Kirchleuser revolutioniert die Medizintechnilk
Autor: Jochen Nützel
Kulmbach, Sonntag, 08. November 2015
NanoTemper heißt die Firma, die der Kulmbacher Philipp Baaske und sein Partner Stefan Duhr gemeinsam 2008 gründeten. Mittlerweile ist deren Medizintechnik hochdekoriert - und selbst bei Pharma-Riesen der Renner.
Es ist gerade ein Jahr her, da durften der Kirchleuser Philipp Baaske und sein Partner Stefan Duhr den "Deutschen Gründerpreis" in der Kategorie "Aufsteiger" in Empfang nehmen. Die Auszeichnung gab es für das medizinische Messgerät "Monolith" - eine Apparatur, die die potenzielle Wirksamkeit neuer Medikamente binnen weniger Minuten bestimmen kann. Das sogenannte NanoTemper-Verfahren (benannt nach dem Unternehmen der beiden Tüftler) ist mittlerweile weltweit gefragt.
Wir haben Philipp Baaske gefragt, warum seine Erfindung den Pharmazie-Markt revolutionierte, was er an Entwicklungen plant - und warum es manchmal wichtig ist, scheinbar bekannte physikalische Gesetze einmal nicht als gesetzt zu betrachten.
Herr Baaske, bitte erklären Sie einem medizintechnischen Laien kurz, was Ihr "Monolith" genau macht und warum das so bahnbrechend ist.
Der Monolith misst, ob bestimmte Moleküle als Medikament wirken. Falls sie wirken, misst er zusätzlich auch noch, wie stark sie wirken, das heißt, wie man die Medikamente dosieren muss. Je besser die Wirkung, desto geringer die notwendige Dosis an Medikament. Damit können Kosten und Nebenwirkungen gesenkt werden. Bahnbrechend ist, dass wir 1000 Mal weniger des schwer verfügbaren Probenmaterials benötigen und somit Messungen möglich machen, die bis dato unmöglich waren, weil nicht genug Probenmaterial gewonnen werden konnte.
Hier sollte man wissen, dass man oft mehrere Jahre braucht, um auch nur ein Tausendstel Gramm Probenmaterial zu gewinnen. Das hat früher oft nur für eine einzige Messung gereicht, bei uns reicht es für 1000 bis eine Million Messungen.
Laut Forschungsliteratur müsste das, was Sie zur Marktreife entwickelt haben, an physikalischen Gesetzen scheitern. Was hat Sie dennoch bewogen, das Projekt weiter zu verfolgen?
Wir hatten, ehrlich gestanden, als junge Doktoranden die Literatur nicht gründlich gelesen und wussten daher nicht, dass das, was wir machen, gemäß Lehrmeinung eigentlich nicht geht. Basierend auf den Daten aus unseren Experimenten haben wir dann eine neue Theorie entwickelt.
Wie war die Reaktion aus der Pharmabranche? Was genau spart Ihre Methode in der Forschung?
Die Pharmabranche, die ja Kosten von über zwei Milliarden Euro pro neuem Medikament hat, war am Anfang sehr skeptisch, als zwei unter 30-jährige Jungs behaupteten, etwas völlig Neues erfunden zu haben. Wir ermöglichen vor allem, neue Bereiche zu erforschen, bei denen bisher Material begrenzt war. Wir haben hier zum Beispiel ein Erfolg versprechendes Projekt mit der Haunerschen Kinderklinik in München, um eine seltene Stoffwechselkrankheit (Phenylketonurie) bei Kindern zu heilen. Die für diese Krankheit verantwortlichen Moleküle können erst mit unserer MicroScale-Thermophoresis-Messmethode gut untersucht werden.
An Geißeln der Menschheit wie Krebs, Alzheimer und Parkinson wird seit Jahren geforscht, oft mit mäßigem Erfolg. Wo sehen Sie die Forschung dazu in 20 Jahren?
Meiner persönlichen Meinung nach stehen wir erstam Anfang mit unserem Verständnis. Was man gerade lernt ist, dass alles viel komplexer und dynamischer ist als ursprünglich gedacht.
Stimmt es, dass Ihre Entdeckung nicht auf den Bereich Medizin beschränkt bleiben muss, sondern auch in der Lebensmitteltechnik zum Einsatz kommen könnte? Was wäre hier denkbar?
Unsere Technologien werden beispielsweise schon von Konzernen eingesetzt, die Enzyme für Waschmittel entwickeln. Lebensmitteltechnik ist grundsätzlich sehr spannend, weil wir sehr gut kleinste Änderungen von Eiweißen (Proteinen) messen können. Viel schneller und präziser als alle anderen.
Der Hauptsitz Ihrer Firma NanoTemper ist München, es gibt aber eine Niederlassung in San Francisco. Die USA gelten ohnehin als der Medizin-Forschungsmarkt. Wird es bald einen Umzug geben?
Wir verstehen uns als mittelständischen deutschen Gerätebauer und bleiben dem Standort München treu.
Kirchleus ist Ihre Heimat. Wie oft sind Sie noch hier? Wissen die Kulmbacher überhaupt, welcher innovative Unternehmer da aus ihrer Region stammt?
Wir sind etwa alle sechs Wochen in Kirchleus, spätestens dann, wenn die Vorräte an Bratwürsten und Kommunbräu-Bier erschöpft sind. Die Kulmbacher wissen das schon, es gibt ja viele innovative Unternehmer aus Kulmbach wie zum Beispiel Stefan Limmer, der den SL-Eisbock zum Kühlen von Bier erfunden hat. Man tauscht sich da natürlich untereinander aus.