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In Kasendorf gibt's weiter Sprit


Autor: Katharina Müller-Sanke

Kasendorf, Freitag, 21. Februar 2014

Die Tankstelle Schmucker in Kasendorf wird ab dem nächsten Monat einen neuen Betreiber haben. Die derzeitigen Inhaber ziehen sich zurück. "Man kann nicht nur arbeiten und sich abhetzen", sagt der 54-jährige Manfred Schucker. Dafür, dass es in Kasendorf weiterhin Sprit gibt, hat er aber gesorgt.
Weil ihm die Tankstelle zu viele Sorgen macht, gibt Manfred Schmucker das Geschäft auf. Doch in Kasendorf kann weiter Sprit gezapft werden: Mit der Firma Raimund, die bereits seit einigen Jahren den Kraftstoff liefert, wurde ein Pachtvertrag abgeschlossen. Fotos: Katharina Müller-Sanke


Mit der Firma Raimund - die schon seit einigen Jahren den Sprit liefert - ist ein Pachtvertrag ausgehandelt worden. "Wir wollten agieren und nicht reagieren", sagt Manfred Schmucker, denn die Geschäftsaufgabe ist keine Insolvenz. Aber der Erlös wird immer schlechter und das bei einem Arbeitspensum, das nicht gerade weniger wird.

Als die Familie vor 15 Jahren die Tankstelle geplant hatte, lag der Erlös pro Liter Kraftstoff noch bei zwölf Pfennig, erinnert sich Schmucker. Heute seien es gerade noch zwei Cent.

Auch die Kundenzahlen sind eingebrochen. "Vor allem als der Edeka-Markt in Kasendorf zugemacht hat, haben wir das deutlich gemerkt. Die Leute aus dem Umland kommen nicht mehr so nach Kasendorf, die gehen zum Einkaufen nach Thurnau und nach Kulmbach. Warum sollten sie da bei uns tanken?", fragt der 54-Jährige.

Die Firma Raimund hat sich dennoch dafür entschieden, die Tankstelle weiter zu betreiben.

"Wir sind uns dessen bewusst, dass sich einiges verändern muss," so Robert Raimund im Gespräch mit der BR. "Wir müssen alle Umsätze verdreifachen - im Shop, beim Getränkemarkt und auch beim Sprit. Aber wenn die Kasendorfer mitmachen und auch die angrenzenden Unternehmer, dann kann uns das sicherlich gelingen", so der Firmenchef des mittelständischen Betriebs, der die Situation in Kasendorf seit Jahren verfolgt.

Zusätzliche Teilzeitkräfte

Der neue Pächter wird nicht nur den angestellten Mitarbeiter übernehmen, sondern auch zusätzliche Teilzeitkräfte einstellen. Der Service für die Kasendorfer soll schließlich verbessert werden. Die Poststelle und der Getränkemarkt sollen neben der Tankstelle weiter bestehen bleiben. Dazu wird das Areal ein neues Erscheinungsbild bekommen. Die neue Tankstelle wird zwei zusätzliche Zapfsäulen haben und nach den neuesten Umweltauflagen konzipiert sein. Der Getränkemarkt wird um ein Drittel größer, das Angebot deutlich erweitert. In Zukunft kann 24 Stunden rund um die Uhr getankt werden, und zwar mit Bargeld oder per Karte. Es wird frischen Kaffee geben und ein umfangreicheres Sortiment.

So wird bald wohl nur noch wenig an die alte Tankstelle erinnern. Gemeinsam mit den Mitarbeitern will Firmenchef Robert Raimund die Anlage für die Zukunft aufstellen. Große Pläne, die Manfred Schmucker nur noch am Rande betreffen. Sein Ziel war es, den Karren aus dem Dreck zu ziehen, bevor es zu spät ist. "Wir wollten nicht, dass Schaden entsteht, weder für unseren Mitarbeiter noch für den Ort Kasendorf", betont er.

