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Impfpflicht: Verliert die Pflegebranche Personal?


Autor: Jürgen Gärtner, Alexander Hartmann

Kulmbach, Montag, 13. Dezember 2021

Verdi befürchtet, dass die Impfpflicht den Personalnotstand verstärken wird. Dass das nicht passiert, hofft man auch in Kulmbach. Die Impfquote sei bei ihnen schon jetzt sehr hoch, sagen das Klinikum, die Awo und ein privater Pflegedienst.
Das Pflegepersonal ist in Kliniken wie auch Seniorenheimen knapp. Wird der Pflegenotstand größer, wenn die Impfpflicht eingeführt wird?


Wer im Gesundheitswesen arbeitet, muss sich künftig gegen Corona impfen lassen oder nachweislich genesen sein - das haben Bundestag und Bundesrat beschlossen, die der Änderung des Infektionsschutzgesetzes zugestimmt haben. Die Impfpflicht soll ab März für Mitarbeiter von Einrichtungen gelten, in denen besonders durch Covid-19 gefährdete Menschen behandelt oder betreut werden. Dazu zählen Krankenhäuser, Arztpraxen und Pflegeheime.

Viele begrüßen den Beschluss, es gibt aber auch Kritik. So sieht die Gewerkschaft Verdi die Gefahr, dass einer Branche, in der die Impfquote ohnehin hoch sei, ungeimpftes Personal verloren geht, was schmerzlich wäre, weil die Personaldecke schon jetzt angespannt sei. Verdi befürchtet, dass sich der Pflegenotstand weiter verschärfen wird.

Viele sind geimpft

Für jede Einrichtung wäre es ein Rückschlag, wenn sich Mitarbeiter verabschieden. Das weiß Johnny Vierthaler, der stellvertretender Personalratsvorsitzender am Klinikum ist, das über 1700 Beschäftigte zählt. Wie er mitteilt, hat noch kein Mitarbeiter, der Bedenken hat, das Gespräch mit dem Personalrat gesucht. Die Impfquote in der Belegschaft sei ohnehin hoch, viele seien schon geboostert, sagt der Personalsprecher, der persönlich hofft, dass sich viele weitere Mitarbeiter, bei denen keine gesundheitlichen Gründe dagegen sprechen, vor der Pflicht noch freiwillig impfen lassen.

"Das weiß noch keiner"

Vierthaler ist gespannt, wie die Ausführungsbestimmungen aussehen werden, was denen droht, die sich nicht impfen lassen wollen. "Das weiß noch keiner." Grundsätzlich bedauert er es, dass die Pflicht auf die Berufsgruppe heruntergebrochen wird, die in der Pandemie wie keine andere gefordert sei, zumal die allermeisten geimpft seien. "Ich bin für eine allgemeine Impfpflicht, die ja vermutlich auch noch kommt."

Impfquote bei 92 Prozent

Die wünscht sich auch Geschäftsführerin Brigitte Angermann, die mitteilt, dass die Impfquote aller Beschäftigten am Klinikum bei 92 Prozent, beim Pflegepersonal wohl sogar darüber liegt. "Denn was hilft es uns, wenn wir noch ein paar Prozent zulegen, in der Bevölkerung aber 20 bis 30 Prozent ungeimpft sind", sagt Angermann, die die allgemeine Pflicht für erforderlich hält, "damit wir aus der Pandemie rauskommen".

Wie Johnny Vierthaler ist auch Brigitte Angermann überzeugt, dass sich vor März noch weitere Beschäftigte freiwillig impfen lassen. "Sollten Mitarbeiter wegen der neuen Vorgabe kündigen, wäre das sehr schade. Doch es macht schon Sinn, dass die Beschäftigten im Gesundheitsbereich geimpft sind." Wer nicht geimpft oder genesen ist, der muss sich laut Angermann derzeit täglich vor Dienstantritt testen lassen.

Hohe Impfquote bei Awo

Wie Awo-Geschäftsführerin Margit Vogel mitteilt, ist die Impfquote in den einzelnen Einrichtungen der Arbeiterwohlfahrt unterschiedlich, generell aber hoch: "Gerade dort, wo es Corona-Ausbrüche gegeben hat." Ob sie die Befürchtung hat, dass man durch eine Impfpflicht Mitarbeiter verlieren könnte? "Ich hoffe es nicht, man steckt da aber natürlich nicht drin." Für Vogel ist die Impfentscheidung bis dato noch eine sehr persönliche Angelegenheit. Wenn es die Verpflichtung gibt, "werden wir die natürlich umsetzen".

Lange überfällig

Für Altenpflegerin Silvia Hempfling vom ambulanten Pflegedienst Jürgen Vierthaler aus Kulmbach ist die Impfpflicht schon lange überfällig. Das sehe auch der Großteil ihrer Kolleginnen so, von denen alle Geimpften bereits einen "Booster" erhalten haben. Dass Kolleginnen überlegen, wegen der Impfpflicht das Handtuch zu schmeißen, das glaubt sie nicht, "das stand noch überhaupt nicht zur Debatte".

Rüffel für die Politik

Dass viele Menschen der Impfung skeptisch gegenüberstehen, führt Silvia Hempfling viel auf die Medien zurück. Auf die Gruppen, die sich im Internet und vor allem auf dem sozialen Netzwerk Facebook gebildet haben. "Jeder schreibt was anderes, und jeder sucht sich das aus, was er glauben will." Ihrer Ansicht nach habe die Politik dem Ganzen zu lange zugeschaut und vielen so die Gelegenheit gegeben, sich in die Sache hineinzusteigern. Andererseits bedauert Silvia Hempfling aber auch, dass eine Impfpflicht kommt. "Aber die richtigen Gegner lassen sich durch Zureden und Werbung im Fernsehen nicht überzeugen, dazu ist der Trotz schon viel zu groß."

"Das ist auch anstrengend"

Für ihre Chefin Anja Vierthaler ist die Angelegenheit "ein heißes Thema". Selbst wenn sie persönlich für das Impfen sei, respektiere sie es, wenn sich jemand dagegen entscheide. Denn: "Wenn Pflegekräfte wegen der Impfpflicht abspringen, haben wir ein Problem." Sie weist auf die täglichen Tests hin ("Das ist auch anstrengend") , die jeder Ungeimpfte vor dem Arbeitsantritt absolvieren muss. "Ohne verlässt niemand den Betrieb."

Dass das Impfen unter Patienten ein großes Thema ist, sei ihr bekannt. "Natürlich wäre es ihnen am liebsten, wenn alle geimpft sind." Aber die Pflegebedürftigen wüsste, dass das Personal knapp ist. Sie seien zufrieden, wenn jemand kommt. Sicherheit gäben nicht nur die täglichen Tests, sondern auch die Hygienevorschriften, auf deren Einhaltung großer Wert gelegt werde. Denn Anja Vierthaler gibt zu bedenken: "Es können ja auch Geimpfte das Virus weitertragen." Ihr Fazit: Die Lage sei schwierig. Sie habe Angst, dass doch die eine oder andere Pflegefachkraft abspringe, wenn sie sich durch die Impfpflicht in die Enge getrieben fühle. "Man weiß nie, wie jemand reagiert." Ihr Appell lautet: "Zusammenhalten und durch."