Druckartikel: IG Metall ist sauer auf den Investor

IG Metall ist sauer auf den Investor


Autor: Jürgen Gärtner

Mainleus, Montag, 12. November 2012

Über die Ursachen für die erneute Insolvenz der Spinnerei gehen die Ansichten von Gewerkschaft und Firmenleitung weit auseinander. Marco Marchetti aus der Schweiz, der das Unternehmen übernommen hatte, ist in das Visier der Interessenvertretung der Mitarbeiter geraten.
Für die Spinnerei sieht es schlecht aus.  Foto: Jürgen Gärtner


Was in Mainleus passiert, das hat er so noch nicht erlebt, sagt Uwe Bauer von der IG Metall Ostoberfranken mit Blick auf die Vorgänge in der Spinnerei. Bauer ist bei der Gewerkschaft unter anderem für Arbeits- und Sozialrecht zuständig und geht auf die erneute Insolvenz des Unternehmens ein, das erst vor zehn Monaten von Investor Marco Marchetti aus der Schweiz übernommen worden war. Man bewege sich "an einer rechtlichen Grenze, auch was eine Insolvenzverschleppung betrifft", sagt Bauer. Geschäftsführer Jürgen Knecht stellt dagegen klar, dass unerwartet hohe Umsatz-Rückgänge bei den Core-Garnen der Grund sind, dass die Kuspi erneut Insolvenz anmelden musste.

Ein weiterer Punkt sorgt für Diskussionen: Marchetti habe eine "selbstschuldnerische Bürgschaft" über eine runde Million Euro geleistet. "Aber er scheint nun nicht bereit zu sein, freiwillig etwas zu zahlen", so Bauer.

Marchetti argumentiere, dass das Geld für einen geordneten Auslauf gedacht gewesen sei. Doch das stimme so nicht: "Die Bürgschaft ist allgemein formuliert und an keine Bedingungen geknüpft", interpretiert Uwe Bauer das Schriftstück. Weil es sich um eine "selbstschuldnerische Bürgschaft" handelt, müsse jeder Mitarbeiter sein Recht einklagen, fährt Bauer fort. Die Unterlagen befänden sich derzeit zur Prüfung in der Rechtsschutzabteilung der IG Metall in Frankfurt.

Sobald es eine Rückmeldung gebe, werde eine Mitgliederversammlung einberufen. "Ich glaube, die Tendenz geht in Richtung Klage, das ist aber nur eine Prognose, die ganz anders ausfallen kann", stellt er fest. Die Erfolgsaussichten kann er nicht beurteilen: "Vor Gericht und auf hoher See ..." Hinzu komme, dass Marchetti in der Schweiz lebe und der Fall somit länderübergreifend werde. "Damit wird die Sache noch schwieriger." Für Uwe Bauer steht fest: "Wenn ein Investor da ist, dann weiß er in der Regel, dass er investieren und das Unternehmen eigentlich in ein ruhiges Fahrwasser bringen muss."


2012 schwarze Zahlen geplant

Jürgen Knecht stellt klar: "Wir sind bei der Planung für 2012 davon ausgegangen, dass wir ab dem zweiten Halbjahr schwarze Zahlen schreiben", betont der Geschäftsführer. Doch statt dessen sank der Umsatz bei den Core-Garnen im Vergleich zum Vorjahr beim Hauptkunden um 72,2 Prozent (zwei Millionen Euro). "Damit war der Tod da." Dabei habe es nach der ersten Insolvenz Ende vergangenen Jahres gar nicht schlecht ausgesehen: "Wir hatten zwar einen Umsatzrückgang von 13,3 Millionen Euro auf 12,7 Millionen geplant, wollten das aber durch verstärkte Verkaufsaktivitäten auf 15 Millionen steigern", so Knecht rückblickend.

