Kulmbacher gehen auf Zeitreise ins Mittelalter
Autor: Stephan Stöckel
Kulmbach, Sonntag, 08. Mai 2016
Bei Kaiserwetter erlebten die Besucher des Mittelaltermarkts, wie Ärzte im 15. Jahrhundert ihr Handwerk ausübten und dass Patienten Höllenquallen litten.
Es war, als hätte man die Zeit, um ein paar Jahrhunderte zurückgedreht. Landsknechte mit ihren Kettenhemden und Fürsten in edlen Gewändern stolzierten am Wochenende bei Kaiserwetter durch die Kulmbacher Altstadt, wo der Mittelaltermarkt seine Pforten geöffnet hatte. Hunderte von Besuchern tauchten ein in eine längst vergangene Zeit.
Behutsam und unablässig verknüpfte ein Sarwürker, auch Panzermacher genannt, einen Eisendrahtring nach dem anderen zu einem stabilen Kettenhemd. Im Oberhacken hatte zwei Tage lang eine ganz besondere Arztpraxis ihrer Pforten geöffnet. Ihr Name: "Malleus Medicinae". Die Bad Bernecker Mittelaltergruppe brachte den Zuschauern die Medizin des 15. Jahrhunderts näher.
Auch ein Zahnarzt, damals Barbierchirurg genannt, zeigte seine Künste.
Mancher wachte nicht mehr auf
Was viele nicht wussten: Hinter dem Medicus und dem Barbierchirurgen verbargen sich zwei echte Ärzte. Der Allgemeinmediziner Bernd Förschler war in die Rolle des Medicus geschlüpft, während Zahnarzt Oliver Günther den Barbierchirurgen verkörperte. Beide wussten viel zu erzählen über die Behandlungsmethoden im späten Mittelalter. "Damals gab es noch keine Krankenhäuser. Es wurde öffentlich auf den Marktplätzen behandelt", berichtete Förschler. Auch moderne Betäubungsmittel seien unbekannt gewesen.
"Man benutzte Schlafmohn oder Bilsenkraut. Bei der Dosierung verfuhr man nach der Methode Pi mal Daumen. So konnte es passieren, dass mancher Patient nicht mehr aufwachte ..."Ein paar Gassen weiter kam ein Vogt dahermarschiert. Reiner Mischko aus Buchloe verkörperte den adeligen Beamten. Seine Amtskette, Kulane genannt, stach sofort ins Auge. "Meine Wenigkeit hatte für seinen Lehnsherren Steuern einzutreiben und war für die niedere Gerichtsbarkeit zuständig", sagte der 56-jährige.
Die Vorteile von Barchent
Darauf angesprochen, ob er bei der Wärme mit seiner dicken Kluft nicht ins Schwitzen gerate, meinte Mischko: "Übergewand und Wams bestehen aus einem Mischgewebe aus Baumwolle und Leinen, Barchent genannt.
Es sorgt im Sommer für eine gewisse Kühle und im Winter für eine wohlige Wärme." Der Gast aus dem Allgäu liebt es nach eigener Aussage, die Gegenwart für ein paar Stunden auszuschalten, sich ohne Handy und Uhr auf eine Zeitreise zu begeben.Die passende Musik für die Zeit der Ritter und Burgfräulein spielte die Gruppe "Crex Con-fusus" aus Hohenberg an der Eger. Der scharfe und nasale Klang der Schalmeien und das laute Dröhnen der Dudelsäcke zogen Alt und Jung in ihren Bann. Aus der Ferne hörte man noch den Ruf mittelalterlicher Hörner. Johanna Kraus von den "Rittermachern" demonstrierte, wie man einem Horn die schönsten Töne entlockt.