Impfen: Der Ansturm ist kaum zu bewältigen
Autor: Dagmar Besand
Kulmbach, Dienstag, 23. November 2021
Covid-19-Impfungen sind plötzlich wieder begehrt, die Hotline überlastet, die Wartelisten lang. Warum das so ist und viele Kulmbacher Ärzte wütend auf die Politik sind.
Lange Schlangen vor dem Impfzentrum, die Corona-Hotline dauerbesetzt, Wartelisten beim Arzt - Ärzte und Organisationsteams geben ihr Bestes, um die bisher schlimmste Covid-19-Infektionswelle zu brechen. Doch der Ansturm ist nicht in dem wünschenswerten Tempo zu bewältigen. Warum? "Wieder kommt die Arbeit geballt. Das hätte nicht sein müssen", sagt Thomas Koch, Sprecher des Ärztlichen Kreisverbands Kulmbach. "Unsere Politik hat im Sommer einen Tiefschlaf gehalten, nicht auf die Fachleute gehört, die gewarnt haben, was kommen wird. Und genau das ist eingetreten. Man hätte schon im Sommer wesentlich mehr Kampagnen fürs Impfen und Boostern machen müssen. Das war alles zu lasch und kommt jetzt im Grunde zu spät."
Allgemeinarzt Matthias Olszewski und seine Kollegen impfen in ihren Praxen in Stadtsteinach und in Kupferberg so viel wie möglich. Die Termine sind auf einen festen Tag in der Woche konzentriert. "Anders könnten wir das im Alltag nicht bewältigen. Zusätzlich ist Olszewski für die Kupferberger Außenstelle des Impfzentrums verantwortlich, wo von Freitag bis Sonntag geimpft wird - ausschließlich mit Termin.
"Aber unsere Kapazitäten sind begrenzt: In der Praxis sind wir bis Februar ausgebucht, die Zahl unserer Termine ist endlich." Im Alltag fühlt sich Olszewski an die erste Welle erinnert: Wartelisten, lange Schlangen vor der Praxis, das Telefon steht nicht mehr still. Alle arbeiten am Limit.
Er könnte mehr impfen, wenn die Rahmenbedingungen günstiger wären, sagt der Mediziner. Zum einen koste die Dokumentation mehr Zeit als bei anderen Impfungen, zum anderen gebe es leider noch immer keine Einzeldosis-Spritzen: "Ich muss immer sechs Personen gemeinsam impfen, um eine verpackte Einheit zu nutzen."
Nicht-Geimpfte zu impfen, wäre wichtig
Ein ganz ähnliches Bild zeichnet Thomas Koch. "Die Leute rennen uns jetzt wieder die Bude ein", sagt er. Ähnlich wie bei Matthias Olszewski sind in seiner Mainleuser Praxis vor allem Booster-Impfungen heiß begehrt. "Es sind auch einige Erstimpfungen dabei, weil jetzt der eine oder andere Skeptiker doch seine Meinung ändert. Aber das sind leider immer noch viel zu wenige." Koch hält das Boostern für sehr wichtig, "aber noch wichtiger wäre es jetzt, die Nicht-Geimpften zu impfen".
In seiner Praxis hat Koch den Donnerstag zum Impftag erklärt. Rund 50 Patienten schafft er an einem Nachmittag. Der Vorteil in der Praxis sei, dass alle Daten der Patienten bereits erfasst seien. "Das verringert den Zeitaufwand enorm im Vergleich zum Impfzentrum." Auch Koch wünscht sich Einzeldosen des Impfstoffs. Dann könnte man zwischendurch auch bei sonstigen Behandlungsterminen noch Impfungen schaffen: "Kühlschranktür auf, Spritze geben. Fertig."
In den Praxen der beiden Ärzte wird aktuell Biontech verimpft. Wie viel von welchem Impfstoff in den nächsten Wochen zur Verfügung steht, wisse man noch nicht. Es sei aber auch nicht wirklich wichtig: Moderna sei ein absolut gleichwertiger Impfstoff und sehr gut fürs Boostern geeignet. Richtig wütend wird Koch, wenn er auf die jüngsten Äußerungen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn angesprochen wird, der angekündigt hat, Biontech-Bestellungen zu reduzieren und stattdessen die Moderna-Vorräte aufzubrauchen, bevor diese das Verfallsdatum erreichen. Das vermittele den Eindruck, dass man nun mit Moderna einen Ladenhüter loswerden wolle.