Himmelkron wird Mittelzentrum
Autor: Jochen Nützel
Himmelkron, Donnerstag, 12. Mai 2016
Freude bei Bürgermeister Gerhard Schneider: Himmelkron, Bad Berneck und Gefrees werden hochgestuft. Wirsberg, Neuenmarkt und Marktschorgast gehen leer aus.
Die CSU-Landtagsabgeordneten Martin Schöffel und Ludwig von Lerchenfeld teilten die Kunde aus München gestern in einem Presseschreiben mit: Nach einem Gespräch mit Finanz- und Heimatminister Markus Söder und den zuständigen Landesplanern steht jetzt fest, dass bei der Neueinteilung sogenannter zentraler Orte Himmelkron im Verbund mit Bad Berneck und Gefrees zum Mittelzentrum aufgestuft wird.
"Lange haben wir um die Aufstufung von Himmelkron zusammen mit weiteren Gemeinden zu einem Mehrfach-Mittelzentrum geworben. Jetzt hat die Kommune für die Zukunft bessere Chancen, großflächigen Einzelhandel ansiedeln zu können. Himmelkron ist auch für großflächigen Einzelhandel an einer bedeutenden Verkehrskreuzung der A9 und der B303 ein Spitzen-Standort", schreibt von Lerchenfeld.
Allen anderen Anträgen der Gemeinden im Landkreis Kulmbach zur Aufstufung zum Mittelzentrum konnten demnach leider nicht entsprochen werden.
Für Martin Schöffel sei die Einbindung der Stadt Gefrees in das landkreisübergreifende Mittelzentrum ein besonderes Anliegen gewesen. "Gefrees ist Sitz einer Realschule und soll auch zukünftig eine mittelzentrale Bedeutung im Bereich von lokalen Versorgungsstrukturen behalten." Als nördlichste Gemeinde im Landkreis Bayreuth habe Gefrees zusammen mit Bad Berneck und Himmelkron auch Versorgungsfunktionen für Gemeinden im Fichtelgebirge in den Landkreisen Wunsiedel, Hof und Kulmbach.
Freude und Leid
"Das ist eine sehr schöne Überraschung und große Freude für Himmelkron", sagte Bürgermeister Gerhard Schneider (CSU), als er von der Nachricht aus München erfuhr. Aber im gleichen Atemzug schob er hinterher: "Es spielt auch eine gewisse Ernüchterung mit hinein.
Ich bedauere es, dass Wirsberg, Neuenmarkt und Marktschorgast nicht zum Zuge gekommen sind. Meine Mitstreiter dort haben genau wie wir intensiv geworben für das gemeinsame Mittelzentrum, es gab über fast vier Jahre Bemühungen aller Kommunen, für die ich meinen Amtskollegen nochmals herzlich danken möchte. Die höhere Politik hat jetzt halt so entschieden."Schneider werde nun den Gemeinderat informieren und sich mit den Vertretern beraten. Was die Kooperation mit Bad Berneck und Gefrees angeht, so werde sich Himmelkron der Herausforderung stellen. "Da wird sicher einiges an Abstimmung nötig sein." Die Entscheidung aus München für das Trio zeuge, so Schneider, davon, dass die Staatsregierung Entwicklungspotenzial vor allem im Umfeld der Autobahn sehe. "Interessant ist, dass die Wahl auf ein die Landkreise übergreifendes Modell gefallen ist."
Idee eines Planungsrates
Ob sich etwa die (gescheiterte) Ansiedlung des Möbelriesen XXLutz unter dieser veränderten Situation für Himmelkron hätte realisieren lassen? Gerhard Schneider hat das Thema zu den Akten gelegt. "Ich kann nur hoffen, dass das Großprojekt in Bayreuth verwirklicht wird." Zu möglichen anderen Vorhaben unter den nun veränderten Vorzeichen wollte sich Schneider nicht äußern. "Ich bitte um Verständnis, dass ich mir Zeit nehme und zunächst das Gespräch mit den Bürgermeisterkollegen aus Bad Berneck und Gefrees suchen werde. Vielleicht ist es sinnvoll, eine Art Planungsrat einzurichten.
Wir betreten hier Neuland, das muss alles reifen."Landrat Klaus Peter Söllner nahm die Entscheidung aus dem Staatsministerium mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf: "Himmelkron wurde die bisherige Einstufung der geostrategischen Lage ja wahrlich nicht gerecht, das muss man klar sehen. Allein die Lage am Knotenpunkt der A 9, der meistbefahrenen Autobahn in Deutschland, spiegelt die Sondersituation wider."
