Kritik an Urteil nach Bierfest-Unfall - Richter erklärt Strafmaß
Autor: Alexander Müller
Kulmbach, Mittwoch, 11. Dezember 2013
Thomas Goger, Pressesprecher des Landgerichts Bayreuth, äußert sich zu Verfahren nach dem Jugendstrafrecht und zu Strafrahmen. Anlass ist Kritik an dem Urteil gegen die junge Frau, die nach dem Bierfest 2012 einen Mann angefahren hatte, der an den Folgen starb.
Harte Kritik an dem Urteil, das das Jugendschöffengericht Kulmbach am Dienstag gefällt hat, wurde unmittelbar danach auf Facebook und inFran ken.de laut. Zum Teil wurden dabei Fragen gestellt, die wir an Thomas Goger, Richter am Landgericht Bayreuth und Pressesprecher dort, herangetragen haben:
Wonach richtet sich die Entscheidung, ob ein Verfahren nach Jugendstrafrecht durchgeführt wird?
Thomas Goger: Dies richtet sich nach dem Alter des Angeklagten zur Tatzeit. Wer mindestens 14, aber noch keine 18 Jahre alt ist, auf den wird immer Jugendstrafrecht angewendet. Bei jungen Menschen zwischen 18 und 21 Jahren kommt es darauf an, ob sie in ihrer Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstehen oder ob es sich um eine jugendtypische Tat handelt. In beiden Fällen wird auch bei sogenannten Heranwachsenden Jugendstrafrecht angewendet.
Das Recht, ein Kraftfahrzeug zu führen, spielt bei der Einschätzung keine Rolle?
Bei der Frage, ob ein Heranwachsender einem Jugendlichen gleich steht, spielen viele Aspekte eine Rolle. So ist zum Beispiel relevant, ob der junge Mensch sein Leben bereits eigenständig führt oder zum Beispiel noch bei den Eltern wohnt und in einer Ausbildung steht. Die Erlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ist allenfalls ein Punkt unter vielen, der zu berücksichtigen ist.
Welche Kriterien gelten für den Straftatbestand der fahrlässigen Tötung?
Bei der fahrlässigen Tötung muss ein fahrlässiges Verhalten des Täters zu der Tötung eines anderen Menschen geführt haben. Fahrlässigkeit liegt dann vor, wenn der Täter nicht sorgfältig genug handelt und dies auch erkennen kann. Außerdem muss er vorhersehen können, dass sein Verhalten zum Tod eines Menschen führen kann.
Was unterscheidet dieses Sonderstrafrecht vom Erwachsenenstrafrecht?
Im Jugendstrafverfahren steht der Erziehungsgedanke im Mittelpunkt. Es geht nicht in erster Linie darum, den jungen Menschen zu bestrafen, sondern so auf den jungen Menschen einzuwirken, dass er künftig keine Straftaten mehr begeht. Den Jugendgerichten stehen hierzu zahlreiche Möglichkeiten offen, die im Erwachsenenstrafrecht nicht bestehen. So können maßgeschneiderte Pakete von Auflagen und Weisungen verhängt werden, die sich ganz auf die spezielle Situation des jeweiligen Angeklagten richten. Anders als bei Erwachsenen kann gegen Jugendliche und Heranwachsende auch Arrest verhängt werden.
Wenn ein Kraftfahrer bei einer Verkehrskontrolle mit 1,4 Promille Alkohol erwischt wird, welche Sanktion droht ihm maximal?
Wenn ein erwachsener Kraftfahrer, ohne jemanden zu gefährden, eine Trunkenheitsfahrt begeht, sieht das Gesetz Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr vor. Wer nicht vorbestraft ist, muss in der Regel mit einer Geldstrafe rechnen. Die allgemeinen Strafrahmen gelten im Jugendstrafrecht aber nicht. In beiden Fällen droht jedoch noch der Entzug der Fahrerlaubnis. Nach Ablauf einer Sperrfrist muss diese dann neu beantragt werden.
Was sieht der Strafrahmen für eine Unfallflucht vor?
Erwachsene Täter müssen bei unerlaubtem Entfernen vom Unfallort mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren rechnen. Auch hier hat der nicht vorbestrafte Ersttäter in der Regel mit einer Geldstrafe zu rechnen. In vielen Fällen wird, wenn der Schaden gering ist, das Verfahren auch gegen Geldauflage eingestellt.
In der Diskussion werden verschiedene Ordnungswidrigkeiten und Straftaten angeführt, ohne dass klar ist, welche Sanktionen drohen. Können Sie uns da bitte eine Orientierung geben: Jemand bezahlt seinen Strafzettel nicht, jemand lädt illegal Musik down, jemand ist einen Monat mit seiner Miete im Verzug und wird von seinem Vermieter wegen Betrugs angezeigt, jemand zündet ein Haus an?
Das lässt sich so allgemein nicht beantworten. Feste "Tarife" für bestimmte Arten von Straftaten gibt es weder im Gesetz noch in der Praxis, da jeder Fall anders gelagert ist. Leider kursieren in der Öffentlichkeit oftmals Strafhöhen für einzelne Delikte, die allenfalls im konkreten Einzelfall zutreffen. Wer einen "Strafzettel" nicht bezahlt, muss übrigens zunächst mit einem Bußgeldbescheid rechnen. Wer dann immer noch nicht zahlt, dem droht unter Umständen Erzwingungshaft von wenigen Tagen.
Warum entsteht Ihrer Meinung nach beim Laien, insbesondere bei Betroffenen, mitunter der Eindruck, Sanktion und Tat stünden im Missverhältnis?
Die Öffentlichkeit kennt meist nur einen Teil der Wahrheit. Die Richter müssen aber alle Umstände berücksichtigen, die für und gegen den Angeklagten sprechen. An dem Urteil im konkreten Fall haben übrigens auch zwei Schöffen, das heißt Laienrichter, mitgewirkt.