Krieg nahm Wahl-Thurnauer Chance auf Olympiagold
Autor: Alexander Hartmann
Thurnau, Montag, 14. März 2022
Der Berliner Axel Stamann, der im Modernen Fünfkampf große Erfolge gefeiert hat, hat in Thurnau seine neue Heimat gefunden. Er spricht über die Vorzüge des Landlebens und über den russischen Einmarsch in Afghanistan, der ihm 1980 die Olympia-Teilnahme verwehrt hat.
Erstmals seit 2015 hat der Landkreis im vergangenen Jahr wieder Einwohner gewonnen. Wir nehmen das zum Anlass und stellen in einer losen Serie unter dem Motto "Angekommen" Menschen vor, die hierher gezogen sind. Zum Auftakt der Serie stellen wir Axel Stamann vor, einen gebürtigen Berliner, der in Thurnau heimisch gewordenist.
Erfolgreicher Fünfkämpfer
Axel Stamann war Vize-Weltmeister im Modernen Fünfkampf und später auch Bundestrainer, sein Traum vom olympischen Mannschaftsgold in einer Sportart, die Reiten, Fechten, Schwimmen, Laufen und Schießen vereint, ist 1980 aber geplatzt. Denn wie andere westliche Länder hat auch die Bundesrepublik die Spiele von Moskau boykottiert, nachdem russische Truppen in Afghanistan einmarschiert waren. "Es war sportlich für uns eine Enttäuschung, der Boykott war aber folgerichtig", sagt der 70-jährige gebürtige Berliner, der bei internationalen sportlichen Wettkämpfen, aber auch beim Leben in Westberlin die Folgen des Kalten Krieges zu spüren bekommen hat und heute mit den Menschen mitfühlt, die im Krieg zwischen Russland und der Ukraine leiden und vielfach ums Leben kommen. "Ich habe aus meiner Zeit im Sport noch viele Freunde in Russland und der Ukraine. Was dort passiert, ist fürchterlich."
Er genießt das Landleben
Axel Stamann ist in Berlin aufgewachsen und hat der Hauptstadt vor zehn Jahren der Rücken gekehrt. Er ist in Oberfranken heimisch geworden, genauer gesagt in Thurnau, wo er zu seiner Lebensgefährtin gezogen ist. Er hat den Töpfermarkt gegen die pulsierende Metropole eingetauscht. Ob er das bereut? "Keine Minute, ich genieße das Leben hier, das im Vergleich zur Hektik in Berlin viel gemütlicher ist." Was er an der Region schätzt? Die Landschaft, aber auch die Freundlichkeit der Menschen, die auch Fremden, die ihnen beim Spaziergehen begegnen, ein "Grüß Gott" schenken.
"Die Leute sind sehr herzlich"
"Die Leute sind sehr herzlich", sagt Stamann, der sich noch gut an sein erstes Aufeinandertreffen mit einem Oberfranken erinnern kann. Es war in Berlin, wo er den Thurnauer Peter Müller kennengelernt hat. "Ich habe als Polizist die Bayreuther Bundespolizisten, bei denen Peter war, bei einem Lehrgang betreut. Ich habe damals, ehrlich gesagt, anfangs nicht alles verstanden, was er gesagt hat", erinnert sich Stamann, der sich mit dem oberfränkischen Dialekt angefreundet hat. Mit Peter Müller steht er noch in regem Kontakt, ebenso mit dem Kulmbacher Karlheinz Weber, den er bei Schwimmwettkämpfen kennengelernt hat und den er heute bei gemeinsamen Radtouren und im Fitnessstudio trifft. "Ich habe hier inzwischen mehr Freunde und Bekannte als in Berlin", sagt er.
Von Thurnau begeistert
Stamann genießt die fränkische Kultur ("Wir gehen oft ins Theater") und das kulinarische Angebot ("Es gibt zum Glück noch viele Gasthäuser, auch wenn es von Jahr zu Jahr weniger werden"). Er freut sich auch darüber, dass seine Heimatgemeinde Thurnau immer mehr aufblüht. "Da hat sich in den vergangenen Jahren viel getan", sagt der Wahl-Oberfranke, der gespannt ist, was aus dem Schlosspark-Projekt wird. "Wenn der Park am See wieder geöffnet würde, hätte Thurnau eine weitere Attraktion."
"Ruhe ist Lebensqualität"
Axel Stamann ist im Landkreis Kulmbach zuhause und kennt die Unterschiede zwischen dem raueren Frankenwald und dem milderen Thurnauer Land. In Köstenberg bei Presseck war das Haus seiner früheren Schwiegereltern. "Meine Tochter wurde in Presseck sogar getauft." Auch der Frankenwald habe seine Reize, sagt der 70-Jährige, der sich seit vielen Jahren in Thurnau pudelwohl fühlt. Berlin sei immer eine Reise wert, in seine Heimatstadt zurückkehren möchte er aber nicht. Dafür schätzt er die Vorzüge des Landlebens zu sehr. "Die Ruhe ist Lebensqualität. Wer wie ich in der Einflugschneise der Flughafens Tempelhof gewohnt hat, der weiß das zu schätzen."
Von Berlin aus ist er früher zu vielen Wettkämpfen gestartet. Auch nach Schweden, wo er 1978 in Jönköping mit der Nationalmannschaft Vizeweltmeister wurde. Auf Rang 3 verdrängt haben die Deutschen das Team der Sowjetrepublik. Auch mit den Sportlern aus der früheren UdSSR haben sich die Modernen Fünfkämpfer gut verstanden, sagt der 70-Jährige. "Mit Anatoli Starostin habe ich heute noch Kontakt." Der wurde 1980 in Moskau Olympiasieger - sowohl im Einzel als auch mit der Mannschaft.