Kulmbach: Stadt- und Historienkalender neu aufgelegt

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Nur mit weißen Handschuhen darf das wertvolle Original des Stadt- und Historienkalenders von 1789 angefasst werden. Fotos: Dagmar Besand
Nur mit weißen Handschuhen darf das wertvolle Original des Stadt- und Historienkalenders von 1789 angefasst werden. Fotos: Dagmar Besand
Zufrieden mit dem Ergebnis ihrer Arbeit sind Kastellan Harald Stark (links) und der Leiter des Stadtarchivs, Reiner Hofmann. Einer der ersten Leser ist der geschichtsinteressierte OB Henry Schramm.
Zufrieden mit dem Ergebnis ihrer Arbeit sind Kastellan Harald Stark (links) und der Leiter des Stadtarchivs, Reiner Hofmann. Einer der ersten Leser ist der geschichtsinteressierte OB Henry Schramm.
 
Neu und alt: Die von Harald Stark bearbeitete Neuauflage des Historienkalenders kopiert die Aufmachung des Originals, bleibt aus Kostengründen aber schlicht in Schwarz-Weiß.
Neu und alt: Die von Harald Stark bearbeitete Neuauflage des Historienkalenders kopiert die Aufmachung des Originals, bleibt aus Kostengründen aber schlicht in Schwarz-Weiß.
 

Plassenburg-Kastellan Harald Stark hat die Kulmbacher Stadt- und Historienkalender aus dem 18. Jahrhundert bearbeitet und für alle Geschichtsinteressierten als Buch veröffentlicht. Darin finden sich kuriose Begebenheiten, die nirgends sonst zu lesen sind.

Die weißen Handschuhe liegen schon bereit. Oberbürgermeister Henry Schramm streift sie über, bevor er beim Pressegespräch im Rathaus ein wertvolles historisches Dokument präsentiert: "Der rechte Kulmbachische Stadt- und Historienkalender", Ausgabe des Jahres 1789, ist ein ganz besonderes Geschichtsbuch. Darin finden sich Begebenheiten aus dem Alltag im Kulmbach des 18. Jahrhunderts, die man nirgends sonst lesen kann.
Wer sich für so etwas interessiert, musste bislang in Archiven stöbern und forschen. Künftig kann sich jeder dieses Wissen mit nach Hause nehmen. Harald Stark, Kastellan der Plassenburg, hat sich die Mühe gemacht, die Stadt- und Historienkalender zu digitalisieren, zu bearbeiten und zu kommentieren und sie als Buch herausgebracht, das ab sofort im Buchhandel, im Museumsshop der Plassenburg und bei der Touristinfo für 7,50 Euro zu haben ist.
Die Original-Kalender erschienen zwischen 1778 und 1798 im Verlag der Gebrüder Senfft in Bayreuth.

Original in Frakturschrift

224 Jahre alt ist das Büchlein, in dem Schramm vorsichtig blättert - ein wenig vergilbt, die Schrift aber noch deutlich zu lesen. Wenn man Übung hat, die alte Frakturschrift zu entziffern, in der man damals die Kalender gedruckt hat - ganz zu schweigen von den handschriftlichen Eintragungen seines Besitzers.

Alles abschreiben musste Harald Stark glücklicherweise nicht. Diese Arbeit hat ein unbekannter Helfer vor vielen Jahren übernommen. Das Stadtarchiv verwahrt in seiner Bibliothek unter der Signatur Ku 330 eine maschinenschriftliche Abschrift der historischen Abhandlungen, mit der sich Harald Stark anlässlich der Vorbereitungen für die Ausstellung "Kulmbacher Stadtregenten zur Markgrafenzeit" beschäftigte, die noch bis Oktober in der Schlosskapelle der Burg zu bewundern ist. Als er entdeckte, wie vielfältig und interessant die Informationen in den Kalendern sind, beschloss er, das Thema für alle Interessierten aufzubereiten und fand dabei große Unterstützung bei Archiv-Chef Reiner Hofmann und OB Schramm. "In den Jahreskalendern stehen alle wichtigen Themen, die die Menschen in Kulmbach damals bewegt haben", erzählt Stark. Ob Großbrand, Ernteausfall oder Besuch des Markgrafen - die Textsammlung ist eine Fundgrube für heimatkundlich interessierte Menschen.
Zu diesen gehört Harald Stark schon seit Grundschulzeiten. Der 47-Jährige, der aus dem Landkreis Wunsiedel stammt, steckt seit Jugendzeiten seine Nase ist Geschichtsbücher und historische Quellen. Er hat die Stadtarchive von Marktleuthen und Weißenstadt auf Vordermann gebracht, bevor er 1989 auf der Plassenburg in die Dienste der Schlösserverwaltung trat. Seit 1994 ist er als Kastellan der Chef auf der Burg.

