Himmelkroner Kauffrau erwischt Briefmarkendieb
Autor: Stephan Tiroch
Himmelkron, Donnerstag, 22. Januar 2015
Die Zeugin und der Angeklagte präsentieren dem Amtsgericht Kulmbach zwei Tatversionen. Aussage gegen Aussage: Wer hat Recht?
Den Sommer 2014 wird die Zeugin nicht vergessen. Nicht etwa, weil Deutschland Fußballweltmeister geworden ist. Sondern, weil man der Kauffrau, die in Himmelkron einen Lebensmittelladen mit Lottoannahme und Poststelle betreibt, zweimal übel mitgespielt hat. Erst wirft ein Unbekannter die Schaufensterscheibe ein, und eine Woche später folgt die Sache mit dem Briefmarkendieb.
"Ich bin sonst ein gutmütiger Mensch, aber ich habe gedacht: Es kann doch nicht so weitergehen", sagt sie vor Gericht. Deshalb habe sie, "obwohl mir kein Schaden entstanden ist", die Polizei gerufen.
Was ist an jenem 23. August geschehen? "Es war ein Samstag", erinnert sich die Zeugin. Gegen halbelf hat sie für eine Minute mal den Laden verlassen - "für kleine Mädchen", wie es Amtsrichterin Sieglinde Tettmann formuliert.
"Das kann ich beschwören"
Die Kauffrau erschrickt, als sie zurückkommt: "Oh Gott, was geht hier ab?" Sie sieht einen Mann, den sie vom Sehen kennt, wie er sich über die Schublade des Postschalters beugt und ein Päckchen Briefmarken rausnimmt. Als er versucht, die Postwert zeichen zwischen seinen zwei Paketen zu verstecken, geht sie dazwischen und stellt den 45-Jährigen zur Rede. "So war es. Da bin ich mir sicher, das kann ich beschwören", sagt die resolute Kauffrau. Sie schätzt den Wert der Beute, alles 60-Cent-Briefmarken, auf 300 Euro.
Eine ganz andere Version tischt der Angeklagte aus Bayreuth dem Kulmbacher Gericht auf. Er habe nicht in die Schublade gegriffen, beteuert er. Er habe die Briefmarken, die vor dem Tresen auf dem Fußboden lagen, nur aufgehoben, um sie zurückzulegen. "Da kam sie rein und rief: Erwischt, erwischt! Und das war's."
Staatsanwalt Ludwig Peer glaubt dem fünfmal wegen anderer Delikte vorbestraften Mann nicht. Er fordert fünf Monate Freiheitsstrafe mit Bewährung. Da bleibt dem Angeklagten die Spucke weg: "Ich bin erst mal geschockt." Er verzichtet auf ein Schlusswort, und findet dennoch eine gnädige Richterin. Sieglinde Tettmann hält die Zeugin für glaubwürdig, erkennt aber nur auf versuchten Diebstahl. Sie verhängt noch einmal eine Geldstrafe in Höhe von 2700 Euro, weil der Mann nicht vorsätzlich, sondern spontan gehandelt hat: "Er ist der Ver suchung erlegen."
Nachgezählt hat keiner
Außerdem setzt die Richterin den Wert der Briefmarken lediglich mit 100 Euro an. Denn wirklich nachgezählt hat keiner - die ermittelnden Polizeibeamten eingeschlossen.