Doch der Einbruch bei den Core-Garnen machte einen Strich durch die Rechnung: "Heuer haben wir bislang 20 Tonnen versandt. 2011 waren es im Gesamtjahr 150 Tonnen und 2010 sogar 304 Tonnen." Die Gründe: Planungsfehler des Kunden, eine nachlassende Nachfrage auf dem Markt, vorrätige Fertigware, und zudem befinde sich das Hauptabnehmerland Italien in der Krise. Der Umsatzrückgang über alle Kunden hinweg habe von Januar bis Ende August bei minus 35 Prozent gelegen. Schwarze Zahlen zu schreiben, sei illusorisch geworden, die Aussichten seien schlecht. Ziel war es Knecht zufolge dann, die Spinnerei über sieben Monate gezielt auslaufen zu lassen und die Färberei weiter zu betreiben. Doch hätte dieses Auslaufen der Firma eine Million Euro gekostet. "Das konnten wir nicht stemmen."

Damit komme der Schweizer Marco Marchetti ins Spiel, der im vergangenen Jahr als Investor in Mainleus eingestiegen war. Er habe im Namen der Firma 1C Industries Zug AG für ein geregeltes Auslaufen eine Zahlungszusage "und keine Bürgschaft" über 1,05 Millionen Euro gegeben. Mit dieser Zahlungszusage sollten die Löhne von Oktober bis April 2013 gezahlt werden, Abfindungen seien darin keine vorgesehen. Doch durch die neue Insolvenz im September gebe es kein Auslaufen des Betriebs mehr. Jetzt müsse gerichtlich geklärt werden, ob trotzdem gezahlt wird. Doch das betreffe ausschließlich die Firma 1C Industries, nicht die Kuspi, erklärt Knecht das Dilemma. Daher könne er zu dem Thema keine weitere Stellungnahme abgeben.

40 Personen haben aufgrund der Entwicklungen am 6. November ihre Kündigungen erhalten, rund 70 Mitarbeiter sind noch übrig. "Wenn es gelingt, die Färberei dauerhaft zu erhalten, dann würden knapp 30 Leute weiter beschäftigt. Für die Spinnerei gibt es keine Chance", muss Knecht einräumen.

Natürlich sei die Stimmung unter den Mitarbeitern schlecht, sagt der Geschäftsführer. "Letztes Jahr bestand mit dem Investor ja wieder Hoffnung." Doch die schwand schon, als er im April die Belegschaft über die bedenklichen Zahlen informiert hatte. "Aus heutiger Sicht hätte man schon im letzten Jahr Schluss machen müssen", zieht Knecht die traurige Bilanz.


"Marktlage der Auslöser"

Insolvenzverwalter Bastian Messow von der Frankfurter Agentur Brinkmann & Partner sieht kein Verschulden für das Aus der Spinnerei bei der Geschäftsführung: "Von meinem Gefühl her ist die Marktlage der Auslöser." Zwar sei es etwas ungewöhnlich, dass ein Unternehmen innerhalb von zehn Monaten zwei Mal Insolvenz anmelden muss, "aber das passiert schon mal".

Im November laufe jetzt erst einmal die Produktion weiter, Ende des Monats werde dann gemeinsam mit dem Betriebsrat entschieden, ob und wie es weitergeht. "Im Moment ist es schwierig, die Spinnerei dauerhaft am Leben zu erhalten", betont Messow. Die Aufträge würden nicht ausreichen, die Kosten zu decken. Ein Hauptgrund für die Misere sei, dass die umsatz- und deckungsstarken Produkte weggebrochen sind. "Und wenn dann kein frisches Geld von außerhalb kommt ..."

Zugleich weist er darauf hin, dass für die Färberei durchaus Hoffnung besteht: "Es gibt Gespräche mit verschiedenen Parteien." Letztlich müssten die Gläubiger entscheiden, an wen verkauft wird. Behauptungen, wonach Investor Marco Marchetti für die Übernahme vor einem Jahr nichts gezahlt hat, relativiert er: "Es war von vorne herein ein Ratenkauf vereinbart."