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Kontrollierte Bürokratie: Ärger wegen Mindestlohn


Autor: Jürgen Gärtner

Kulmbach, Freitag, 20. März 2015

Der Zoll kontrolliert scharf, ob die Bestimmungen eingehalten werden. Diese Erfahrungen haben auch schon Firmen aus dem Landkreis Kulmbach gemacht. Die Unternehmer kritisieren die überbordende Bürokratie durch die neuen Regelungen.
Arbeitnehmer müssen ihre Arbeitszeiten und Pausen exakt erfassen. Foto: Jochen Nützel


Mit drei Bussen sind die Kontrolleure des Zolls vorgefahren, haben die Mitarbeiter ihrem Chef Detlef Weißmann berichtet. Auf einer Großbaustelle in Kulmbach überprüften die Beamten nicht nur die Elektriker des Mainleuser Unternehmers, sondern auch alle anderen, die dort im Einsatz waren. Ziel: Wird der Mindestlohn gezahlt? Werden die Arbeitszeiten richtig dokumentiert?

Beamte waren sehr freundlich

Die Zoll-Beamten, die sehr freundlich gewesen seien, hätten die persönlichen Daten der Arbeiter abgefragt, sich den Personalausweis vorlegen lassen, die Arbeits- und Pausenzeiten sowie die Zeiten notiert, die die Männer auf der Baustelle waren. "Das ging über alle Gewerke, pro Person dauerte die Befragung etwa 20 Minuten", erzählt Weißmann.

"Das war ein ganz schöner Aufzug."

Von allen Seiten seien die Zoll-Mitarbeiter auf die Baustelle gekommen, damit niemand das Gelände verlassen kann. So sollen schwarze Schafe erwischt werden. Ein paar Tage später stand plötzlich eine Zollmitarbeiterin im Büro der Elektro-Firma, die die Aufzeichnungen von der Baustelle mit denen aus der Buchhaltung verglich, erzählt Weißmann weiter. Nachdem alles in Ordnung war, war die Dame innerhalb kürzester Zeit schon wieder verschwunden.

Kontrollen eigentlich richtig

Weißmann ist froh, dass die Ermittlerin in Zivil vorgefahren war. "Bei anderen Firmen sind sie mit dem Zollwagen gekommen", was natürlich für Gesprächsstoff in der Nachbarschaft gesorgt habe. Weißmann steht den Kontrollen eigentlich aufgeschlossen gegenüber. "Dass Überprüfungen stattfinden, ist nicht verkehrt." Allerdings kritisiert er den Aufwand für die Betriebe, alle Zeiten der Mitarbeiter exakt erfassen zu müssen: "Ein bürokratisches Monster."

Die Dokumentationspflicht kritisiert auch der Obermeister der Zimmerer-Innung, Günther Stenglein. "Man muss die Unterlagen zwei Jahre aufheben. Für die Papierflut braucht man ein Archiv."

Stenglein weiß, dass der Zoll zur Überwachung des Mindestlohns eigens 1600 Beamte eingestellt hat. Ihre Aufgabe: die Aufzeichnungen der Arbeiter von der Baustelle mit denen aus den Büros vergleichen, um so den schwarzen Schafen auf die Schliche zu kommen. Mit den großflächigen Kontrollen soll den Übeltätern nun das Handwerk gelegt werden.

Abschreckende Wirkung?

Ob das aber auch die Leute abschreckt, die den Mindestlohn umgehen wollen? "Die werden nach Mitteln und Wegen suchen", vermutet Stenglein. Auch fürchtet er, dass das Image von Betrieben leiden könnte, wenn der Zoll eine Baustelle kontrolliert und die Arbeiter "wie Gangster befragt werden".

Natürlich kennt auch der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, Reinhard Bauer, die Diskussion um den Mindestlohn. Auffällig dabei ist für ihn aber: "Ich habe noch keinen Handwerker gehört, der mit der Höhe des Mindestentgelts ein Problem hatte. Jeder ist der Meinung, dass es für gute Arbeit gutes Geld geben sollte. In vielen Branchen liegt die Bezahlung ohnehin über den 8,50 Euro Mindestlohn." Allerdings werde immer wieder der bürokratische Aufwand angeprangert.

Massive Beschwerden

Er ist inzwischen aber vorsichtig optimistisch, dass sich die Regelungen vielleicht doch noch ändern werden. "Denn es gibt massive Beschwerden an die Politik, das bürokratische Monster zu zähmen."

Und die hätten inzwischen sogar Kanzlerin Angela Merkel auf den Plan gerufen. Auf der internationalen Handwerksmesse in München hatte sie vor einigen Tagen angekündigt, dass die Bundesregierung die Beschwerdefälle sammle und nach Ostern schauen werde, "was man gegebenenfalls verändern kann". Allerdings mit der Einschränkung: "Versprechen kann ich nichts."

Appell an die Politik

Trotzdem sind die Äußerungen der Kanzlerin Musik in den Ohren von Bauer. "Das ist die Chance, dass sich noch was tut. Hier könnte die Bundesregierung richtig punkten", ist seine Überzeugung. Denn der Unmut über die ausufernde Aufzeichnungspflicht ziehe sich quer Beet durch alle Bereiche der Wirtschaft. Man müsse einen Standard schaffen, bei dem die Dokumentationspflicht nicht so aufwändig ist, lautet sein Appell an die Politik.