Helgas Rost in Kulmbach bleibt für immer kalt
Autor: Sonny Adam
Kulmbach, Montag, 08. Dezember 2014
"Mit 65 Jahren ist es an der Zeit, sich zur Ruhe zu setzen." Das hat sich Helga Hofmann gesagt und ihre Bratwurstbude am Bahnhof geschlossen. Damit stirbt auch ein Teil Kulmbacher Geschichte.
Zwischen halb neun und neun Uhr heizte Helga Hofmann ihren Holzkohlegrill an und legte die ersten frischen Bratwürste auf. Gegen halb zehn Uhr waren die ersten original Kulmbacher Spezialitäten fertig. Den lieben langen Tag stand Hofmann in ihrem Imbiss - täglich von Montag bis Freitag. Urlaub hat sie sich nie gegönnt. Denn dann hätte sie ja ihre Bude schließen müssen.
Doch jetzt ist Schluss. Mit 65 Jahren geht Helga Hofmann in Rente. Sie hat ihren Bratwurststand schon geschlossen und sich von ihren Stammgästen verabschiedet. "Im Moment habe ich mich noch gar nicht an die Freizeit gewöhnt. Noch habe ich gar kein Hobby", sagt sie.
Sie müsse sich erst an die Rente und an den neuen Lebensabschnitt gewöhnen. In den nächsten Tagen wird der Grillwagen abgeschleppt.
Aufgebaut hat das Bratwurstgeschäft Hofmanns Vater Ludwig Becker in den fünfziger Jahren. Zunächst fuhr er mit einem Moped samt Aufsatz durch die Straßen. "Anfangs hat er Wiener verkauft, in den sechziger Jahren hat er dann einen Würstchenstand eröffnet", erinnert sich die 65-Jährige. "So ein Imbiss war damals eine Sensation."
Mutter wurde mal überfallen
Erst wurden die Würste von der Metzgerei Reuther geliefert, dann kamen sie von der Metzgerei Passing und zum Schluss von der Metzgerei Eisenhut. "Meine Mutter hat dann den Stand weitergeführt - mit 82 Jahren stand sie noch in der Bude", erzählt Helga Hofmann.
Einmal wurde ihre Mutter Lissy sogar überfallen. Die ältere Dame fuhr immer abends mit dem Fahrrad Richtung Blaich. Auf dem Weg entriss ihr ein Dieb die Tasche. Doch er hatte die Rechnung ohne die resolute Bratwurst-Braterin gemacht. Denn Lissy Becker radelte dem Langfinger nach. Beim Stellwerk bekam der es dann so mit der Angst, dass er die Tasche wegwarf. "Ohne Schaden kam meine Mutter nach Hause", so Helga Hofmann.
Sie selbst hat die Bratwurstbude - ganz nach Familientradition - seit 2002 alleine weitergeführt. "In den achtziger und neunziger Jahren standen die Leute ja Schlange. Aber jetzt ist es ruhig geworden. Das Bratwurstessen ist wohl ein bisschen aus der Mode gekommen", sagt Hofmann. Früher habe sie auch viele Bratwurststollen mit Senf oder Ketchup verkauft. "Was früher auch oft ging, waren Currywürste im ganzen Stollen. Früher war der Platz am Bahnhofs richtig gut, aber jetzt kommen die Schüler nicht mehr hier vorbei. Sie fahren ja alle vom Zob weg", erzählt Helga Hofmann.
Ihre Kunden waren zuletzt eher ältere Kulmbacher. Doch egal, wie viele Bratwürste Helga Hofmann verkaufte, sie war immer mit Herzblut bei der Sache. Und viele Kunden hat sie persönlich gekannt. "Manche haben schon mal Bratwürste gegessen und haben dann erst am nächsten Esten bezahlt", berichtet sie. Nur einen Kompromiss hat Helga Hofmann nie gemacht: "Bratwürste mit Majo oder so etwas, nein, solche Experimente gab es bei mir nicht."
Großen Luxus hatte Helga Hofmann nicht. Das Wasser brachte sie sich mit. Nur ein kleiner Hocker stand in der Imbissbude, damit sie sich wenigstens hin und wieder setzen konnte. Ein Kühlschrank war natürlich Pflicht. Der wurde mit Gas betrieben. "Es fällt schon schwer, wenn man nach über dreißig Jahren aufhört", sagt Helga Hofmann. Doch in einem Punkt ist sie sich sicher:
Bei besonderen Gelegenheiten
Auch in Zukunft wird sie immer wieder gerne Bratwürste essen. Und ihre Tochter Barbara und Enkelin Anna halten es genauso. Nur, dass eben nicht mehr jeden Tag Bratwürste auf den Grill kommen, sondern nur noch zu besonderen Gelegenheiten.
Auch Oberbürgermeister Henry Schramm bedauert Helga Hofmanns Entscheidung. Es sei eine "gute Sache" gewesen, wenn man beim Verlassen des Bahnhofs gleich ein Paar Kulmbacher Bratwürste kaufen konnte. Die Bude sei schon "etwas Besonderes" gewesen, sie werde als Anlaufstelle fehlen. Er selbst habe sich in seiner Lehrlingszeit gerne heiße Wiener und Bratwürste geholt, die hätten super geschmeckt.