Druckartikel: Insolvenz ist oft der letzte Ausweg

Insolvenz ist oft der letzte Ausweg


Autor: Dagmar Besand

Kulmbach, Freitag, 15. November 2013

Wer Schulden hat, kann nicht mit Geld umgehen? So einfach ist es nicht. Dass im Landkreis jedes Jahr mehr als 200 Menschen die Hilfe des Schuldnerberaters Rainer Keller von der Caritas brauchen, hat viele Gründe.
Wenn sich unbezahlte Rechnungen stapeln und das Konto tief ins Minus rutscht, ist die Schuldnerberatung oft die letzte Rettung.  Foto: Jochen Nützel


Sabine R. ist verzweifelt. Schulden. Scheidung. Keine Arbeit. Zwei Kinder, die noch zur Schule gehen. Die 48-Jährige aus dem Landkreis, deren Namen wir zum Schutz ihrer Privatsphäre geändert haben, weiß nicht mehr weiter. "Geh doch mal zu einem Schuldnerberater", riet ihr eine Freundin.

Jetzt sitzt sie bei Rainer Keller in der Schuldnerberatungsstelle der Caritas in Kulmbach. Sie hat ihre unbezahlten Rechnungen dabei, die Ratenverträge, den Schuldenstand ihres überzogenen Kontos. "Kommt jetzt bald der Gerichtsvollzieher und räumt die Wohnung leer?" fragt sie ängstlich. Keller beruhigt: Das wird nicht passieren.

Ein unbezwingbarer Berg

Sabines Schulden ergeben keine gigantische Summe: Mit 20 000 Euro steht sie bei verschiedenen Gläubigern in der Kreide. Doch sie hat keine Perspektive, diese Schulden in einem überschaubaren Zeitraum abzutragen.

Der einzig sinnvolle Weg raus aus den Schulden führt für sie über die Privatinsolvenz.
Rainer Keller, Diplomsozialpädagoge und Industriekaufmann, begleitete im vergangenen Jahr 204 Menschen aus Stadt und Landkreis Kulmbach auf diesem Weg. Sie haben in der Regel zwischen 10 000 und 50 000 Euro Schulden. Nur bei zehn Prozent ließ sich die Insolvenz vermeiden: Durch außergerichtliche Einigungen auf Ratenzahlungen kombiniert mit Vergleichen. Das klappt oft nur mit einem Sponsor, der einen gewissen Geldbetrag für Verhandlungen zur Verfügung stellt. "Wenn es da niemanden gibt und ich nichts anbieten kann, dann geht's nicht", sagt der Schuldnerberater.

Sabine hat niemanden, der ihr ein paar tausend Euro für Vergleiche leiht oder schenkt. Sie geht in die Insolvenz. Das Verfahren mit vielen Auflagen dauert sechs Jahre und erfordert Disziplin - aber danach ist sie schuldenfrei, der Weg frei für einen Neuanfang.

Wie entstehen die Schulden? "Die kommen in der Regel aus einer Zeit, als die finanziellen Verhältnisse besser waren und man sich die Raten für Haus oder Auto problemlos leisten konnte", weiß Keller. Die drei Hauptverursacher für das Abrutschen ins finanzielle Desaster: Arbeitslosigkeit, Trennung vom Lebenspartner und lange Krankheiten, die in Arbeitsunfähigkeit münden. Fällt das gewohnte Einkommen weg, wachsen den Schuldnern die Forderungen schnell über den Kopf.

Unerfahrene Geringverdiener

Leichtsinnige Verschwender, die ständig über ihre Verhältnisse leben, sind Kellers Klienten in der Regel nicht: "Die meisten haben ein geringes Einkommen. 70 Prozent verfügen über weniger als 1250 Euro im Monat, nur 15 Prozent haben mehr als 2000 Euro. Viele sind wirtschaftlich unerfahren, überschätzen ihre finanziellen Möglichkeiten."

Für eine Beratung ist es selten zu früh: "Greift man bei ersten Anzeichen drohender Überschuldung ein, löst man die Probleme leichter." Vor allem Miet- und Energieschulden sind gefährlich. Es drohen Räumungsklagen und dass der Strom abgestellt wird.


Sparpotenzial im Alltag


Wenn man erkennt, dass das verfügbare Geld nicht reicht, gibt es nur zwei Möglichkeiten: die Einnahmen vermehren oder die Ausgaben reduzieren. Letzteres ist der schnellere und meist einfachere Weg, weiß Schuldnerberater Rainer Keller. Wo kann man sparen?

Versicherungen: Unnötige Versicherungen kündigen. Manche Kfz- und Unfallversicherungen sind viel zu teuer, Kapitallebensversicherungen kann man stilllegen, Hausratversicherungen sind oft gar nicht sinnvoll.

Anschaffungen: Genau überlegen, was man braucht. Preise vergleichen, günstige oder gebrauchte Alternativen suchen.

Auto: Überlegen, ob man nicht auf ein günstigeres Modell oder öffentliche Verkehrsmittel umsteigen kann. "Ein zweites Auto in der Familie ist Luxus, wenn nur ein Partner Geld verdient und man nicht zwingend darauf angewiesen ist."

Handy: Es ist bequem, aber auch teuer. Wenn man nicht verzichten kann oder will: in den günstigsten Tarif wechseln.

Einkaufen: Eine Liste der benötigten Dinge schreiben und strikt einhalten. Das schützt vor überflüssigen Spontankäufen.
Haushaltsbuch: Zumindest für einige Monate alle Einnahmen und Ausgaben aufzuschreiben, ist eine gute Methode, um einen Überblick über die Finanzen zu bekommen. Dabei dürfen unregelmäßige Verpflichtungen wie Versicherungsprämien nicht vergessen werden.



Schuldnerberatung im Landkreis Kulmbach


Träger Die Schuldner- und Insolvenzberatung bietet der Caritasverband Bayreuth in Kulmbach im Haus kirchlicher Dienste an, Bauergasse 3+5, Telefon 09221/9574-0.

Kosten Die Beratung ist kostenlos.

Wartezeit etwa vier Wochen bis zur Erstberatung