Ja, zwei sind mir leider sehr deutlich in Erinnerung. Aber egal ob es zwei oder 20 sind, jeder einzelne belastet noch für Jahre. Insgesamt hatte ich über 500 000 Behandlungsfälle. Das Problem ist, dass die über Jahre von der Politik geschaffenen ökonomischen Rahmenbedingungen nicht auf maximale Patientensicherheit, sondern auf maximale Effizienz ausgerichtet sind. Es ist eine ständige Gratwanderung, bei der Diagnostik zwischen Befindlichkeitsstörungen, Krankheiten und Notfällen zu unterscheiden.
Damit kommen wir zu den negativen Entwicklungen für den Patienten. Welche sehen Sie?
Leider sehe ich die in vielen Bereichen. Da ist zum einen der Rückgang der haus- und fachärztlichen Versorgung, insbesondere in ländlichen Regionen. Das betrifft auch die Krankenhäuser, die kaum noch ausreichend Mitarbeiter einstellen können. Auch die Notfallversorgung ist problematisch: Patienten müssen immer weiter fahren, um im Notfall zum Beispiel einen Augenarzt zu finden.
Wo liegen die Ursachen?
Ganz klar in der mangelnden Attraktivität des ärztlichen Berufes. Man hat den Eindruck, es wird von den Verantwortlichen alles getan, um von der Berufsausübung abzuschrecken. Und in manchen Medien findet eine Hysterisierung und Skandalisierung der Medizin statt.
Sehen Sie für den Patienten weitere negative Entwicklungen?
Einige sogar. Beispielsweise die zunehmende Anzahl der Klagen wegen vermeintlicher Behandlungsfehler. Die dadurch steigende Furcht der Ärzte vor juristischen Folgen führt zu einer verängstigten Defensivmedizin mit Überdiagnostik und Übertherapie. Oder die individuellen Gesundheitsleistungen, die nicht von der Kasse, sondern vom Patienten bezahlt werden müssen. Da gibt es sehr sinnvolle, in meinem Fach die Glaukomvorsorge, aber auch weniger sinnvolle. Für den Patienten ist es schwierig zu unterscheiden. Aber der Arzt ist verpflichtet, über alle Behandlungsoptionen aufzuklären, sonst begeht er bereits einen einklagbaren Fehler.
Und wie beurteilen Sie die Entwicklung für die Ärzte?
Das muss man für den Bereich der niedergelassenen und der Klinikärzte getrennt betrachten. Positiv für beide Gruppen ist die gute Möglichkeit, eine Stelle bzw. Praxisniederlassung zu finden. Während sich die Kliniken vor Jahren noch die Bewerber aussuchen konnten, ist man heute froh, überhaupt jemanden zu bekommen.
Negativ sehe ich, dass es im Klinikbereich zu einem Interessenkonflikt zwischen der administrativen und der ärztlichen Leitung kommt. Eine Folge der wirtschaftlichen Zwänge. Das Klinikmanagement wird zunehmend als Kostendrücker empfunden. Das Gefühl des Kontrollverlustes führt zu einem Sinnverlust und damit zu einer Art innerer Emigration.
Und was hat sich für die niedergelassen Ärzte verändert?
Ein Hauptproblem ist die fehlende Planbarkeit und Verlässlichkeit in der Politik. Warum sollte ein junger Arzt einige Hunderttausend Euro an Kredit aufnehmen, ohne zu wissen, ob seine neugegründete Praxis in einigen Jahren noch existiert oder was er an Einnahmen kalkulieren kann? Zunehmende Angst haben Niedergelassene auch vor Regressen, also Rückforderungen von vor Jahren ausgezahlten Honoraren. Was halten Sie vom neuen Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG), insbesondere von mehr "freien Sprechstunden"? Damit ist Chaos programmiert! Der Arzt weiß nicht, ob und mit welchen Problemen jemand in die Praxis kommt, kann nicht planen, wie viele Mitarbeiter mit welcher Qualifikation er vorhalten muss, welche Befunde zu erheben sind. Das ist keine Verbesserung für den Patienten.
Das klingt alles eher pessimistisch. Wie sind Ihre Erwartungen an die Zukunft der Medizin?
Die Medizin, deren Sinn es ist, Gesundheit zu fördern, ist zu einem Spielball fremder Interessen und ökonomischer Planspiele geworden. Als Folge wächst eine Ärztegeneration heran, die mehr an Work-Life-Balance als an der Übernahme neuer Kompetenzen interessiert ist. Aber eine sinnvolle Weiterentwicklung unseres Gesundheitssystems ist nur gemeinsam mit den Ärzten möglich. Die Lösung des Ärztemangels liegt darin, die Attraktivität des Berufes durch bessere Rahmenbedingungen wieder herzustellen.
Gesetz soll Patienten und Ärzten helfen
Schneller einen Termin beim Haus- oder Facharzt bekommen, zusätzliche offene Sprechstunden, Aufbrechen enger Budget-Korsetts - das sind einige Kernpunkte des neuen Terminservice- und Versorgungsgesetzes. Löst das die aktuellen Probleme?
Bundestagsabgeordnete Emmi Zeulner (CSU), Mitglied im Gesundheitsausschuss, sieht in dem Gesetz kein Allheilmittel, aber zumindest einen Schritt in die richtige Richtung.
Eine komplette Entbudgetierung ärztlicher Leistungen wäre ihr lieber gewesen, sei aber nicht durchsetzbar gewesen. So seien jetzt zumindest in einigen Bereichen Verbesserungen zu erwarten.
Emmi Zeulner teilt die Auffassung des langjährigen Kulmbacher Augenarztes Bernd Stein, dass Politik und Ärzte zusammenarbeiten müssen (siehe Interview oben). "Unsere Richtschnur muss aber immer das Gemeinwohl sein. Auftrag der Politik ist es, die Beitragsgelder der Krankenversicherung so einzusetzen, dass sie den Patienten zugute kommen. Es ist genug Geld im System. Es muss nur richtig eingesetzt werden."
Die Terminservicestelle ist eine Anlaufstelle für jeden gesetzlich versicherten Patienten, die ab dem nächsten Jahr unter der bundeseinheitlichen Nummer 116 117 sogar rund um die Uhr erreichbar sein soll. Diese kümmert sich je nach Bedarf des Patienten um einen Termin bei einem Arzt.
Die Termine werden außerhalb der Budgets abgerechnet, ebenso die Aufnahme neuer Patienten.
Für kurzfristige Zusatztermine gibt es Extra-Zuschläge: Die Mehrarbeit soll sich für den Arzt auch lohnen.
Als perfekte Lösung sieht die CSU-Gesundheitspolitikerin das TSVG noch nicht: "Es wird weitere Veränderungen geben müssen, um den Arztberuf wieder attraktiver zu machen."
Die Wichtigsten Regelungen des TSVG in der Zusammenfassung