Kulmbacher Gericht sperrt den "Nazi" weg
Autor: Stephan Tiroch
Kulmbach, Dienstag, 08. April 2014
Seine Aggressivität bringt einen 21-jährigen Mann für zwei Jahre und einen Monat hinter Gitter. Er hat einen Schüler durch einen Flaschenwurf im Gesicht verletzt und auch beim Kulmbacher Busbahnhof zugeschlagen.
Seine schwarzen Haare trägt der junge Mann ganz kurz. Komplett schwarz gekleidet, nimmt er auf der Anklagebank Platz und macht auf den ersten Blick einen harmlosen Eindruck. Bei seiner Aussage verhaspelt er sich, Namen fallen ihm nicht ein. Er sei eben ein bisschen aufgeregt, entschuldigt sich der 21-Jährige beim Gericht. Was Staatsanwalt Michael Hofmann dann aber vorträgt und was in der Hauptverhandlung auch bestätigt wird, bringt die Fassade zum Einsturz. Es wird klar, dass hier ein Angeklagter sitzt, der grundlos zuschlägt.
Abschied mit Hitlergruß
Es geht um zwei Vorfälle vom vergangenen Juni. Beim Kulmbacher Busbahnhof legt er sich mit einem jungen Kerl an, beleidigt ihn als "Hurensohn" und "Scheiß-Türken", schlägt und tritt zu und droht, den anderen umzubringen, bevor er sich mit dem Hitlergruß verabschiedet.
Das Kulmbacher Schöffengericht zieht den Übeltäter wegen gefährlicher Körperverletzung, Körperverletzung, Beleidigung, Bedrohung und der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen für einen langen Zeitraum aus dem Verkehr. "Die Aggression ging immer vom Angeklagten aus", stellt Richterin Sieglinde Tettmann fest und verhängt eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und einem Monat.
Um eine geringere Strafe und eventuell Bewährung in Betracht zu ziehen, hätte er statt seines "halbseidenen" ein umfassendes, von Einsicht getragenes Geständnis ablegen müssen. Auch wenn der arbeitslose Mann angeblich einen vagen Job im Raum Stuttgart in Aussicht hat, könne man ihm keine günstige Prognose stellen, so die Richterin.
Die Situation am Busbahnhof ist die harmlosere. Es scheint dabei um ein Mädchen zu gehen, auf das der Angeklagte ein Auge geworfen hat. Die 15-Jährige räumt auf Nachfrage ein, "mal mitgegangen" zu sein. Dann habe sie gemerkt, "dass er mehr wollte", und das Weite gesucht.
"Ich kann nur schlagen"
Der 21-Jährige legt sich anschließend mit einem Bekannten des Mädchens an, tritt ihn in den Bauch und verabreicht ihm ein paar Faustschläge. Der andere lässt sich auch von rassistischen Beleidigungen nicht provozieren. Der Angreifer zieht Leine mit dem Hitlergruß und dem Satz: "Ich bin ein Nazi, mit mir kann man nicht reden, ich kann nur schlagen."
Beim Johannisfeuer geht es richtig zur Sache. Warum es zu dem Gewaltausbruch kommt, wird nicht ganz deutlich. Das spätere Opfer will sich mit zwei Freunden beim Sonnwendfeuer umschauen und trifft auf einen 16-jährigen Kumpel des Angeklagten. Es gibt erst mal nur ein Wortgefecht, mehr nicht.
Beim zweiten Aufeinandertreffen ist der angetrunkene 21-Jährige (1,2 Promille) dabei. Er geht auf einen der Camper los, der wegrennen kann, um Hilfe zu holen. Dann schnappt sich der Angeklagte eine am Boden stehende Bierflasche und wirft sie "ins Dunkle, ins Leere", wie er sagt. Eine Sekunde, die auch sein Leben verändert. Dabei dreht sich der Schüler um, und das Geschoss trifft ihn im Gesicht. Eine große blutende Platzwunde in der Oberlippe, erhebliche Schmerzen und mehrere abgebrochene Zähne sind die Folge. Der Verletzte wird monatelang behandelt und hat noch eine langwierige, jahrelange Zahnbehandlung vor sich. Außerdem kann er seinen Berufswunsch vergessen: Mit Zahnkronen wird man kein Jet-Pilot.
Der Angeklagte muss die Behandlungskosten bezahlen, ein Schmerzensgeld - von 20 000 Euro ist die Rede - und die Gerichtskosten. Immerhin entschuldigt er sich bei seinem Opfer und räumt ein: "Ich habe einen Riesenfehler gemacht."
Sein Verteidiger, Rechtsanwalt Frank Stübinger aus Kulmbach, betont, dass es sich nicht um einen gezielten Flaschenwurf gehandelt hat. Er spricht sich für eine Bewährungsstrafe von eineinhalb Jahren aus. Der Staatsanwalt fordert zwei Jahre und drei Monate Gefängnis. Er hebt hervor, dass bei dem Sonnwendfeuer harmlose junge Leute auf "eine gefährliche Truppe" getroffen sind. Gegen den Schläger spreche auch, dass er Arbeitsstunden von einer Verurteilung wegen mehrerer Diebstähle und Betrügereien nicht weisungsgemäß geleistet hat.
Das Gericht befragt in der dreieinhalbstündigen Verhandlung neun Zeugen, was nicht immer einfach ist. Offenbar hat der Angeklagte im Vorfeld Zeugen unter Druck gesetzt, ihn nicht als Flaschenwerfer zu identifizieren. Pech nur, dass die Polizei den Facebook-Dialog und SMS-Schriftverkehr sichergestellt hat.
Pubertär und verstockt
Andere Aussagen sind total wert los. So hat ein Bursche, der beim Johannisfeuer maßgeblich zur Eskalation beigetragen hat, nur Erinnerungs lücken zu bieten. Pubertär und verstockt nuschelt er im Zeugenstand etwas von "weiß net", "keine Ahnung" oder "kann schon sein". Nicht leicht, da die Nerven zu behalten. "Wir sind hier nicht beim Kasperle-Theater", sagt die Richterin. Aber auch ihr Hinweis hilft dem Gedächtnis des 16-Jährigen nicht auf die Sprünge.