"Jeden Tag Zivilcourage zeigen"
Autor: Werner Reißaus
Harsdorf, Sonntag, 05. November 2017
Mit dem Roman "Die Welle" setzt sich das fränkische Jugendtheaterprojekt auseinander, das im Harsdorfer Gemeindezentrum zu sehen war.
Die Basis ist der Roman des Amerikaners Morton Rhue aus dem Jahr 1981, der auf einer wahren Begebenheit beruht: Der Geschichtslehrer Ron Jones wurde 1967 von seinen Schülern gefragt, wie es in Deutschland so weit kommen konnte, dass sich Millionen Menschen von den Nationalsozialisten vereinnahmen ließen und angeblich nichts von deren Gewalttaten mitbekamen.
Reinhold Tritt ist der Autor des Theaterstücks "Die Welle", Ort der Handlung ist das Klassenzimmer einer Oberstufenschule. Der Geschichtslehrer Ben Schmitt (Frieder Weinheimer) will anhand eines Experiments mit seinen Schülern die Entstehung des Nationalsozialismus dokumentieren. Der reale Hintergrund des Experiments ist die Frage, wie Menschen durch einfache Methoden manipuliert werden können und für eine Idee zu begeistern sind, auch wenn sie noch so falsch ist.
Die jugendlichen Schauspieler zeigten am Ende eines ganz deutlich: "Wir haben verstanden, dass es wichtig ist, selbst zu denken, jeden Tag Zivilcourage zu zeigen, Meinungen nicht nachzuplappern, sondern zu hinterfragen, kritisch zu sein, miteinander zu reden, zuzuhören. Wir haben erkannt, dass die Gefahr einer flächendeckenden Meinungsanpassung jederzeit gegeben ist. Auch jetzt, auch hier in unserem wohlhabenden Deutschland, in Europa und der Welt. Dazu sagen wir Nein!"
Positive Resonanz
Frieder Weinheimer, der in Nürnberg wohnt und den Geschichtslehrer spielt, erfuhr durch einen Zufall von der Ausschreibung des Theaterprojekts: "Ich habe erst am letzten Tag davon gelesen." Die kunterbunt zusammengewürfelte Gruppe sei in ganz Franken unterwegs. Von den geplanten acht Aufführungen seien schon vier absolviert - mit jeweils positiver Resonanz. "Sowohl in Gesprächen als auch in unserem kleinen Gäste-Dokumentationsbuch können wir oft lesen, dass es sehr schön ist, wie wir das Stück auf die Bühne bringen, und auch, dass wir dieses Thema aufgegriffen haben."Der aus Syrien stammende Obai Hamod, der im mittelfränkischen Urfersheim zu Hause ist, spielt einen Türken: "Ich habe mich zu dem Projekt angemeldet, um neue Erfahrungen zu sammeln und mich zu integrieren. Ich wusste nicht gleich, was es ist, aber ich habe dann den Film gesehen, der mich angesprochen hat. Rassismus herrschte nicht nur bei Hitler, sondern auch in meinem Heimatland." Hamod gefällt auch die Gruppe, in der er mitspielt: "Alles coole Leute. Ich freue mich auf jedes Wochenende."
Auch Sarah Hufnagel, die aus der Nähe von Bad Windsheim kommt, findet das Stück gut: "Ich habe das Buch gelesen, den Film geschaut und mich damit auseinandergesetzt. Das Buch haben relativ viele in unserer Gruppe gelesen."
Hanna Batz verkörpert in dem Stück die Direktorin der Schule: "Ich hatte mich mit dem Buch schon vor Jahren beschäftigt. Von dem Projekt habe ich aus meiner alten Theatergruppe erfahren." Für Hanna Batz ist es vor allem deshalb interessant, weil gegenwärtig in Deutschland der Ausländerhass wieder ein aktuelles Thema ist. "Ich dachte, dass man dagegen in gewisser Weise vorgehen sollte und dieses Stück dazu beitragen könnte", so die Forchheimerin.
Finanziert wurde das Projekt vom Kulturfonds Bayern, die Premiere fand im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg statt. Projektleiterin Heike Pfänder bedauerte in diesem Zusammenhang, dass bei der Premiere weder ein Vertreter des zuständigen Staatsministeriums noch der Stadt Nürnberg zugegen war: "Da waren wir schon ein wenig traurig, aber bei der Schlussvorstellung am 25. November in Gunzenhausen wird der Bezirkstagspräsident von Mittelfranken, Richard Bartsch, dabei sein."
Der Harsdorfer Bürgermeister Günther Hübner ließ sich den Auftritt im Gemeindezentrum "Zur Tanne" jedenfalls nicht entgehen.