Hubert Aiwanger sieht den Wahl-Ausgang als offen
Autor: Katrin Geyer
Kulmbach, Freitag, 30. August 2013
Hubert Aiwanger, der Spitzenkandidat der Freien Wähler, spricht beim Redaktionsbesuch in der Bayerischen Rundschau über die Nöte kleiner Bauern, über regionalen Proporz und über Frauen in der Politik.
Er sagt, er sei ein Freund Oberfrankens. Er weiß, dass der Regierungsbezirk eine "Genussregion" ist, und der Begriff vom "Hundeknochen" ist ihm sehr wohl ein Begriff.
Hubert Aiwanger, Landes- und Bundesvorsitzender der Freien Wähler und Fraktionsvorsitzender im Bayerischen Landtag, ist gut informiert, als er im Vorfeld eines Besuchs beim Bildungswerk für Kommunalpolitik in Thurnau zum Redaktionsgespräch bei der Bayerischen Rundschau vorbeischaut. Und er kennt den "Hundeknochen" nicht nur, sondern er hat auch eine dezidierte Meinung zum neu geschaffenen Landtags-Stimmkreis Wunsiedel/Kulmbach. "Ein großer politischer Fehler", sagt er. Einer, der künftig dazu führen könne, dass die ländlichen Regionen in der politischen Debatte noch weniger Gewicht hätten.
Eine Benachteiligung Oberfrankens stellt Aiwanger ohnehin schon fest: In der Diskussion um die Energiewende und insbesondere in der Debatte um Windkraftanlagen
Windkraft als Riesenchance
Windkraftanlagen seien "eine Riesenchance" für die Wertschöpfung im ländlichen Raum. Die Kommunen könnten davon profitieren. Allerdings sei sensibles Vorgehen ratsam: "Wir dürfen die Bürger nicht vergewaltigen, wenn die die Windräder nicht wollen."
Auch die Nöte der Landwirte in Oberfranken kennt Aiwanger gut. Der Fraktionsvorsitzende ist vom Fach: Er hat in Weihenstephan Landwirtschaft studiert, lebt mit seiner Familie auf dem eigenen Hof im Kreis Landshut - und weiß, was die kleinen Bauern im Land brauchen: Zuschüsse, und zwar mehr als die großen Agrarbetriebe. Aber auch Schutz vor der EU-Regelungswut.
Es könne nicht sein, dass der Markt nur von den großen Ketten dominiert werde, sagt Aiwanger, der die Konzerne mit den Energiekonzernen vergleicht. Diesen Unternehmen müsse man genau "auf die Finger schauen". Aber vor allem müsse man mehr Anstrengungen machen, um die Marktmacht der Bauern zu stärken. "Das ist wichtiger als Verteilungskämpfe innerhalb der Landwirtschaft um Zuschüsse."
Eine Wiedergründungs-Offensive kann sich Hubert Aiwanger vorstellen, um die kleinen Direktvermarkter in der Genussregion zu stärken: "Alle die kleinen Gaststätten, Bauern, Metzger und Bäcker, die wir in den letzten Jahren zu Tode kontrolliert haben."
Bereit für die Koalition
Ob Aiwanger und seine Freien Wähler solche Offensiven tatsächlich auf den Weg bringen können, hängt letztlich vom Ausgang der Landtagswahl ab. Mit der CSU ist Aiwanger in den letzten Jahren nicht immer liebevoll umgegangen. Dennoch: Sollte die CSU nach der Wahl wieder stärkste politische Kraft im Freistaat sein und auf der Suche nach Koalitionspartnern gehen, dann sei man bereit. "Aber wir sind nicht auf die CSU fixiert", sagt er. "Das Spiel ist noch offen."
Klar ist für ihn hingegen, wer bei der Wahl in zwei Wochen sein wirklicher Konkurrent ist: Martin Zeil und die FDP. Für die werde es ebenso wie für die Freien Wähler darum gehen, die Wählerschicht in der bürgerlichen Mitte zu gewinnen. "Und da hoffe ich einfach, dass wir Terrain gut machen auf Kosten der FDP."
Gelassen und souverän bestreitet Aiwanger das Gespräch, ob es nun um die Idee der CSU für ein Heimatministerium womöglich in Oberfranken geht ("ein Ablenkungsmanöver Seehofers") oder um den regionalen Proporz auf der Bundestagsliste der bayerischen Freien Wähler: "Mit Peter Dorscht aus Wiesenttal haben wir einen Oberfranken auf Platz 2. Wenn wir reinkommen, ist er mit drin."
Ganz am Ende kommt der Parteichef aber doch ein bisschen ins Schleudern. Was 6 aus 49 ist, das weiß er, auch wenn er kein Lotto spielt. Aber 6 aus 45? Das bringt ihn ins Grübeln. Und die Information, dass es sich dabei um die Frauenquote auf der bayerischen Bundestagsliste handelt, bringt ihn sichtlich in Erklärungsnot. "Wir sind nicht die Quotenpartei", sagt er nach einigem Zögern.
Biologische Situation
Die Freien Wähler sähen das unverkrampft, ob Mann ob Frau - da zähle jeder gleich, und als Begründung dafür, dass Frauen nicht nur auf der Bundestagsliste, sondern auch in vielen kommunalen Gremien merklich unterrepräsentiert sind, führt Aiwanger die "biologische Situation" an. Beispiel: Seine Partnerin Tanja Schweiger, ebenfalls Landtagsabgeordnete und im Wahlkampf, sei derzeit einfach nicht so flexibel, weil sie den gemeinsamen Sohn noch stille. Keine Frage: Der Anteil der Frauen in der Politik ist nicht Aiwangers Kernthema.
Muss es auch nicht sein: "Man sollte sich da keinen Zwang antun und sagen, die Welt ist erst in Ordnung, wenn man bei fifty-fifty ist. Es gibt einfach gewisse Vorlieben, wo man beruflich hintendiert. Frauen tendieren vielleicht von ihrer Emotionalität her eher zu sozialen Berufen und nicht zu knallharten Berufen."
Im Privaten freilich bemüht sich der Mann, der sich selbst als "wertekonservativ" bezeichnet, um Emanzipation. Sollte sein zehn Monate alter Sohn Laurenz ihn in zehn Jahren einmal fragen, was er denn gemacht habe, als sein Bub ganz klein war, dann weiß Hubert Aiwanger jetzt schon, was er ihm sagen wird: "Viel unterwegs gewesen, aber auch immer darum bemüht, mich um ihn zu kümmern, so weit es die Zeit zulässt."