Immer mehr Wildunfälle im Landkreis Kulmbach

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Die Jagdpächter Alfred Roßmeisl und Karl Heinz Hasenfuß mit Jagdhund Bary an der Bundesstraße 289 vor der Forstlasmühle - eine der Stellen, die besonders gefährdet sind. Foto: Katharina Müller-Sanke
Die Jagdpächter Alfred Roßmeisl und Karl Heinz Hasenfuß mit Jagdhund Bary an der Bundesstraße 289 vor der Forstlasmühle - eine der Stellen, die besonders gefährdet sind. Foto: Katharina Müller-Sanke

Es passiert meistens in der Nacht. Das Wild kommt aus dem Wald und sucht Lichtungen und Wiesen auf. Wenn auf dem Weg dorthin eine Straße überquert werden muss, kann es brenzlig werden - für Mensch und Tier.

Davon können viele Jäger und auch die Polizisten in Kulmbach ein Lied singen. Im Landkreis Kulmbach ist die Zahl der Wildunfälle im vergangenen Jahr um 15 Prozent angestiegen. Mehr als 600 Verkehrsunfälle mit Tieren hat es nach Angaben der Polizei gegeben. Mit der steigenden Tendenz ist Kulmbach im bayernweiten Trend. Und dabei sind die genannten Unfälle bei weitem nicht die einzigen. Es sind lediglich die, bei denen sich der Unfallfahrer gemeldet hat.

Keine generelle Meldepflicht

Eine Meldepflicht besteht nur bei Schalenwild, bei uns also bei Wildschweinen und Rehen. Wer einen Fuchs oder einen Dachs an- oder überfährt, muss das nicht anzeigen. "Der Tierschutz gebietet aber schon, dass man das meldet", so Michael Kofer von der Kulmbacher Polizei.
"Wenn jemand ein Tier nur gestreift hat - auch wenn es nur ein Marder oder ein Fuchs ist - und es danach weiterläuft und kümmerlich verendet, das kann doch keiner wollen!" In einer Statistik erfasst werden diese Fälle jedoch nicht.
Das A und O bei der Bekämpfung von Wildunfällen sind wachsame Fahrer, so der Kulmbacher Jägervereinsvorsitzende Peter Müller. "Tiere kennen weder Verkehrsregeln noch die Zeitumstellung. Gerade jetzt im Frühjahr, wenn die Geißen tragen, ist Vorsicht geboten."
Denn die Tiere sind träger, je dichter die Setzzeit - also die Geburt der Jungen Anfang Mai - rückt. Hinzu kommt, dass viele junge Rehe sich zu dieser Zeit von den Alten trennen und sich ihre eigenen Einstände suchen. Sie sind also auf Wanderschaft. Doch auch ältere Tiere queren nun häufiger die Straßen. Nachdem ihr Organismus im Winter auf Sparflamme läuft, haben sie jetzt im Frühjahr, wo neue Pflänzchen sprießen einen besonders hohen Nahrungsbedarf. Auf der Suche nach Essbarem müssen sie oft auch über die Straße. Und das an ganz bestimmten Stellen.
Michael Kofer bestätigt: "Es gibt einige Unfallschwerpunkte im Landkreis. Das ist wie bei jeder anderen Unfallart auch: Wo die Bedingungen ungünstig sind, dort kracht es häufiger." Dies gilt zum Beispiel für den Bereich zwischen Kauernburg und Forstlasmühle. Eine bewaldete Böschung führt hier hinunter auf die kurvenreiche Bundesstraße. Auf der anderen Seite: Sanfte Wiesen und damit optimale Äsungsfläche für die Rehe.

