Schlömen. "Es kostet uns viel Kraft, das Gelände in Schuss zu halten und die Naturschutzidee mit Leben zu erfüllen. Hier könnten wir sehr gut Hilfe gebrauchen." Das gleiche gelte für Projekte wie Wiederaufforstungsmaßnahmen, die Pflege von Ausgleichsflächen oder von Grundstücken, die dem BN immer wieder angeboten würden. "Wir müssen oft ablehnen, weil uns schlicht das Personal fehlt." Sinnvolle Tätigkeit gebe es ferner in der Umwelt-Bildungsarbeit. "Das müsste natürlich alles gesetzlich in trockenen Tüchern sein - aber es wäre eine segensreiche Idee, von der, da bin ich sicher, auch die Betroffenen viel fürs Leben mitnehmen."
Diakonie vermisst die Zivis
Auch Karl-Heinz Kuch verfolgt das Thema Dienstpflicht aufmerksam. Der Geschäftsführende Vorstand des Diakonieverbunds Kulmbach hat es sehr bedauert, als der Zivildienst in seiner einstigen Form mit der Abschaffung der Wehrpflicht verschwand. "Menschen, die sich vielleicht nie für soziale Berufe interessiert hätten, haben so bei uns reingeschnuppert - und nicht wenige sind hängen geblieben, weil es ihnen gefallen hat." Diese Kräfte fehlen - und sie konnten auch nicht nur die "Bufdis", also diejenigen, die einen Bundesfreiwilligendienst leisten, kompensiert werden. In der Kulmbacher Diakonie arbeiten laut Kuch momentan drei Personen, die ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) ableisten; die Kosten pro Stelle gibt er mit rund 10 000 Euro an.
Apropos Freiwilligkeit: Darauf setzt Kuch im Falle einer Dienstpflicht. "Wir haben in unseren Pflegeheimen sieben Stellen, aber ich würde nicht wollen, dass junge Menschen zwanghaft in die Pflege müssen. Es muss eine Auswahl geben. Es bringt weder dem Dienstpflichtigen noch dem Heimbewohner etwas, wenn er eine Aufgabe erfüllen soll, mit der er nichts anfangen kann. Es sollte für alle Beteiligten passen."
Bei den Zivildienstleistenden hat es gepasst, sagt Kuch rückblickend. "Wir haben nur gute Erfahrungen gemacht." Das Aufgabenfeld gestaltete sich mannigfaltig: Die Zivis waren in der Gummi-Stiftung eingesetzt als Hausmeister oder in der Diakonie selber als Unterstützer in der Pflege. "Sollte etwas ähnliches wie der Zivildienst wiederkommen, sähe ich auch Einsatzmöglichkeiten beispielsweise in Kindergärten. Es wird oft beklagt, dass es kaum junge Männer in pädagogischen Berufen gibt. Hier könnten wir Türen öffnen."
Doch egal wie eine neue Dienstpflicht ausgestaltet wird: Kuch plädiert in jedem Fall für Geschlechtergerechtigkeit. Das heißt: Die Pflicht sollte dann selbstverständlich auch für junge Frauen gelten. Kuch glaubt aber nicht, dass damit das oft zitierte Pflegeproblem zu beheben sei. "Dienstpflichtige können ja die benötigten Fachkräfte nicht ersetzen." Und er räumt gleich noch mit einer, wie er sagt, Fehleinschätzung bei dem Thema auf: Pflegekräfte würden, anders als es die landläufige Meinung suggeriere, nicht schlecht bezahlt. "Eine Pflegerin im Altenheim bekommt genauso viel wie die Erzieherin im Kindergarten. Alle Wohlfahrtsverbände, auch wir, zahlen Tarifgehälter." Das Problem sei ein anderes, sagt Kuch: "Es liegt daran, dass es fast keine Vollzeitstellen gibt."