Immer etwas Neues zu lernen

Wenn andere abends vor dem Fernseher sitzen, liest er historische Schriften: "Geschichte ist meine große Leidenschaft. Das ist unglaublich spannend und wird mir niemals langweilig." Nicht zuletzt, weil es immer etwas Neues zu lernen und zu entdecken gibt. In den Kalendern finden sich neben dem Kalendarium mit Platz für Notizen zahlreiche Bauernregeln, Gesundheitstipps und Horoskope. Starks Interesse galt hauptsächlich den geschichtlichen Abschnitten. Der in Ansbach lehrende Professor Lorenz Johann Jacob Lang hat in Fortsetzungen eine Stadtchronik verfasst, bei der er sich auf Ereignisse konzentrierte, die der Bevölkerung lange in Erinnerung blieben.

Den Sprachgebrauch der damaligen Zeit hat Harald Stark unverfälscht belassen. Zum besseren Verständnis hat er jedoch zahlreiche Kommentare eingefügt. Wer könnte heute noch etwas mit der Maßeinheit "ein Schuh" anfangen? Aus dem Buch lernt man, dass es sich um ein Längenmaß von 29,78 Zentimetern handelt.
Ein herzliches Dankeschön sprach Harald Stark Stadtarchivar Reiner Hofmann für seine Unterstützung bei der Umsetzung des Projekts aus, ebenso dem Weißenstadter Verleger Heinz Späth ling, der das Buch in einer Auflage von zunächst 500 Exemplaren gedruckt hat.


Kurioses aus der Kulmbacher Stadtgeschichte

Der Alchimist Im Jahr 1686 wurde der Baron Christian Wilhelm von Kronemann wegen seiner Betrügereien an den Galgen gebracht. Von den näheren Umständen berichtet Lorenz Johann Jacob Lang im Stadtkalender des Jahres 1784. Kronemann behauptet, aus minderwertigen Metallen Gold machen zu können und wird von Markgraf Christian Ernst bei seinen Versuchen durch Materialien, Geld und Unterhalt unterstützt. Bei einer Demonstration seiner vermeintlichen Künste versteckt er heimlich echtes Gold, aus dem er verschiedene Münzen schlagen lässt. Der Betrug wird jedoch entdeckt, Kronemann zum Tod verurteilt.

Die Prinzessin Im Historienkalender des Jahres 1789 findet sich eine interessante Erzählung über die Prinzessin Christina Sophia Wilhelmina, Tochter des Markgrafen Georg Wilhelm. Sie war im Jahr 1728 vom evangelischen Glauben zum katholischen übergetreten, kehrte aber fünf Jahre später, zu Ostern 1733, wieder zur evangelischen Kirche zurück. Ein großer Festgottesdienst war ganz auf dieses Ereignis ausgerichtet, und "die Prinzessin wurde nun wieder in das Kirchengebet eingeschlossen, aus welchem sie bey ihrem Übergang zur Römischen Kirche auf Befehl des Markgrafen war ausgeschlossen worden".

Der Haudegen Eine außergewöhnliche Erscheinung muss der Festungskommandant Johann Schaff von Habelsee gewesen sein, von dem der Stadtkalender von 1791 erzählt. Anfang des Jahres 1672 wurde von Habelsee (laut Harald Stark "der größte Haudrauf der Kulmbacher Stadtgeschichte") zum Kommandanten bestellt. Er war ein Held aus dem Türkenkrieg, zigfach schwer verwundet. Was feindliche Waffen nicht vermochten, schaffte ein Sturz vom Pferd bei Forstlahm im Oktober 1672. Von Habelsee starb an den dabei erlittenen Verletzungen.