Hosein ist der Barbier von Melkendorf
Autor: Katharina Müller-Sanke
Melkendorf, Montag, 04. Juli 2016
Frank Walther hat den syrischen Flüchtling Hosein Dyab eingestellt. Er ist ein Spezialist, allerdings nur für Männerhaare.
"Wir können voneinander profitieren und lernen, das ist doch wunderbar!" Friseur Frank Walther aus Melkendorf ist zufrieden mit seiner letzten Geschäftsentscheidung. Mit Hosein Dyab hat er einen syrischen Flüchtling bei sich eingestellt und es nicht bereut.
"Das Jobcenter hat vor einigen Monaten bei mir angefragt, ob Hosein ein Praktikum bei mir machen könnte, schließlich hatte er keine Scheine oder Nachweise über Qualifikationen dabei, als er aus Syrien hier ankam. Man wusste also gar nicht, was er eigentlich kann", erinnert sich Frank Walther. Er hat zugestimmt, Hosein bei sich arbeiten zu lassen und sich schnell von dessen guter Arbeit überzeugen können.
Zwölf Jahre Berufserfahrung
Hosein selbst erzählt, dass eine Ausbildung in Syrien nur drei bis sechs Monate dauere - Berufsschule Fehlanzeige.
Aber er blicke auf zwölf Jahre Berufserfahrung zurück und könne so mit seiner Erfahrung punkten. Einziges Problem: Bis er in Deutschland ankam, hat er nur Männerhaare geschnitten.
"Frauen und Männerfriseur ist in Syrien jeweils ein eigener Beruf und findet auch nicht im gleichen Laden statt," erklärt er in noch etwas gebrochenem Deutsch. Frank Walther hat für seinen Schützling Kurse an einer Fachakademie herausgesucht, Hosein hat sie belegt und nun kann er - theoretisch - auch Frauenhaarschnitte. Zumindest einfachere moderne Schnitte.
Mit Lockenwicklern nichts am Hut
Mit Lockenwicklern und Hochstecknadeln wird sich Hosein so schnell wohl nicht anfreunden. Dafür hat Frank Walther mit ihm andere Pläne: Er will das Geschäft mit den Männern ausbauen. "Ich höre von immer mehr Männern, die gerne und häufig zum Friseur gehen, die sich pflegen lassen, die Bärte stutzen, rasieren, enthaaren und so weiter. Bisher muss man dafür oft weiter weg fahren."
Der Friseurmeister hat die Marktlücke erkannt und wird in den nächsten Wochen seinen "Barbershop" eröffnen. Darin dreht sich alles um das Aussehen der Männer.
Hosein und der Chef persönlich werden stutzen, schneiden, rasieren, pflegen und vieles mehr, sogar eine kleine Bar mit kühlem Bier soll es geben.
Der 21-jährige Viron ist schon jetzt Stammkunde. "Ich komme einmal die Woche, dann werden die Kanten nachgezogen und alles was sonst noch dazugehört. So gerade und ordentlich bekomme ich das selbst nicht hin, da fühle ich mich hier schon besser aufgehoben," betont er.
Das tut auch dem Ego gut
"Früher war es auch bei uns eher üblich, dass die Männer sich in eigenen Barbershops pflegen ließen. In den letzten Jahrzehnten ist das etwas in Vergessenheit geraten. Ich will das hier wieder aufbauen," folgt Walther einem Trend.
Mit Hosein hat er einen Experten, der schon seit vielen Jahren genau in diesem Bereich arbeite. Endlich kann Hosein zeigen, was er kann. Das tut auch dem Ego gut. "Schere, Rasierer, Waschbecken - ich lerne immer mehr Deutsch, das für meinen Beruf wichtig ist" so Hosein, der sich über seine neue Aufgabe sichtlich freut.
Gefragt nach den bürokratischen Hürden, winkt Frank Walther ab: "Es war überhaupt nicht aufwändig. Hosein hat ja zum Glück schon eine Arbeitserlaubnis. Er musste die Kurse besuchen und jetzt kann ich ihn ganz normal als Geselle beschäftigen."
Er bekommt für seine Arbeit ein reguläres Gesellengehalt. Seit Juli hat Hosein in Melkendorf eine feste Stelle - schnell und unkompliziert. Mit seiner Arbeit kann er auch seine Frau und drei kleine Kinder ernähren. So kann gelungene Integration in den deutschen Arbeitsmarkt funktionieren.