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Kripo trocknet Drogensumpf in Oberfranken aus


Autor: Stephan Tiroch

Kulmbach, Dienstag, 27. Januar 2015

Für einen Dealer aus dem Landkreis Kulmbach endet sein Strafprozess mit einer Bewährungsstrafe. Aber ein Zeuge berichtet, wie die Region mit den Strukturen des Rauschgifthandels verflochten ist.
Haschisch, das hier von einem Polizeihund entdeckt worden ist, wird in solchen Päckchen mit mehreren Platten vertrieben. Im Jahr 2013 ist der Bayreuther Kripo ein großer Schlag gegen die Strukturen des Drogenhandels in Oberfranken gelungen. Infolge der Ermittlungen kam es zu 160 (!) Strafverfahren - am Dienstag stand ein Dealer der unteren Ebene in Kulmbach vor Gericht.  Foto: Matthias Schrader / dpa


Drogen sind weit weg. Rauschgift ist in Großstädten ein Problem. Wer so denkt, befindet sich gewaltig auf dem Holzweg. Eine Verhandlung am Amtsgericht Kulmbach hat gezeigt, wie Oberfranken mit den Strukturen des Rauschgifthandels verflochten ist.

Vor dem Schöffengericht muss sich am Dienstag ein Mann aus dem Landkreis wegen Handel mit Betäubungsmitteln verantworten. Er steht in der Hierarchie der Drogendealer allerdings weit unten.

Was in Oberfranken abläuft und welche Erfolge der Polizei zuletzt gelungen sind, schildert ein Zeuge. Und der Mann kennt sich aus - als Beamter der Kripo Bayreuth ist er damit beschäftigt, den Drogensumpf trockenzulegen.

In dem Strafprozess wird dem 38-jährigen Angeklagten vorgeworfen, von 2010 bis 2013 insgesamt 2,3 Kilo Haschisch erworben und weiterverkauft zu haben. Bei einem Einkaufspreis von 7 Euro pro Gramm dürfte er knapp 12.000 Euro verdient haben.

Zentrale in Bindlach

Der Mann, der in ziemlichen finanziellen Schwierigkeiten steckt, streitet die Taten ab. Er gibt nur den Kauf von wenigen Gramm Haschisch zum Eigenverbrauch zu. Überführt wird er durch den Zwischenhändler, der eine größere Nummer im oberfränkischen Drogengeschäft gewesen ist. Dieser hat nach Angaben eines Kriminalbeamten von seinem Großdealer in Bindlach über mehrere Jahre 50 Kilo Haschisch bezogen.

Der selbst drogenabhängige Zwischenhändler gibt an, seinen Bekannten jeweils mit 100-Gramm-Platten Haschisch versorgt zu haben. "Er ist einmal im Monat gekommen", sagt der Zeuge. Die Bezahlung sei meist erst zwei Wochen später erfolgt. "Das macht Sinn, weil bei Ihnen das Geld immer knapp war", so Staatsanwalt Bernhard Böxler.

Er fordert eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren, die aber zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Pflichtverteidigerin Julia Gremmelmaier aus Kronach kommt zu dem Ergebnis, dass Aussage gegen Aussage steht. Ihr Mandant sei nicht vorbelastet, nicht mal polizeibekannt und sozial eingeordnet. Bei dem Zeugen handle es sich dagegen um einen vorbestraften Drogenabhängigen, "der liefern musste", der also mit der Polizei zusammengearbeitet hat, um in seinem eigenen Prozess Vergünstigungen zu bekommen.

Kronzeuge packt aus

In der Tat hat sich der Zeuge der Justiz als Kronzeuge zur Verfügung gestellt und ausgepackt. Die "Belohnung" für den Dealer: Er muss seine beiden mehrjährigen Freiheitsstrafen nicht im Gefängnis verbüßen, sondern darf eine Therapie machen.

Das Schöffengericht gelangt dennoch zu einem Schuldspruch und verurteilt den Angeklagten wegen 23 Einzeltaten zu einer Freiheitsstrafe von 22 Monaten, ausgesetzt auf drei Jahre zur Bewährung. Dazu kommt eine Geldbuße von 1800 Euro, zahlbar an die Arbeiterwohlfahrt.

Nach sorgfältiger Beweiswürdigung, so Richterin Nicole Allstadt, sei man davon überzeugt, dass der Zeuge glaubwürdig ist. Er habe keinen Belastungseifer an den Tag gelegt, und auch in anderen Verfahren seien seine Aussagen verlässlich gewesen. Dagegen habe es das Gericht stutzig gemacht, dass im August 2014 bei der Hausdurchsuchung in der Wohnung des Angeklagten, der nach eigenen Angaben nichts mehr mit Drogen zu tun haben will, eine Marihuana-Tabak-Mischung auf dem Küchentisch gefunden worden ist - zum Konsum vorbereitet. "Das hat Ihnen das Genick gebrochen", betont die Richterin.

Crystal-Ring ausgehoben

Für die Bayreuther Kripo ist das Kulmbacher Strafverfahren Teil eines erfolgreichen Kampfes gegen die Drogenkriminalität. Am Rande des Prozesses ist zu erfahren gewesen, dass die Spezialisten 2012 einen Crystal-Ring mit 250 Beschuldigten ausgehoben haben. Im Zuge des Verfahrens, so der Kriminalbeamte, sei man auf die Haschisch-Connection gekommen und habe mit Hilfe des Kronzeugen 160 Beteiligte ermittelt.

Das Haschisch stammt demnach aus Marokko. Im vorliegenden Fall hat der Bindlacher Großhändler, "ein unauffälliger Bursche", der seit 2008 einen schwunghaften Handel betrieben hat, seine Ware aus Frankfurt bekommen. Sein Verteilernetz hat sich über Oberfranken hinaus bis nach Berlin erstreckt. Ihm ist der Verkauf von 350 Kilo Haschisch nachgewiesen worden. Bei der Kripo befürchtet man allerdings, dass der aus dem Verkehr gezogene Großhändler inzwischen ersetzt worden ist.