Druckartikel: Im Jugendtagungshaus Weihermühle hat das Handy Pause

Im Jugendtagungshaus Weihermühle hat das Handy Pause


Autor: Dagmar Besand

Buchau, Freitag, 04. April 2014

Im evangelischen Jugendtagungshaus Weihermühle im Mainleuser Ortsteil Weiher mühle gibt es keinen Handy-Empfang. Mehrere Tage während eines Seminars oder einer Freizeit nicht erreichbar zu sein, ist ungewohnt, hat aber aus pädagogischer Sicht klare Vorteile.
Schlechte Karten für alle, die gerne ständig und überall erreichbar sind. Julian Berce, David Koch und Paul Naser suchen vor der Weihermühle in Buchau vergeblich ein Empfangssignal für ihre Smartphones. Wirklich schlimm finden das die Drei allerdings nicht: Ihre Tage im Jugendtagungshaus können sie auch ohne SMS und Internet genießen. Fotos: Dagmar BesandJulian


Haben die Freunde eine SMS oder Nachrichten über Facebook oder Whatsapp geschickt? Was gibt's Neues auf den Nachrichtenportalen im Netz? Wer ein paar Tage in der Weihermühle verbringt, muss auf Neuigkeiten dieser Art verzichten. Handyempfang gibt's im Haus nicht - in der unmittelbaren Umgebung nur schwach und sporadisch.



Für die Schüler der Q11 und Q12 des Markgraf-Georg-Friedrich-Gymnasiums, die sich für eine Theaterprobenwoche im Haus einquartiert haben, ist das eine außergewöhnliche Situation. "Daheim ist man ständig online, hat alle Infos sofort verfügbar. Hier ist das dagegen, als würde man auf Schatzsuche gehen, wenn man in den Pausen versucht, an seine Nachrichten zu kommen", sagt Patrick Trappmann. Für die 18- bis 19-jährigen Schüler ist das eine große Umstellung. Doch sie haben sich schnell an die veränderten Bedingungen gewöhnt.

"Wir machen viel in der Gruppe, und da vergisst man, dass das mit dem Handy hier nicht funktioniert. Das bleibt dann einfach in der Tasche", sagt Katja Rabold. "Langweilig wird es hier nicht."

Die Tage in der Weihermühle sind für die jungen Schauspieler des Schultheaters voll durchgeplant. Die Arbeitsgruppen beginnen um 9 Uhr. "Vorher ist nach dem Frühstück noch eine halbe Stunde Zeit, auf die Suche nach einem Handy.-Signal zu gehen", sagt Patrick Trappmann, der ungern gänzlich uninformiert in den Tag startet und sich mit dem Verzicht schwerer tut als mancher Mitschüler: "Ich hab dann einfach immer das Gefühl, dass ich was verpasse."

Wer telefonieren will, muss laufen
Und wo gibt's Empfang? Das hängt vom jeweiligen Netzbetreiber ab. Mancher hat Glück, und es klappt, wenn er das Handy im oberen Stock aus dem Zimmerfenster hält, doch meistens muss man ein Stück laufen, raus aus der Talsenke, in die das Jugendhaus eingebettet ist.

"Für die Arbeit an unserem Stück ist der Verzicht aufs Handy sogar produktiver", meint Paul Naser. "Man ist nicht in Versuchung, alle zwei Minuten auf's Display zu gucken." Annabel Rauscher und Sarah Albrecht stimmen ihm da durchaus zu - und im Grundsatz auch Lehrerin Bianca Zeitler.

Trotzdem wäre der Pädagogin die Verfügbarkeit von schnellem Internet in manchen Situationen lieb: "In unserem Stück geht es um das Thema Weltuntergang unter vielfältigen Aspekten. Der Erste Weltkrieg gehört dazu, aber auch Tsunamis, Fukushima und vieles mehr. " Der Weltuntergang könne viele Gesichter haben. "Um zwischendurch Fakten für die Gestaltung neuer Szenen zu recherchieren, wäre das Internet schon hilfreich."
Nun ist es nicht so, dass es gar keinen Online-Zugang in der Weihermühle gibt. "Wir kriegen Internet über die Satellitenschüssel, denn wir brauchen die aktuellen Kommunikationsstandards fürs Büro", erläutert der Leiter des Jugendhauses, Christian Hanf. Einen Festnetzanschluss und die Möglichkeit, übers Wlan online zu gehen, kann die Einrichtung aber nur den Gruppenleitern gewähren.

Ein Pluspunkt fürs Haus
Im Vorfeld des Weihermühlen-Neubaus wurden übrigens alle Standortfaktoren, die für oder gegen die Investition sprechen, genau geprüft, erzählt Hanf. Die naturnahe, idyllische Lage war natürlich ein Pluspunkt, aber eben auch die Tatsache, dass in Sachen Handy-Empfang Funkstille herrscht: "Die Gruppen, die zu uns kommen, sind keine Touristen, sondern sie haben ein Thema, das meistens damit zu tun hat, sich mal vom Alltag zu lösen. Da hilft es, auch mal die üblichen Kommunikationswege zu kappen", sagt der 41-Jährige. "Das ist wie fasten: Ich verzichte aufs Handy und lerne, dass es noch andere Sachen gibt, die man tun kann."

Hanf beobachtet das nicht nur bei den MGFG-Schülern, sondern auch bei Freizeiten, die er selbst leitet: "Mit Handy-Empfang würden abends viele auf ihren Zimmern sitzen und surfen oder SMS tippen. Aber so macht man es sich gemeinsam in der Kaminecke gemütlich und redet miteinander. Das ist für viele eine schöne neue Erfahrung."