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Klinikum Kulmbach: Anästhesie - Schlüssel zur modernen Medizin


Autor: Dagmar Besand

Kulmbach, Freitag, 30. Oktober 2015

Seit 50 Jahren gibt es am Klinikum einen eigenständigen Fachbereich Anästhesie. Ohne die Experten für sicheren Schlaf und Schmerzfreiheit wären die meisten Operationen, die heute als Standard gelten, nicht machbar.
Peter Moratin, Chef der Klinik für Anästhesie am Klinikum, überwacht während der Operation alle Lebensfunktionen des Patienten im Narkose-Schlaf. Foto: Dagmar Besand


Knochenbrüche, innere Verletzungen, Krebserkrankungen, Organschwäche - viele Krankheiten und Verletzungen des Körpers erfordern Operationen. Dass die Patienten diese Eingriffe überstehen und keine Schmerzen leiden, dafür sorgen die Fachärzte für Anästhesie in Zusammenarbeit mit den Chirurgen.

Kulmbach hat vor 50 Jahren als eines der ersten Krankenhäuser in Oberfranken eine eigene Anästhesie-Abteilung gegründet. "Es gab natürlich schon vorher Anästhesisten, doch die waren einfach den Chirurgen beigeordnet", sagt Peter Moratin. Er ist seit 20 Jahren Chef der Abteilung, die inzwischen zur "Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin" weiterentwickelt wurde.

Der Fachbereich sei für das Haus extrem wichtig. "Wir sind der Schnittpunkt zwischen allen operativen Abteilungen, und vieles, das heute als medizinischer Standard gilt, wurde erst durch die Anästhesie möglich. Immerhin tun die Chirurgen mit ihren Patienten etwas, das sie ohne Narkose nicht überleben würden."

Dieser Gedanke ist ein wenig unheimlich: Da werden Menschen in tiefen Schlaf versetzt und bekommen nichts davon mit, was die Ärzte mit ihnen anstellen. Was passiert eigentlich genau bei einer Narkose?

 


Bewusstsein wird ausgeschaltet


Immer wenn eine Operation ansteht, die Schmerzen verursacht, ohne dass andere Mittel diese ausschalten könnten, wird eine Narkose eingesetzt, erläutert Peter Moratin. Ziel ist es, das Bewusstsein auszuschalten und die Nervenleitung zwischen Operationsgebiet und Gehirn stillzulegen: Schmerz entsteht dann zwar immer noch, aber er wird nicht mehr an das Gehirn gemeldet und damit auch nicht empfunden. Außerdem sollen die Muskeln so entspannt werden, dass weder reflexhafte Zuckungen noch Anspannungen den Operateur bei seiner Aufgabe behindern. Dies wird durch die Gabe von Medikamenten erreicht, die eingespritzt beziehungsweise der Atemluft beigemischt werden: Schlafmittel, Opiate und Muskelrelaxantien. Während einer Vollnarkose wird der Patient künstlich beatmet.


Alles im Gleichgewicht halten

Bei 40 Prozent aller Operations-Patienten am Klinikum ist Letzteres nicht nötig: Sie bekommen vor dem Eingriff nur eine regionale Anästhesie. Das heißt, sie bleiben während der Operation wach, atmen selbstständig.
"Während der Chirurg seine Arbeit macht, bin ich zuständig für die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts aller physiologischen Systeme und überwache alle Lebensfunktionen", so Moratin.

Über mehrere Bildschirme behält Moratin den Patienten genau im Blick, stets bereit einzugreifen, wenn etwas nicht nach Plan läuft. Seine Arbeit vergleicht er mit der eines Piloten: "Man muss sehr geduldig und sehr aufmerksam sein. Nach Stunden eher langweiliger Routine muss man blitzschnell reagieren können, wenn plötzlich eine Situation entsteht, die über Leben oder Tod entscheidet."

Ist eine Narkose gefährlich? "Alles, was wir in der Medizin machen, hat Risiken", sagt Moratin. Komplikationen können immer auftreten, zum Beispiel wenn der Patient unerwartet allergisch auf eine Substanz reagiert. "Doch das Risiko, durch eine Anästhesie zu sterben, ist mit 1:400 000 sehr gering."

Vor 80 Jahren war das noch ganz anders: "Da ist jeder 200. an der Narkose gestorben." Damals wurde meist Hilfspersonal mit der Durchführung von Narkosen betraut, für die man üblicherweise Äther benutzte.


Wunsch: Bessere Medikamente


Die Anästhesie sei ein sehr vielseitiges Fachgebiet, in dem sich ein starker Trend zur Spezialisierung abzeichne. "Das geht nicht mehr anders. Es kann nicht jeder alles können. Aber es ist trotzdem wichtig, dass alles unter einem Dach bleibt."

Was wünscht sich der Chefarzt für die Zukunft seines Fachs? "Noch bessere und verträglichere Medikamente und wirksame neue Antibiotika. Die brauchen wird dringend."


Die Anästhesie-Abteilung am Klinikum

Rückblick Die Anästhesie als Spezialfach wurde 1953 in Deutschland etabliert. Am Klinikum ging die Anästhesie-Abteilung am 1. 11. 1965 in Betrieb.

Chefärzte Der erste Chef der Abteilung war Heinz-Eckehard Kleiner, der 1995 die Leitung an Peter Moratin abgab.

Mitarbeiter Die Zahl der Abteilungsmitarbeiter stieg von zwei im Jahr 1965 auf 99.
27 Schwestern und Pfleger im Anästhesie-Bereich, 40 im chirurgisch anästhesiologischen Intensivbereich sowie 32 Ärzte gehören zum Team.

Narkosen In den ersten eineinhalb Jahren wurden 700 Narkosen durchgeführt, heute sind es jährlich rund 11 000.

Vier Säulen Die Abteilung ist zuständig für die Durchführung von Narkosen, die Behandlung Schwerkranker auf der Intensivstation, die Notfallversorgung von Unfallverletzten und die Schmerztherapie.