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Bereitschaftspraxis am Klinikum Kulmbach: Neuer Ärger ist programmiert


Autor: Jochen Nützel

Kulmbach, Dienstag, 18. Oktober 2016

Eine zentrale Bereitschaftspraxis am Klinikum Kulmbach für die Patientenversorgung außerhalb der Sprechzeiten bleibt ein heißes Eisen.
Eine Bereitschaftspraxis, angedockt ans Klinikum? Wäre eine Möglichkeit, sagen Befürworter einer zentralen Lösung. Gegner sehen zusätzliche Kosten auf niedergelassene Ärzte zukommen. Foto: BR-Archiv


Ralph Amans Blick richtet sich mittlerweile des Öfteren nach Lichtenfels, obwohl der Orthopäde in Kulmbach praktiziert. Der Grund: Am Klinikum Lichtenfels ist vor wenigen Tagen genau das etabliert worden, was Aman und viele seiner niedergelassenen Arztkollegen als Negativentwicklung für sie ansehen - eine zentrale Bereitschaftspraxis.

Die Diskussion um die Neuregelung der Notdienste schwelt seit Jahren. 2014 hatte die Bereitschaftsdienstgruppe unter der niedergelassenen Ärzten eine solche zentrale Praxis abgelehnt. Unter anderem aus Kostengründen - und weil die Ärzte eine schlechtere Versorgung der Patienten fürchteten.


"Zeichen stehen auf Sturm"

Nun aber scheint das Thema wieder akut zu werden. "Wir Notdienstärzte haben uns jüngst getroffen, weil die Zeichen auf Sturm stehen", sagt Aman. Der "politische Druck" über die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB) auf die Mediziner sei nochmals deutlich gestiegen. "Die KVB forciert die Einrichtung einer zentralen Praxis, angedockt an das jeweilige Klinikum am Ort, weil der Gesetzgeber nur noch solche Bereitschaftsmodelle propagiert und die Notfallversorgung an die Krankenhäuser bringen will." Aman betont aber: "Wir Ärzte im Kulmbacher Verbund haben das mehrheitlich abgelehnt, weil wir mit der jetzigen Situation zufrieden sind und den Menschen dadurch eine gute Versorgung im Notfall gewährleisten können."

Aman rechnet vor: "Wir haben laut Bereitschaftsbericht an einem Wochenende knapp über 30 Patienten im Notdienst, einschließlich Fahrdienst. Also etwa 15 Patienten im Sitzdienst für ein gesamtes Wochenende. Dafür beträgt aktuell der zeitliche Aufwand acht Stunden Sitzdienst für Arzt und Personal. Nach ersten Verträgen wären es in der Klinik-Praxis Kulmbach 24 Stunden für 15 Patienten gewesen, also nicht einmal ein Patient pro Stunde. Und für jeden Patienten gibt der Arzt zehn Euro ab, um Personal und Raumkosten zu decken. Wenn die Kassen, die Politik oder wer auch immer eigene Fahrer wollen, eigene Autos und eigene Leitzentralen zum Nachteil der Patienten: Wieso sollen das dann die Ärzte finanzieren?"

Die Kassenärztliche Vereinigung, sagt Aman, habe "hinter unserem Rücken" die Änderungen betrieben und versuche nun, den Medizinern ein neues Modell aufzudrücken. "Demnach sollen wir nach Beendigung der regulären Sprechstunden im Schichtdienst mehrere Stunden am Tag Gewehr bei Fuß stehen. Verrückt ist: Unser Fahrdienst soll mit Bayreuth und Pegnitz zusammenfallen, wie es in München offenbar geplant wird. Der diensthabende Doktor aus unserem Kreis soll also allen Ernstes bis Pegnitz fahren." Dass ein Notfallpatient, der auf einen Hausbesuch angewiesen ist, bis zu drei Stunden auf den Arzt warten können soll - das sei für ihn inakzeptabel und stelle auch keinerlei Verbesserung zum Wohle der Bürger dar.

Das bedeute für den Patienten: Ein Schwerkranker, der aufgrund seines Gesundheitszustands keinen Arzt aufsuchen kann, werde Stunden sinnlos warten müssen. "Und was ich da an Zeit auf der Straße vertändele!" Umgekehrt nütze einem Pressecker Betroffenen auch eine zentrale Bereitschaftspraxis in Kulmbach wenig. "Er muss auch dahin erstmal kommen."

