Druckartikel: Kai Stöcker: Aufs Motorrad nie mehr ohne Schutz

Kai Stöcker: Aufs Motorrad nie mehr ohne Schutz


Autor: Sebastian Martin

Kulmbach, Sonntag, 07. April 2013

Am Beginn der Motorrad-Saison ist die Unfallgefahr groß, weil die Übung fehlt. Das hat der junge Neudrossenfelder Kai Stöcker am eigenen Leib erfahren.
Auf seinem iPhone hat Kai Stöcker Fotos von seinen schweren Verletzungen gespeichert. Fotos: Sebastian Martin


Das wäre ihm in der Mitte der Saison sicher nicht passiert, sagt Kai Stöcker bestimmt. Doch es war eben erst der Anfang, und er hatte wenig Fahrpraxis: Kai Stöcker wollte nur mal schnell in der Mittagspause ein Eis bei McDonald's holen. Also schwang er sich auf sein Motorrad und fuhr los.


Einfach Lust aufs Fahren

Es war Ende März 2012 - die Motorrad-Saison hatte gerade begonnen -, und der damals 21-Jährige hatte wie jeder, der die Faszination der zwei Räder kennt, einfach Lust aufs Fahren. Für das kurze Stück zwischen seiner Arbeitsstätte bei Motor-Nützel in Kulmbach-Seidenhof und dem Fast-Food-Restaurant an der Saalfelder Straße setzt sich Stöcker nur mal eben den Helm auf. Schutzkleidung? Brauche ich nicht, denkt er sich. Was soll schon passieren?

Mit einem Kumpel düst er los über die Nordumgehung.

Dann kommt die Abfahrt, eine tückische Linkskurve. Der junge Motorradfahrer kennt die Strecke eigentlich. "Aber ich war in Gedanken abwesend." Stöcker verliert die Kontrolle über seine Aprilia. Er nimmt die Kurve falsch, fällt über das Lenkrad, gerät zwischen Motorrad und Leitplanke und bleibt am Pfosten hängen.

Welche Verletzungen er hat, bemerkt Stöcker zunächst nicht. "Ich war unter Schock." Schmerzen spürt er keine. Dann schaut er auf seinen Oberschenkel. "Ach du Scheiße", denkt er sich. So richtig bei sich ist er nicht. Der Notarzt gibt ihm ein Schmerzmittel. In einer mehrstündigen Not-Operation flicken ihn die Ärzte im Kulmbacher Klinikum wieder zusammen.

Aus dem kurzen Ausflug, den er auf seiner Aprilia unternehmen wollte, wurde eine lange Krankengeschichte: Ein rechter Arm, der bis auf den Muskel aufgeschlitzt war, ein abgesplittertes Handgelenk, ein Mittelhandbruch und ein tiefer Schnitt bis auf den Muskel am linken Oberschenkel. Es dauerte Wochen, Monate, bis Kai Stöcker wieder gesund war.

Inzwischen - ein Jahr später - sind die Wunden verheilt. Doch die Narbe auf seinem Unterarm ist nicht zu übersehen. Wenn Kai Stöcker über seinen Unfall spricht, muss man unweigerlich hinschauen. Unter der Haut verbirgt sich noch eine Platte, die bald herauskommen soll. "Ich kann meine Hand wieder voll bewegen", sagt Stöcker. Das war lange nicht klar.

Auch die Narbe, die sich einmal quer über seinen Oberschenkel zieht, ist nicht zu übersehen. Er hatte Glück, sagten ihm die Ärzte im Kulmbacher Klinikum. Glück, dass er Sportler ist, sonst hätte er sich sicher noch mehr zugezogen. Inzwischen stürmt er wieder für den TSV Neudrossenfeld in der Fußballbezirksliga. Doch er musste sich gedulden.

Allein der Arm wollte über ein halbes Jahr nicht zusammenwachsen. Es dauerte eine Woche, bis die Ärzte die Haut nach und nach wie einen Schuh immer enger zuschnüren konnten - mit 26 Stichen.


Fotos als Mahnung

Die Bilder der brutalen Verletzung hat Stöcker auf seinem iPhone gespeichert. Ein übler Anblick. Trotzdem: Er will wieder Motorradfahren. "Das ist einfach mein Hobby", sagt Stöcker. Es geht nicht anders. Bisher ist er noch nicht wieder auf einem Motorrad gesessen. Er spüre schon ein wenig die Angst. "Aber wenn man nicht bald wieder anfängt, fährt man nie wieder." Das Angstgefühl will er überwinden.

Zusammen mit seinem Vater will er eine neue Maschine kaufen. Die Aprilia, seine 125er, die er gefahren ist, seit er 16 Jahre alt war, bekommt vielleicht sein kleiner Bruder. Wenn sie repariert ist. Und wenn Kai Stöcker wieder fährt, "dann nur noch mit komplettem Schutz". Ob die Motorrad-Kombi bei seinem Unfall was geholfen hätte?

Man weiß es nicht. Doch nur in kurzer Hose und Flip-Flops, wie er früher im Sommer zum Baden gefahren ist, das wird es nicht mehr geben - "nie wieder", sagt Kai Stöcker. Seine Narbe auf dem Unterarm ist eine ständige Mahnung - nicht nur für ihn.