In Stadtsteinach ist "die Welt aus den Fugen"
Autor: Klaus Klaschka
Stadtsteinach, Sonntag, 10. Sept. 2017
Jan Burdinski analysiert in knapp zwei Stunden die Ängste der Menschen. Im Stadtsteinacher Frankenwaldtheater regte er zum Nachdenken an.
Was der Soziologe Richard Sennett auf einigen hundert Buchseiten analysiert, schafft Jan Burdinski in zwei Stunden mit dem Ergebnis: Wir sind besorgt und beunruhigt im Hinblick auf unser Schicksal unter den Bedingungen des "Wandels". Uns fehlen ein mentaler und emotionaler Anker, Loyalität und Vertrauen. Dafür haben wir ein hohes Maß an Angst.
"Hilfe - Die Welt ist aus den Fugen" ist der Titel der tiefgründigen, aber fröhlich-nachdenklichen Revue, die der Schauspieler, Musiker und Theater-Organisator Jan Burdinski am Freitagabend im Stadtsteinacher Frankenwaldtheater zum Besten wie auch zum nachher Grübeln gab.
"Ach, wie ist die Welt so schlecht", stimmte Burdinski mit einem Couplet zur Gitarre eingangs in den allgemeinen Weltenjammer ein, bezog sich aber nicht auf gewesene sozialwissenschaftliche Erhebungen, sondern machte diese vor Ort.
Er befragte das Publikum nach seinen Ängsten. Wovor man in Furcht und Schrecken verfallen soll, dazu habe ihm seine Frau einen Acht-Punkte-Fragenkatalog vorgelegt, berichtet Burdinski. Sie sei nämlich auf diesem Gebiet inzwischen durch Medienkonsum sensibilisiert. Ihn selbst hätten solche Weltuntergangsszenarien bislang ja noch nicht so beschäftigt, räumt er ein. Gesundheitsangst habe er ja auch erst, seit er von der Erfindung der Bakterien informiert wurde.
Und diesen Katalog hakt er denn auch mit dem Publikum ab. Mit vorher verteilten Karten lässt er sich das jeweilige persönliche Betroffenheits-Level anzeigen: Ja, Nein, Geht mir am A... vorbei - waren die Antwortmöglichkeiten zu Meteoriteneinschlag, Vulkanausbruch, Klimawandel, Atomkrieg.
Auch das Thema Flüchtlinge. Wobei er dies mit Unverständnis quttierte: Er selbst, Burdinski, lasse auf einen polnischen Großvater schließen. "Wir sind alle Migranten", stellt er fest; und überhaupt seien wahrscheinlich alle Franken irgendwann aus dem Böhmischen eingewandert. Das werde aber jetzt nicht akut als Gefahr gesehen, stellt er dazu fest.
Schließlich sei da noch PET. Das sei ihm erst beim Entsorgen von Plastikmüll bewusst geworden: Putin, Erdogan, Trump, kalauert er. Burdinski sucht für sein Publikum allerdings keine politisch-kabarettistischen Lösungen gegen die Ängste, sondern künstlerische.
Er veranstaltet ein Desensibilisierungs-Theater, nach dem er sein Publikum wieder frohen Mutes und mit Zuversicht nach Hause schicken will. Das glückt ihm am Ende auch, nachdem er das Publikum aus seinem breiten Repertoire mit Liedern, Prosa und Gedichten therapiert hat.
Im Grunde, so sein Fazit, wird nichts so heiß gegessen wie es gekocht wird. Dazu führt er zwei Beispiele vor: Hermann Hesse, sei bis zu seinem 50. Lebensjahr eher verträumt bis depressiv gewesen - bis er den "Steppenwolf" geschrieben habe, mit dem er sich selbst zur Erkenntnis brachte, nichts mehr dramatisch zu nehmen.
Bei Heinrich Heine fand Burdinski die Lösung für die richtige Vorgehensweise bei Konflikten: Bevor wir miteinander reden können, müssen wir erst lernen miteinander zu streiten.