Zwei herbe Rückschläge

Manfred Schmucker selbst wirkt gelöst, wenn er vom Umbruch in seinem Unternehmen berichtet. Als würde eine Last von ihm abfallen. 21 Jahre lang hat er hier gearbeitet, ohne Urlaub und für viel zu wenig Geld. Doch der Tankstellenbetreiber ist kein Mann, der hadert, er nimmt sein Schicksal lieber selbst in die Hand. Er kennt sich aus mit Rückschlägen. Noch vor 22 Jahren hatte er eine gute Anstellung, war Prokurist einer bundesweit tätigen Firma. Doch dann kam die Krebserkrankung und der herbe Fall mit Anfang 30. Niemand wollte die erfahrene Führungskraft mehr einstellen. "Verständlich", meint Manfred Schmucker heute.

Damals war es einfach bitter. Doch nach überstandener Krankheit und der Erkenntnis, dass die Chancen auf dem regulären Arbeitsmarkt verschwindend gering sind, haben er und seine Frau Kerstin sich zum Schritt in die Selbstständigkeit entschlossen. Neben der Firma seines mittlerweile verstorbenen Vaters wurde die Tankstelle gebaut. Währenddessen kam mit der Krebserkrankung der Frau der nächste Rückschlag, doch Aufgeben war keine Option, sondern weiterkämpfen. Nach überstandener Krankheit und mit mittlerweile vier Kindern haben die Schmuckers nicht nur die Kasendorfer Tankstelle, sondern auch ein Büchergeschäft mit Poststelle in Mainleus, das sie erfolgreich betreiben. "Doch irgendwann muss mal Schluss sein", sagt Manfred Schmucker, "man kann nicht nur arbeiten und sich abhetzen." Und so hat sich die Familie dazu entschlossen, sich auf ihr Mainleuser Standbein zu konzentrieren.

Mehr Zeit für die Familie

Manfred Schmucker selbst, der als mitarbeitender Angehöriger ja vor allem in Kasendorf beschäftigt war wird jetzt etwas mehr Zeit haben. Zum Beispiel für seine jüngste Tochter, die 15-jährige Mirella. "Sie spielt super Fußball. Wenn sie noch besser werden will, kann ich sie da in Zukunft mehr unterstützen." Außerdem ist im Mainleuser Laden natürlich einiges zu tun. Den will die Familie so aufstellen, dass es auch im Alter noch zum Lebensunterhalt reicht.
Im Wohnhaus der Familie in der Ortsmitte von Kasendorf sei auch seit Jahren nicht mehr gemacht worden, da bestehe dringender Nachholbedarf, sieht Schmucker weitere Aufgaben. Und der Kasendorfer will auch gerne mit einer eigenen Karriere beruflich nochmal durchstarten. "Ich melde mich natürlich Arbeit suchend, denn ich bin immerhin Diplom-Betriebswirt."
Doch bis es soweit ist, hat er natürlich einen Plan B. "Wenn Sie nächste Woche einen Baum zu fällen haben, dann mache ich das auch gerne", versichert er und lacht.

Nach 21 Jahren mal wieder Urlaub

Am wichtigsten ist es für ihn, selbstständig zu bleiben, und das nicht im rechtlichen Sinne. "Ich will frei sein, nicht an Dingen festhalten. Deshalb schaffe ich es auch, mich von der Tankstelle zu trennen." Und er will endlich einmal mit seiner Frau in den Urlaub fahren, das haben sie seit 21 Jahren nicht mehr gemacht. Vielleicht in die Nähe von Hannover, wo eine der Töchter mit zwei Enkelkindern lebt.
Die Zukunft sieht gut aus für Manfred Schmucker, auch persönlich. "Ich bin kein grummeliger Mensch. Ich weiß, ich sehe oft so aus, wenn ich nachdenke, aber ich bin es nicht. Ich will mir endlich diese Sorgen hier nicht mehr machen müssen. Ich will endlich wieder richtig lachen und fröhlich mit den Menschen umgehen können. Darauf freue ich mich."