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Kulmbach feiert Deutsche Einheit an der Berliner Brücke


Autor: Stephan Stöckel

Kulmbach, Samstag, 03. Oktober 2015

25 Jahre Deutsche Einheit ist am Samstag in Kulmbach an der Berliner Brücke gefeiert worden.
Mit einem Glast Sekt stießen die Mitglieder des Freundeskreises Saalfeld-Kulmbach auf 25 Jahre Deutsche Einheit an. Fotos: Stephan Stöckel.


Vor 25 Jahren wurde Deutschland wiedervereinigt. Neben dem Jubiläum bewegt in diesen Tagen auch ein anderes Thema die Deutschen: der Zustrom von Flüchtlingen. Kreis- und Stadtrat Ingo Lehmann von der SPD sparte das Thema bei der Gedenkfeier an der Berliner Brücke nicht aus, zu der sich rund 100 Besucher am Nationalfeiertag versammelt hatten. Aus dem Blickwinkel eines weltoffenen und gastfreundlichen Deutschlands stellte er fest: "Die Willkommenskultur, welche die vielen von Flucht und Vertreibung gezeichneten Menschen empfängt, ist bemerkenswert. Was die große Zahl an Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen in den Rettungsorganisationen, in den Landkreisen, Städten und Gemeinden bisher leisteten, war und ist einzigartig."

Die Krawalle des rechten Mobs und die Antwort der Zivilbevölkerung darauf ("Es wurde Flagge gezeigt: Deutschland ist bunt und nicht braun"), hob der Redner ebenfalls hervor, um dann mit aller Deutlichkeit festzustellen: "Wir

können und wir werden einen weiterhin ungebrochenen Zustrom an Menschen nach Deutschland alleine nicht stemmen. Aus meiner Sicht ist das die allererste humanitäre Bewährungsprobe für die Europäische Union - und zwar für alle 28 Mitgliedsstaaten."

Einer der aufmerksam zuhörte, war der 73-jährige Walter Reichel aus Kulmbachs Partnerstadt Saalfeld. Flucht und Vertreibung hatte er in seiner Kindheit am eigenen Leib erlebt. "Als Vierjähriger wurde ich zusammen mit meinen Eltern von den Tschechen aus meinem Geburtsort Katharinaberg in Böhmen vertrieben. Damals gab es noch nicht diese Willkommenskultur, die ein Segen für die heutigen Flüchtlinge ist. Wir kamen in einem zerstörten Deutschland an. Doch schon damals gab es Menschen, die die Vertriebenen mit offenen Armen empfangen haben", erzählte der Zeitzeuge am Rande der Veranstaltung.

Seit Jahren engagiert sich der Thüringer im Freundeskreis Saalfeld-Kulmbach, von denen einige an der Gedenkfeier teilgenommen hatte. Mit einem Glas Sekt stießen sie auf die Wiedervereinigung vor 25 Jahren an. Bei Wolfgang Protzner, dem Vorsitzenden des Kreiskuratoriums deutsche Einheit, hingegen wollte sich die Sektlaune nicht so recht einstellen. 80 Prozent der Deutschen würden die Wiedervereinigung zwar als vollzogen ansehen, die "Wessis unter ihnen" aber noch immer von den "neuen Bundesländern" sprechen. "Wie lange noch?" fragte sich der Redner, der zu der Einsicht gelangte: "Ein schaler Beigeschmack bleibt nach den 25 Jahren haften. Die Deutschen können sich über den unverdienten Gang der Geschichte nicht richtig freuen."

Die Idee, man hätte den Einigungsprozess über Jahre strecken sollen, kanzelte er als "dummes Geschwätz von Politikklugscheißern ab", denn dann, so Protzner, wäre die DDR menschenleer geworden. Für Protzner wäre etwas viele anderes viel nötiger gewesen: das Strecken des Beitrittsprozesses zur Europäischen Union (EU). "Manche - die anscheinend im Geschichtsunterricht geschlafen haben - wollten gar die Ukraine oder Georgien aufnehmen und damit das Selbstwertgefühl Russlands mit Füßen treten. Wir müssen heute um den Erhalt der EU ringen", rief der Historiker den Zuhörern in Erinnerung.

Stadt und Kreisrat Thomas Nagel, der die Schlussrede hielt, stellte mit Blick auf die aktuellen Herausforderungen in Deutschland und Europa neudeutsch angehaucht fest: "Wir brauchen nicht German Angst sondern German Mut." Aleksandra Zubielewicz-Schmidt und Sophia Bastobbe begleiteten mit ihren zarten Flötentönen einen vielstimmigen Teilnehmerchor, der inbrünstig sang: "Einigkeit und Recht und Freiheit für das Deutsche Vaterland."