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Ireks darf nicht mit der Sonne backen


Autor: Jochen Nützel

Kulmbach, Samstag, 26. Oktober 2013

Dunkle Wolken am Brothimmel: Die Hofpfisterei in München hat sich den Begriff "Sonne" für ihre "Öko-Sonne" markenrechtlich gesichert. Das war bereits 1977. Die Oberbayern mahnen jeden ab, der mit der Sonne backt - auch die Ireks GmbH.


Die Sonnen-Könige sitzen in München, und sie haben den vollen Sonnenschutzfaktor aufs Brot geschmiert. Klingt komisch, ist aber so.

Die Hofpfisterei hat ein besonderes Markenrecht auf die Sonne. Ihre "Pfister Öko-Sonne" ist der Renner, verkauft sich wie geschnitten Brot. 1977 hatte der Münchner Handwerks betrieb eine Eingabe beim Deutschen Patent- und Markenamt gemacht. Das spielte damals mit. Und so klagt die Hofpfisterei dieses Recht konsequent ein, indem sie Anderen der Branche verbietet, den Begriff "Sonne" in Verbindung mit Backprodukten zu verwenden.

Zum Beispiel der Ireks in Kulmbach. Die hat in ihrem Sortiment Backzutaten unter dem Emblem "Klostersonne". Hatte, um genau zu sein. Denn aktuell ist eine einstweilige Verfügung anhängig, die den Vertrieb unter dem Titel verbietet; Strafzahlungen bei Zuwiderhandlung in erheblicher Höhe stehen im Raum.

Hofpfisterei-Geschäftsführerin Nicole Stocker begründet das juristische Vorgehen gegen die Kulmbacher so: "Wir wollen die Unverwechselbarkeit unserer Bio-Öko-Sonne bewahren und fernhalten von Back mischungen und Backchemie."

"Streitfall sachlich klären"

Die BR hat bei der Ireks nachgefragt, wie man im Kulmbacher Traditionsunternehmen die Sachlage sieht. "Auf die Polemik-Schiene wollen wir uns nicht begeben. Wir würden den Streitfall gern sachlich klären", erklärt Marketingleiter Stephan Schwind. Ob es zur Hauptverhandlung beim zuständigen Münchner Landgericht kommt, könne er derzeit nicht einschätzen. "Es ist ein schwebendes Verfahren." Aus München hieß es zum weiteren Prozedere: Man überlege, wie die Hofpfisterei vorgehe.

Der Ireks jedenfalls sei nicht an einer Eskalation des Streits gelegen. "Uns schwebt ein tragfähiger Kompromiss vor", heißt es aus dem Unternehmen. Allerdings richte sich der Appell an die Gegenseite, von den Massenabmahnungen abzurücken. Wenn es hart auf hart kommt, sei man aber bereit, den Fall bis vor den Bundesgerichtshof zu bringen.

Zweifel an der Rechtmäßigkeit

Die Kulmbacher haben starke Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abmahnung. "Wir finden, dass die besondere Schutzwürdigkeit des Begriffs ,Sonne' nicht gegeben ist", macht Schwind klar. Gerade in der Backbranche seien Begriffe wie "sonnengereiftes Getreide" oder auch Sonnenblumenbrot in tausendfacher Verwendung üblich. Zudem sei es unverhältnismäßig, dass ein einzelnes Unternehmen versucht, mit einer vermeintlichen Markenrechtsverletzung einen ganzen Gewerbezweig juristisch zu belangen. Das belege auch der Widerstand anderer Bäckereien aus dem gesamten Bundesgebiet.

Stephan Schwind nennt ein aus seiner Sicht ähnlich hanebüchenes Beispiel: "Die Hofpfisterei hat sich auch den Begriff ,Frankenlaib' schützen lassen. Man beachte: ein Münchner Unternehmen! Das zeugt doch davon, wie fragwürdig der Schutz solcher Markennamen überhaupt ist."

Ralf Groß bringt das alles kaum in Wallung. Der Bäcker und Obermeister der Kulmbacher Innung ist sich sicher: "Die Hofpfisterei hat gar nichts davon, da verdienen sich nur ein paar Anwälte eine goldene Nase." Er als "Grünwehr-Bäck" hat kein Produkt mit der verfänglichen Titulierung in der Auslage. "Ich dürfte ein Brot Sonnenblumenbrot nennen, denn damit ist die Saat bezeichnet. Ansonsten ist es müßig, sich gegen derlei Markenvorgaben zu wehren. Wir haben unsere Mitgliedsbetriebe schon längst darüber informiert, was da im Busch ist."

Ausnahme aus Weißenstadt

Und doch gibt es einen, der wie das gallische Dorf der Münchner Angriffswelle trotzt. Einer, der weiterhin seine "Vollkorn sonne" offiziell und problemlos vertreiben kann - jedenfalls fast problemlos. Franz Leupoldt ist Gründer der PEMA-Vollkorn-Spezialitäten in Weißenstadt (Landkreis Wunsiedel). Auch ihm flatterte 2011 ein Abmahnschreiben der Rechtsanwälte aus München ins Haus. "Die Sache war schnell aus der Welt", sagt Leupoldt und lacht. Eine persönliche Vereinbarung mit dem Seniorchef der Hofpfisterei, Siegfried Stocker, entledigten die Weißenstädter Backwarenfirma bis dato aller lästiger Markenzeichensorgen.

Und das kam so: Als Siegfried Stocker 1977 die "Öko-Sonne" schützen ließ, war PEMA bereits mit einem Produkt namens "Vollkornsonne" auf dem Markt vertreten. Leupoldt erinnert sich: "Da ich mit Siegfried Stocker schon damals eine langjährige Freundschaft pflegte, haben wir uns darauf verständigt, dass er mir schriftlich die Erlaubnis erteilt, den Namen für unser Produkt beizubehalten. Ich hätte aber auch sonst nicht gegen sein Warenzeichen geklagt."

In diesem speziellen Fall äußert Leupoldt Verständnis für das Vorgehen der Münchner. "Die müssen das so restriktiv handhaben, es gibt nun mal starke Strömungen gegen ihre Sonne." Prinzipiell aber findet es der Weißenstädter bedenklich, dass sich offenbar jeder mit Hilfe findiger Anwälte einen Begriff aus der Alltagssprache schützen lassen kann. "Einmal wäre uns selber so ein Streit fast teuer zu stehen gekommen: Die Firma Ferrero mahnte uns ab wegen unseres Kinder-Vollkorn-Brotes, der Streitwert lag bei 250 000 Euro ." Ferrero hatte sich offenbar alles schützen lassen, was das Wort "Kinder" im Namens anlauf hat, beispielweise die Kinderschokolade.

Die Weißenstädter dachten praktisch: Nun heißt das Produkt eben "Vollkornbrot für Kinder". "Logisch", sagt Leupoldt, "logisch ist das freilich nicht."