Zehn tote Rehe in einem Jahr

Jagdpächter Alfred Roßmeisl berichtet von zehn Rehen, die allein in diesem Abschnitt im vergangenen Jahr im Straßenverkehr getötet worden sind. Und das bedeutet nicht nur zehn tote Rehe, sondern auch beschädigte Autos und verletzte Personen. Der Schaden, den auch ein scheinbar schmächtiges Tier am Auto anrichten kann, ist immens.
"Je nachdem wie man aufkommt und auch wie schnell man fährt, sind die Schäden ganz unterschiedlich. Ich habe auch schon Totalschäden gesehen! Wenn ein Reh oder vor allem ein Wildschwein auf die Windschutzscheibe trifft, dann möchte wohl niemand in dem Auto sitzen", so Peter Müller.
"Wenn Sie mit 60 Stundenkilometer gegen ein Wildschwein fahren, dann haben Sie ein Aufprallgewicht von 3,5 Tonnen - das ist ein kleiner Elefant!" warnt er. Die Jagdpächter versuchen, die Tiere von den Straßen fernzuhalten. Zum Beispiel mit Duftzäunen oder mit Reflektoren, die das Licht ankommender Autos spiegeln und so das Wild abhalten sollen.
Das will nun auch Jagdpächter Alfred Roßmeisel versuchen. Gerade weil es sich auf der Bundesstraße 289 zwischen Kauerndorf und Forstlasmühle um einen so kurzen Abschnitt von nur wenigen hundert Metern handelt, hofft Roßmeisl nun mit Reflektoren die Tiere von der Straße fernhalten zu können.
"Ich habe mit vielen Jagdkollegen gesprochen, die meisten sagen eigentlich, dass die Reflektoren nur im ersten Jahr helfen und danach nicht mehr. Vielleicht versuche ich es trotzdem mal", so der Pächter. Wie gut genau Duftzäune und Reflektoren wirken und wie das Wild noch besser vom Queren der Straße an unfallträchtigen Stellen abgehalten werden kann, das wird derzeit in einem Forschungsprojekt ermittelt, an dem sich auch der Deutsche Jagdschutzverband beteiligt. Eine flächendeckende Lösung für die steigenden Wildunfallzahlen können diese punktuellen Maßnahmen aber wohl kaum sein, davon geht Jägervereinsvorsitzender Peter Müller aus. "Irgendwann müssen die Tiere über die Straße. Es ist gut sie dazu zu bewegen, dies nicht an den unübersichtlichen Stellen zu tun, sondern dort, wo Autofahrer noch bremsen können."

Schnellfahren ist ein Problem

Die Verantwortung kann dem Autofahrer aber nicht ganz abgenommen werden. "Ein Problem sind die immer schneller fahrenden Autos und: Dass viele Leute tatsächlich überrascht sind, wenn ihnen nachts oder in der Dämmerung ein Reh über die Straße läuft."
Die Fahrer müssten sich der potenziellen Gefahr viel bewusster werden, fordert Müller. Und sie müssen bedenken: "Ein Stück kommt selten allein." Wer irgendwo am Rand der Straße ein Reh entdecken kann, der sollte besonders wachsam sein. In der Regel sind mehrere Tiere gemeinsam unterwegs. Wenn es dann tatsächlich gekracht hat, gilt es Ruhe zu bewahren. "Ich empfehle schnell den Tageszähler am Tacho auf "Null" zu stellen, damit der Weg zurückverfolgt werden kann. Wenn möglich sollte man aber sofort anhalten und die Stelle, an der der Unfall passiert ist, markieren," so Peter Müller.
Vor allem in Fällen, in denen das Tier verletzt, aber nicht getötet wurde und noch in den Wald geflüchtet ist, sei das essentiell. "Man kann zum Beispiel einen großen Ast als Markierung benutzen oder auch eine Mullbinde aus dem Verbandskasten. Was eben gerade zur Verfügung steht." Und dann sollte man möglichst bald den Jagdpächter oder die Polizei alarmieren. Die kann dann auch eine entsprechende Bestätigung für die Versicherung ausstellen.
Das überfahrene Reh einfach in den Kofferraum zu packen und mit nach Hause zu nehmen, gilt laut Gesetz übrigens als Wilderei und ist verboten.