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Hildegard Schleuppner war 1928 das kleinste Baby der Welt


Autor: Dagmar Besand

Kulmbach, Mittwoch, 14. Mai 2014

Vor 85 Jahren hat Hildegard Schleuppner die medizinische Fachwelt verblüfft. Die Kulmbacherin kam in Nürnberg als Frühchen zur Welt, 18 Zentimeter klein und 750 Gramm leicht. Niemand glaubte, dass sie überleben würde.
Hildegard Schleuppner mit Tochter Bettina Höfner: 1928 glaubte niemand, dass das kleinste Babys der Welt überleben könnte. Foto: Dagmar Besand


Dieses Kind wird es nicht schaffen. Zu klein. Zu schwach. Davon waren die Ärzte überzeugt, als sie die Familie Steigleder im Juli 1928 mit ihrem neugeborenen Mädchen nach Hause schickten. Die Eltern betteten ihr Miniatur-Baby in einen Puppenwagen, mit ein paar Wärmekissen, und hofften auf ein Wunder, erzählt Bettina Höfner. Die Kulmbacherin ist die Tochter des ehemals kleinsten Babys der Welt.

Als nach neun Tagen das Kind entgegen aller Prognosen immer noch lebte, brachten die Eltern es in ein Säuglingsheim, wo sich ein Arzt namens Zelter sehr um die Kleine bemühte, sie sogar adoptieren wollte. So erzählten es die Eltern später ihrer Tochter und ihren drei Geschwistern.

Mehr als zwei Jahre verbrachte die Kleine im Krankenhaus, und im Oktober 1930 berichteten Fachzeitschriften und Zeitungen über die erstaunliche Entwicklung des Mädchens, die 1928 das kleinste Baby der Welt war.

Es gelang nämlich nicht nur, Klein-Hilde am Leben zu erhalten, sondern sie entwickelte sich zu einem ganz normalen gesunden Kind, lernte laufen und sprechen. Nur eine Kuriosität vermerkten die Ärzte in ihrem Bericht: "Das linke Auge ist zur Hälfte blau, zur Hälfte braun."

Froh über zwei gesunde Kinder

Als "etwas zart und schmächtig, aber vollständig gesund" wurde Hilde beschrieben. "Ich war auch später noch sehr schmal und zierlich, aber bis heute nie ernsthaft krank", erzählt die Seniorin heute. Sie absolvierte die Volksschule, war überwiegend zu Hause tätig. Zwei Mal war sie verheiratet, hat selbst zwei gesunde Töchter geboren, freut sich über ihre drei Enkelkinder.

Erst vor einigen Jahren nach dem Tod ihres Mannes Arnulf Schleuppner zog die heute 85-Jährige nach Kulmbach. "Ich wollte in der Nähe meiner Tochter sein." Seit die Seniorin auf Pflege und Rollstuhl angewiesen ist, lebt sie im Senioren- und Pflegeheim der Arbeiterwohlfahrt in der Brenkstraße.

Hildegard Schleuppner hatte Glück, dass sie trotz ungünstiger Startbedingungen überlebte. Heute hat die Medizin ganz andere Möglichkeiten als damals, doch eines gilt noch immer: Erst ab der 24./25. Schwangerschaftswoche ist das Kind lebensfähig. Dann wiegt das Kind etwa 750 Gramm - soviel wie damals Klein-Hilde. "Wir versuchen, die Geburt so lange wie möglich hinauszuzögern", sagt Michael Ebeling, Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Klinikum Kulmbach, Spezialist für Geburtshilfe und Pränataldiagnostik. "Wenn man eine Frühgeburt verhindern kann, hat das viele Vorteile für die Babys."

Das Hauptproblem sei die Unreife des Kindes, vor allem die Unreife der Lunge, die dazu führt, dass die Lungenbläschen kollabieren und das Kind schlecht atmen kann. Hirnschwellungen und Hirnblutungen sind eine weitere Gefahr, denn auch das Gefäßsystem ist noch nicht ausgereift.

Reifebehandlung im Mutterleib

Dank engmaschiger Vorsorgeuntersuchungen können Ärzte heute frühzeitig das Risiko einer Frühgeburt erkennen und gegensteuern. Bettruhe und Schonung tragen dazu bei, die Öffnung des Muttermunds hinauszuschieben. Vorzeitige Wehen können medikamentös gehemmt werden, eine Lungenreifebehandlung kann schon im Mutterleib stattfinden.

Ab der 34. Woche können im Klinikum Kulmbach Babys entbunden werden. Ist eine noch frühere Geburt nicht aufzuhalten, muss die Schwangere in einem Perinatalzentrum versorgt werden. Das nächstgelegene befindet sich in Bayreuth. Das Frühgeborene kommt in einen Inkubator und muss warm gehalten werden, mit Infusionen wird der Kreislauf stabilisiert. Für die Atmung gibt es entweder eine leichte Sauerstoffunterstützung im Inkubator oder bei Bedarf eine Beatmung per Intubation.