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Kulmbach hilft den Geflüchteten


Autor: Christine Fischer

Kulmbach, Freitag, 03. Juni 2022

Vor einem Vierteljahr kamen die ersten Geflüchteten aus der Ukraine im Landkreis Kulmbach an. Zahlreiche Hilfsangebote haben sich weiterentwickelt.
Integrationsbegleiterin Renate Liefländer-Cordes hilft Dmytro Pavlov bei einem Schreiben des Jobcenters. Foto: Christine Fischer


Anfang März war es, als die ersten ukrainischen Flüchtlinge den Landkreis Kulmbach erreichten - nach einer oft tagelangen, nervenaufreibenden und kräftezehrenden Flucht. 704 Geflüchtete sind aktuell im Landkreis registriert. In Kulmbach trafen und treffen sie auf eine Welle der Hilfsbereitschaft.

Zahlreiche Menschen haben Wohnraum und Sachspenden gemeldet, ihre ehrenamtliche Unterstützung angeboten. Im Landratsamt bei der hauptamtlichen Integrationslotsin Souzan Nicholson laufen alle Fäden zusammen, sie koordiniert sämtliche Maßnahmen und Aktivitäten, bringt Geflüchtete und Helfer zusammen und in Kontakt mit Organisationen und Einrichtungen. "Wir haben über 150 Angebote von Ehrenamtlichen erhalten - von Fahrdiensten bis zu Deutschkursen. Außerdem wurde ausreichend Wohnraum angeboten, worauf wir als Landkreis sehr stolz sind. Das ist nicht selbstverständlich", sagt Nicholson.

Für die Unterstützung der Geflüchteten im Alltag sind in den Städten und Gemeinden zehn ehrenamtliche Integrationsbegleiter tätig, die vom Landkreis speziell dafür geschult wurden. In Thurnau leitet Renate Liefländer-Cordes den Helferkreis, der sich alle zwei Wochen im Gemeindehaus "Lichtblick" trifft. Die Treffen sind ein offenes Angebot für die Geflüchteten, mal kommen mehr, mal weniger. Es gibt Kaffee und Kuchen, die Atmosphäre ist herzlich.

"Ukrainer sind sehr ehrgeizig"

Über 20 Ukraine-Flüchtlinge betreuen Renate Liefländer-Cordes und ihr Team derzeit in Thurnau, es waren auch schon mal an die 40. Die ehrenamtlichen Integrationsbegleiterinnen helfen beim Formulare-Ausfüllen, bei Schulanmeldungen, bei sämtlichen kleinen oder größeren Alltagsproblemen. Und die Ukrainer helfen sich bei den Treffen auch untereinander, dolmetschen und tauschen Erfahrungen aus. Vieles konnte in den vergangenen Wochen erledigt und geklärt werden. "Die Zeit der Ämtergänge ist eigentlich vorbei, jetzt läuft alles in geregelten Bahnen", sagt Liefländer-Cordes, die auch weiß: "Die Leute sind sehr selbstständig und wollen alles selber machen. Ukrainer sind sehr ehrgeizig."

Verunsichert waren einige zuletzt wegen des Wechsels der Zuständigkeit vom Landratsamt auf das Jobcenter. Seit Juni ist letzteres nun für die Ukraine-Flüchtlinge verantwortlich. Renate Liefländer-Cordes: "Die Menschen hatten Panik, dass sie kein Geld mehr bekommen, und waren ungläubig, dass das in Deutschland alles von selber funktioniert. In Kulmbach klappt die Zusammenarbeit zwischen Landratsamt und Jobcenter sehr gut, das ist nicht überall so."

Praktische Fragen

Beim jüngsten Helferkreis-Treffen geht es um praktische Fragen wie Telefonanbieter, das Neun-Euro-Ticket und - natürlich - Formulare. Renate Liefländer-Cordes muss Dmytro Pavlov bei einem Schreiben des Jobcenters helfen. Eigentlich spricht Pavlov ganz passabel deutsch, dolmetscht oft für andere, aber vor dem Amtsdeutsch kapituliert er. Und selbst die Integrationshelferin muss es mehrmals lesen, bis sie es versteht, "Formulare sind grausam, und dabei mache ich das jetzt schon seit sechs Jahren."

Der Zugang zu Sprachkursen ist ihren Worten zufolge derzeit das größte Problem. Die begehrten Anbieter, zu denen jeder will, sind voll. "Alle wollen Deutsch lernen, egal, ob sie bleiben oder später zurück in ihre Heimat gehen", sagt Renate Liefländer-Cordes.

Auch Elvira Romanetz wartet sehnsüchtig auf einen Platz im Sprachkurs. Die 48-Jährige möchte endlich etwas tun, arbeiten, ihr eigenes Geld verdienen. "Kein Ukrainer will von Geld vom Staat abhängig sein", sagt sie in flüssigem Englisch und betont: "Ich würde alles machen, aber erst einmal muss ich die Sprache lernen." In Charkiw war sie Kosmetikerin mit eigenem Studio, hat ein selbstbestimmtes, aktives Leben geführt, ist gereist und ausgegangen. Die unfreiwillige Untätigkeit und Abhängigkeit belasten sie. Sie möchte irgendwann zurück in ihre Heimat, doch ihr Laden und ihre Wohnung sind zerstört. "Du kannst nicht zurückkommen", haben ihr Freunde und Familie gesagt, mit denen sie jeden Tag Kontakt hat.

Sie hatten keine Sprachbarriere

Die Sprachbarriere hatten die Konovalovs nicht. Die fünfköpfige Familie, der Anfang März die Flucht aus Mariupol gelang, gehörte zu den ersten Ukraine-Flüchtlingen im Landkreis. Sie hatten hier schon einmal über fünf Jahre gelebt, waren 2020 nach einem abgelehnten Asylantrag ausgereist. Im Gegensatz zu den anderen hilfesuchenden Menschen kamen sie nicht als Fremde und konnten sich von Anfang an auf Deutsch verständigen. Marina Konovalova weiß: "Für viele andere Ukrainer ist es schwierig." Deshalb helfen sie bekannten und befreundeten Landsleuten mit Dolmetschen und bei Behördengängen.

Die Konovalovs sind angekommen. Sie leben mittlerweile in Rugendorf in einer Wohnung, Familienvater Roman arbeitet seit Mitte Mai bei Ireks, Tochter Katheryna (15) besucht die Realschule, Sohn David (9) die Grundschule und Nesthäkchen Anastasia (3) geht ab September in den Kindergarten. Aktuell haben sie eine Aufenthaltserlaubnis für zwei Jahre. Sie hoffen, dass sie dieses Mal für immer bleiben dürfen.