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Kulmbacher Ehepaar hat Riesenärger wegen Minimesser


Autor: Stephan Tiroch

Kulmbach, Montag, 14. Januar 2019

Ein Rentnerpaar brachte sich durch einen Ladendiebstahl in große Schwierigkeiten. Wie gefährlich ist eine 13-Millimeter-Klinge?
Handelt es sich bei einem Cuttermesser mit   13 Millimetern Klingenlänge  - damit kann man zum Beispiel Tapetenbahnen abschneiden - um ein gefährliches Werkzeug?  Über diese Rechtsfrage muss demnächst das OLG Bamberg entscheiden. Symbolfoto: Archiv


Die Frau (69) hat Arthrose und Osteoporose. Einen Sechserpack Mineralwasser könne sie nicht tragen. Ihrem Mann (70) geht es ähnlich. Er leidet nach seinen Angaben unter einer Verengung des Nervenkanals der Wirbelsäule. Er läuft ganz schlecht, wie man auf den paar Metern von der Anklagebank zum Richtertisch sehen konnte.

Deshalb hätten sie beim Einkaufen stets ein kleines Cuttermesser - Klingenlänge 13 Millimeter - dabei. Um zum Beispiel Plastikfolien aufzuschneiden, in die Mineralwasserflaschen eingeschweißt sind. Dieses Minimesser ist der Grund, warum das Rentnerpaar Riesenärger hat.

Fummel kostet 29,99 Euro

In Schwierigkeiten gebracht haben sich die Kulmbacher selber. Im Mai hatten sie im Bayreuther Karstadt-Kaufhaus eine Damen bluse - schwarz, transparent - gestohlen. 29,99 Euro hätte der Fummel gekostet. Deswegen standen sie gestern in Bayreuth zum zweiten Mal vor Gericht.

Der Sachverhalt war unstrittig. Die Angeklagten legten auch vor der Berufungskammer des Landgerichts ein Geständnis ab, wie sie es schon beim Amtsgericht Bayreuth getan hatten. Gegen dessen Urteil - 320 und 1600 Euro Geldstrafe wegen Diebstahls - legte die Staatsanwaltschaft Berufung ein.

Umstrittene Rechtsnorm

Sie berief sich dabei auf eine ziemlich umstrittene Rechtsnorm im Strafgesetzbuch: Paragraf 244 sieht eine empfindliche Strafverschärfung vor, wenn der Dieb bei der Tat ein gefährliches Werkzeug mit sich führt. Die Frage ist: Wie ist das Messer des Ehepaares einzustufen?

Klar war hingegen der Tathergang. Ein Karstadt-Mitarbeiter beobachtete das Paar, das sich in der Abteilung für Damenoberbekleidung verdächtig verhielt. Auf dem Bildschirm der Videoüberwachung habe er gesehen, so der Zeuge, dass die Frau mit zwei Teilen in die Umkleidekabine ging und nur mit einem wieder herauskam. Er alarmierte die Polizei.

"Angekettet an eine Bank"

Die Angeklagte gab an, mit dem Messer Etikett und Preisschild abgetrennt zu haben. Was dann kam, als sie das Kaufhaus verlassen hatten, sei "sehr schlimm" gewesen. Die Polizei habe ihr Auto gestoppt, so die Frau, "wir mussten aussteigen und haben alles zugegeben". Der Kontakt mit dem Auge des Gesetzes hat bei den Kulmbachern - beide nicht vorbestraft - Eindruck hinterlassen. Alles sei "laut" gewesen, meinte die Frau. Man habe sie auf die Polizeiwache gebracht. "Ich war angekettet an eine Bank und musste mich ausziehen."

Als "Verbrecher" behandelt zu werden, war auch für ihren Mann "eine furchtbare Erfahrung". Er sagte: "Seitdem bin ich mit den Nerven runter, wenn ich nur Polizei sehe."

Staatsanwältin: Instrument der Bedrohung

Dann hatten die Juristen das Wort. Staatsanwältin Eva-Marie Heßler vertrat den Standpunkt, dass es sich bei dem Messer um ein gefährliches Werkzeug handelt. Denn es könne als Instrument der Gewalt oder Bedrohung eingesetzt werden und erhebliche Verletzungen herbeiführen. Sie forderte jeweils eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen - Tagessatzhöhe 10 Euro bei der Frau und 100 Euro beim Mann.

Das Schöffengericht nahm sich eine Stunde Zeit für die Urteils beratung. Dann verkündete Vor sitzende Richterin Andrea Deyer ling, dass die Entscheidung der ersten Instanz aufgehoben wird. Die Kammer verhängte die geforderte Geldstrafe, reduzierte aber die Tagessätze auf acht beziehungsweise 30 Euro.

Schmidtgall: Auch Kugelschreiber gefährlich

Die zwei Verteidiger drangen mit ihrer Argumentation nicht durch. Rechtsanwalt Olaf Schröder, Halberstadt, wies auf die umstrittene Rechtsfrage hin und bezeichnete das "Kleinstmesser" nicht als gefährliches Werkzeug. Sein Kollege Alexander Schmidt gall, Kulmbach, sagte: "Dann wäre ein Kugelschreiber auch ein gefährliches Werkzeug."

Die Verteidiger kündigten Revision an. Sie wollen das Urteil vor dem Oberlandesgericht Bamberg anfechten.