Nichtsdestotrotz habe der Landkreis die Lösung mit vier Kommunen bis zum Schluss präferiert und dies mehrfach auch Finanzminister Markus Söder dargelegt, zuletzt nochmals im November 2015. "Wir hätten unsere anderen drei Gemeinden sehr gerne dazugenommen. Unsere Haltung war, dass es sich um einen einheitlichen Raum handelt, der als Mittelzentrum prädestiniert wäre. Es ist nun anders gekommen."
Vier Jahre gekämpft
Das bedauert auch Marktschorgasts Bürgermeister Hans Tischhöfer (FW). "Schade, wir haben vier Jahre gekämpft", sagte er und erinnerte an die Bemühungen, mit Hilfe der Universität Bayreuth ein Statement auszuarbeiten mit der Fragestellung, ob Marktschorgast nicht eventuell als sogenannter Raum mit besonderem Handlungsbedarf ausgewiesen werden könnte, sollte es zum Mittelzentrum nicht reichen. Diese Anstrengungen hätten wohl nicht gefruchtet. Von einer weiteren Stellungnahme wollte Tischhöfer absehen: "Ich möchte erst die Gründe für die Ablehnung erfahren.
Wir erwarten eine ausführliche Stellungnahme vom Ministerium."In die gleiche Kerbe schlug sein Neuenmarkter Amtskollege Siegfried Decker (NG), den allerdings die Vorgehensweise bei der Bekanntmachung befremdete: "Die Bürgermeister der fünf Gemeinden standen in verschiedenen Gesprächskreisen mit Minister Söder, der Staatskanzlei und dem Ministerpräsidenten in Kontakt, und es wurden auch in der Sache immer gemeinsame Beschlüsse gefasst. Es überrascht mich, dass jetzt zwei Abgeordnete das neue Mittelzentrum bekanntgeben." Nun, so Decker, bleibe nur noch, den Gewinnern zu gratulieren. "Wir bedauern die Ablehnung zwar, aber es bringt uns nicht um."
Auch Wirsbergs Bürgermeister Hermann Anselstetter (SPD) zeigte sich verwundert über die Kommunikation. "Sind wir im CSU-regierten Bayern so weit, dass wenige Parteifreunde im Hinterstüberl Entscheidungen treffen und dann auf ihrer Homepage als verbindlich verkünden? Wo bleibt da der demokratische Parlamentarismus?"
Was ist ein Mittelzentrum?
In der bundesdeutschen Raumordnung und Wirtschaftsgeographie werden Orte nach Ober-, Mittel- und Unterzentren (Grundzentren) eingeteilt. Das System basiert auf den Vorgaben des Geographen Walter Christaller aus dem Jahr 1933. Seiner Systematik liegt zugrunde, dass die Bedeutung eines Ortes sich nicht allein nach seiner reinen Größe definiert, sondern auch nach der Bedeutung seine Infrastruktur im Vergleich zur näheren Umgebung.
Ein Mittelzentrum beginnt ab einer Bevölkerungszahl von rund 15 000 Einwohnern (und reicht per Definition bis zu 100 000), wobei sich die Kennzahl nicht allein auf den Ort bezieht, sondern auch den direkten Umkreis, der auch als Verflechtungsraum bezeichnet wird, mit einschließt. So ist das im Fall von Bad Berneck, Himmelkron und Gefrees: Die Zahl der Bürger in den drei Orten läge unterhalb der erwähnten 15 000er-Marke (Himmelkron hat aktuell knapp 3500 Einwohner).
Mittelzentren bieten in der Regel alle Angebote, die auch ein Grundzentrum vorweisen kann. Darüber hinaus aber sind Branchen vorhanden, die den (gesamten) mittelfristigen Bedarf decken. Dazu zählen Bekleidung, Geschenkartikel, baumarktrelevante Artikel, Spielwaren, Sportartikel und ferner Sortimentsgruppen des langfristigen Bedarfs (Teppiche, Gardinen, Bettwaren, Möbel, Elektro, Unterhaltungselektronik, Foto, Optik, Uhren, Schmuck, Lederwaren). Insofern dient ein Mittelzentrum als Anlaufpunkt für die Versorgung mit Waren, Dienstleistungen und Infrastrukturangeboten, die durch die umgebenden Unterzentren nicht geleistet werden kann.
Neben der genannten Grundversorgung umfasst das Angebot zudem den "periodischen Bedarf", also Fachärzte, Kaufhaus, Kino, kulturelle Angebote, Krankenhaus, Notar, Rechtsanwalt, Steuerberater, Schwimmbad, weiterführende Schule und Berufsschule. Quelle: Wikipedia