Was die Neugründung einer zentralen Anlaufstelle in Lichtenfels angeht (siehe unten), so sieht Aman darin das Ergebnis, wenn Mediziner dem politischen Druck irgendwann nachgeben müssen. "Wir haben da keine Wahl, wir sind verpflichtet, Bereitschaftsdienste zu übernehmen. Das nutzt man jetzt dahingehend aus, uns an ein Krankenhaus zu verbannen, während unsere Praxen in dieser Zeit leerstehen müssen." Nicht zuletzt aus Kostengründen sei daher die Mehrheit der aktuell rund 60 Bereitschaftskollegen dagegen.

Das neue Modell würde die Kostenlage noch verschärfen, fürchtet der Orthopäde: Ein junger Arzt werde sich zwei Mal überlegen, ob er sich unter diesen Umständen auf dem Land niederlässt und für einen Appel und ein Ei Dienst schiebt. "Wir wollen deswegen Widerspruch einlegen und die entsprechende Ablehnung der KV gegenüber demonstrieren." Momentan heiße es, Zeit zu gewinnen.

Das Klinikum Kulmbach stehe der Einrichtung einer zentralen Bereitschaftspraxis nach wie vor positiv gegenüber. Der stellvertretende Geschäftsführer Andreas Hacker erinnert an frühere Bestrebungen, eine ans Klinikum angeschlossene Praxis zu ermöglichen. "Die niedergelassenen Ärzte haben sich nicht auf eine Regelung einigen können. Ein eindeutiges Votum aus der Ärzteschaft ist aber Grundvoraussetzung. Wir als Klinikum können die Räume vorsehen."

Denkbar sei, die Praxis im Neubau unterzubringen. Bei der Finanzierung blieben Ärzte und das Krankenhaus klar getrennt, sagt Hacker. Für eine zentrale Einrichtung spricht laut Hacker die Lage.

"Es wäre im Sinne einer besseren Koordination auch für die Bevölkerung von Vorteil, einen solchen Anlaufpunkt außerhalb der üblichen Sprechzeiten anzubieten. Und es wäre eine Entlastung für unsere Notaufnahme." Hacker sieht Synergieeffekte und glaubt, dass sich der zentrale Anlaufpunkt in der Bevölkerung durchsetze. "Das wird sich im Lauf der Jahre ganz von allein einpendeln."


Noch ist nichts spruchreif

Heinrich Behrens ist seit Juli 2014 Obmann der niedergelassenen Ärzte und als solcher für die Bereitschaftsregelung zuständig. Was die Diskussion um eine zentrale Praxis am Klinikum angeht, betont er, dass man aktuell nicht unnötig Öl ins Feuer gießen solle.

"Es gibt verschiedene Modelle - aber es ist definitiv nichts spruchreif", sagte der Internist im Gespräch mit der BR. Allerdings sieht auch Behrens keine Vorteile - weder für Ärzte noch Patienten -, sollte das Bereitschaftsgebiet für die Kulmbacher Ärzte bis Pegnitz ausgedehnt werden.

"Das ist alles noch komplett unausgereift. "Man muss wissen, dass das Gesundheitsstrukturgesetz klar vorsieht, dass man künftig eine Bereitschaftspraxis gemeinsam mit dem Klinikum vorhalten muss. "Ich brauche aber auch eine Alternative in der Argumentation gegenüber der KV. Es ist einiges angestoßen, die nächsten Gespräche sind vereinbart."


Lichtenfels: Praxis erspart Suche nach Nottdienst

Im Klinikum Lichtenfels ist vor wenigen Tagen eine ärztliche Bereitschaftspraxis eröffnet worden. Die Praxis wird von einem Trägerverein betrieben, dem ausschließlich im Landkreis Lichtenfels niedergelassene Ärzte angehören.

Die neue Praxis wird im Auftrag der kassenärztlichen Vereinigung betrieben. Der Vorsitzende des Trägervereins, Hans-Georg Wohn, unterstreicht, dass die Errichtung der Bereitschaftspraxis die medizinische Versorgung der Einwohner auf hohem Niveau gewährleiste - insbesondere außerhalb der regulären Sprechzeiten der Haus- und Fachärzte. Der Vorteil sei die feste Anlaufstelle und Vernetzung mit den diagnostischen Möglichkeiten des Klinikums. Das bedeute eine verbesserte medizinische Versorgungsqualität im Notfall im Vergleich zur bislang üblichen Regelung.

Die neue Bereitschaftspraxis der Hausärzte spare den Patienten die Suche nach dem Notdienst. Die Nähe zum Krankenhaus entlaste zudem die Notaufnahme.