Individuelles Lernen in den Grundschulen Burghaig und Ziegelhütten
Autor: Dagmar Besand
Ziegelhütten, Sonntag, 24. Februar 2013
Neue Unterrichtsmodelle ermöglichen in den Grundschulen der Kulmbacher Ortsteile Ziegelhütten und Burghaig individuelles Lernen.
Sinkende Schülerzahlen gefährden die Zukunft vieler kleiner Schulen. Die letzte Rettung vor der Schließung sind dann oft Kombi-Klassen, in denen zwei Jahrgangsstufen parallel unterrichtet werden. Doch Kombi-Klassen sind viel mehr als nur eine Notlösung: Sie sind auch ein pädagogisch wertvolles Konzept, und deshalb hat sich die Grundschule Ziegelhütten ohne äußeren Zwang dafür entschieden, diese Unterrichtsform parallel zu den Regelklassen auszuprobieren.
Experimentierfreudig sind auch die Lehrer in Burghaig: Hier können Kinder in der flexiblen Grundschule die ersten zwei Schuljahre in einer Zeitspanne zwischen einem Jahr und drei Jahren absolvieren.
Beide Konzepte haben Ähnlichkeiten, sind aber doch ganz unterschiedlich strukturiert.
Seit fünf Jahren gibt es die Kombi-Klassen in Ziegelhütten schon, und die Erfahrungen sind durchwegs positiv, sagen Schulleiterin Kathrin Sigg und Lehrerin Sonja
Das System hat viele Vorteile, so Dressendörfer, die bei den Erst-und Zweitklässlern in ihrem Unterricht immer wieder beobachtet, dass die Kinder voneinander und miteinander gut lernen. "Die Zweitklässler wiederholen den Stoff, wenn sie ihn den Erstklässlern erklären", sagt sie. Außerdem ist das Miteinander im Klassenzimmer gut fürs soziale Klima. "Wir haben eine feste Zuordnung: Ein ,Maxi' kümmert sich immer um einen oder zwei ,Minis', und das funktioniert toll. Die Größeren leben den Kleineren vor, wie Schule geht, und viele Fragen und Probleme lösen sich von selbst." Dadurch bilden sich auch weniger Grüppchen, das Zusammengehörigkeitsgefühl ist sehr ausgeprägt.
So angenehm das gemeinsame Lernen zweier Altersstufen ist - für die Lehrerinnen ist diese Art des Unterrichts eine besondere Herausforderung. "Es ist doppelte Arbeit", weiß Sonja Dressendörfer aus ihrer mittlerweile fünfjährigen Erfahrung. Während man den einen etwas erklärt, müssen ja auch die anderen sinnvoll beschäftigt sein. In den meisten Fächern können Kleine und Größere zusammen am gleichen Thema arbeiten. "Die Älteren müssen dann halt schon etwas mehr wissen."
Bei Eltern und Schülern ist das Modell beliebt, und es gibt mehr Anmeldungen als Plätze in den Klassen. Qualitativ gibt es beim Unterricht in den Kombi- und Regelklassen aber keine Unterschiede, betont Kathrin Sigg. Inhalte und Arbeitsweisen sind vergleichbar. "Die Kombi-Klasse ist einfach eine andere Unterrichtsform, und zwar eine, die sich bei uns gut bewährt hat."
Flexklasse ist total flexibel
Eine große Umstellung bedeutet das neue Schulsystem auch für die Lehrer an der Burghaiger Grundschule. Hier werden seit September Kinder der ersten und zweiten Klasse in der Flexklasse ebenfalls zusammen unterrichtet. Das Prinzip: Jedes Thema wird zuerst mit einer gemeinsamen Aufgabe begonnen, auf deren Basis dann jeder Schüler auf seinem individuellen Niveau weiterlernt. "Es ist also keineswegs so, dass die Kleinen überfordert oder die Größeren von den Kleinen gebremst werden", so die Koordinatorin des Projekts, Eva Schneider.
Sie und Schulleiterin Petra Rauh unterrichten die beiden Flexklassen und sind nach dem ersten Halbjahr sehr zufrieden mit dem Projekt. "Die Verbindung zwischen Schule und Elternhaus ist intensiver geworden", sagt Petra Rauh.
Das Kind darf mitreden
Eine der Besonderheiten des Systems: So genannte Lerngespräche ersetzen das Zwischenzeugnis. Daran nehmen die Lehrerin, die Eltern und das Kind teil. "Es ist wichtig, das Kind einzubeziehen, wenn man über seinen Lernfortschritt und die Lernziele spricht." Deshalb gibt es auch eine schriftliche Zielvereinbarung für den Rest des Schuljahres, den auch das Kind mit unterschreibt.
Ein großer Vorteil der flexiblen Grundschule liegt darin, dass die üblichen zwei Jahre für die erste und zweite Jahrgangsstufe nicht zwingend vorgeschrieben sind. "Die meisten Kinder werden die zwei Jahre in der Eingangsstufe bleiben", sagt Petra Rauh, aber besonders pfiffige Schnelllerner können auch schon nach einem Jahr in die dritte Klasse wechseln, Kinder, die etwas langsamer lernen, dürfen sich dagegen auch ein Jahr mehr Zeit lassen. "Dadurch kann man von Anfang an Leistungsdruck herausnehmen."
Ob diese Möglichkeiten in Burghaig genutzt werden, steht nach den ersten Monaten noch nicht fest, aber nach den Erfahrungen anderer Schulen sind es jeweils etwa drei bis fünf Prozent der Schüler, die diese Sonderwege gehen.
An beiden Grundschulen schätzen die Lehrerinnen und die Eltern die kooperative Arbeitsatmosphäre und die Förderung eines guten Sozialverhaltens. Das wirkt sich positiv auf das Klima an der ganzen Schule aus.