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Heizen mit Eis? Das ist keine Utopie


Autor: Jochen Nützel

Kulmbach, Donnerstag, 24. März 2022

Das eigene Haus als Strom- und Wärmequelle? Zusammen mit Markus Ruckdeschel von der Energieagentur Nordbayern zeigen wir, wie jeder wegkommt von Öl und Gas. Da fließt der Strom vom Dach, das Auto wird zum Speichermodul - und Holz und Wind helfen mit.
So wird das Haus zum Kraftwerk.


Ob jedem Eigenheimbesitzer bewusst ist, auf welchem Innovationspotenzial er sitzt? Markus Ruckdeschel von der Energieagentur Nordbayern sagt: "Es hat bei vielen schon ein Umdenken eingesetzt, aber es ist noch viel mehr möglich." Möglich in Sachen Energieeinsparung - aber eben auch Energiegewinnung in Zeiten explodierender Preise für Öl und Gas. Zusammen mit dem Fachmann begeben wir uns auf einen Rundgang durchs eigene "Kraftwerk Haus", das losgelöst von fossilen Brennstoffen funktioniert.

1. Die Heizung

Fangen wir im Keller an. Hier verrichtet die zentrale Versorgungseinheit ihren Dienst. Oft ist es immer noch die Öl- oder Gasheizung. "Dabei sind die Alternativen keine Raketentechnik mehr, sie sind ausgereift und werden ordentlich gefördert", sagt Markus Ruckdeschel.

Die Wärmepumpe (WP) nutzt für ihre Technik Strom, der sich aus unerschöpflichen Quellen (Sonne/Wind) gewinnen lässt. Sie funktioniert wie ein umgekehrter Kühlschrank: Ein Kältemittel wird im Kreislauf verdichtet und bei Abgabe der Wärme wieder entspannt. Die WP ist im Neubau inzwischen Standard und auch für Bestandsgebäude geeignet. Voraussetzungen sind: Das Haus sollte gut gedämmt sein und über eine Flächenheizung in Fußboden oder Wand verfügen, denn hier genügen geringere Vorlauftemperaturen als bei Heizkörpern.

Für den Einbau einer Wärmepumpe muss man laut Herstellerverband zwischen 15.000 bis 30.000 Euro rechnen. "Bis zu 45 Prozent - bei Vorschalten einer Energieberatung- lassen sich durch die Bundesförderung effiziente Gebäude BEG rausholen. Aber: Gefördert wird nur der Einbau in den Bestand, nicht in den Neubau", so Ruckdeschel. "Hier soll ja der Anreiz erfolgen, von Öl oder Gas wegzukommen."

Alternativ lässt sich das Warmwasser für Heizkörper oder Fußbodenheizung mit Holz (Pellets, Scheitholz, Hackschnitzel) erzeugen. Sinnvoll ist ein isolierter Pufferspeicher, der überschüssige Wärme aufnimmt. Je nach Leistung und Ausstattung sind die Kosten für eine Holzheizung sehr unterschiedlich. Hausbesitzer müssen jedoch mindestens mit Kosten von 6000 Euro aufwärts rechnen. Deutlich reduzieren lässt sich das mit der besagten BEG-Förderung. Und: Da Holz als nachwachsender Rohstoff eingestuft ist, wird er von der CO2-Steuer befreit.

Es sind aber noch weitere Kombinationen möglich. Einen Kachelofen mit Wassertasche auszustatten, haben mittlerweile viele als zusätzliche Variante für sich entdeckt. "Wenn das Holz im Kachelofen ohnehin brennt und den Raum erwärmt: Warum nicht den doppelten Nutzen draus ziehen und zusätzlich Warmwasser in den Pufferspeicher schicken? Damit kann ich die Wärme dezentral durchs Haus weiterleiten, ohne dass ich große Reibungsverluste in Kauf nehmen muss."

Noch kaum genutzt: das Heizen mit Eis. Was seltsam anmutet, basiert auf einem bekannten physikalischen Prinzip: Bei 0 Grad kristallisiert Wasser zu Eis. Beim Übergang vom einen zum anderen Aggregatzustand wird Energie frei - die Kristallisationswärme. (Obstbauern kennen das: Sie besprühen bei Gefahr von Spätfrösten ihre Blüten mit Wasser; wenn das gefriert, schützt es die Knospen.) Beim Haus wird dafür im Boden eine Betonzisterne mit 10.000 Litern Fassungsvermögen eingesetzt und mit Wasser befüllt. Die erwähnte Kristallisationswärme beim Phasenübergang von Wasser zu Eis (und umgekehrt) ist enorm: Es ist die gleiche Energie, die man benötigt, um Wasser von 0 auf 80 Grad zu erhitzen. Diese Energie wird über Spiralen im Speicher dem Wasser entnommen. Effizient betreiben lässt sich die Eis-Heizung mittels Luftabsorbers, der die gewonnene Energie der Wärmepumpe zuführt. Der Vorgang des Vereisens und Auftauens lässt sich beliebig oft wiederholen.

2. Die Helfer vom Dach

Wind ernten vom eigenen Dach? Klingt komisch, klappt aber tatsächlich. Vertikale Windrotoren (im Gegensatz zu den horizontalen Großwindrädern) beanspruchen auf dem First wenig Platz und arbeiten relativ leise. Sie sind bereits für unter 1000 Euro zu haben. Die meisten Bundesländer erlauben solche Kleinwindkraftanlagen ohne Baugenehmigung, wenn zehn Meter Gesamthöhe unterschritten werden. Der Experte betont: "Die Erträge aus solchen Kleinstanlagen sind allerdings meist sehr gering. Deutlich lohnender ist eine Investition in Sonnenenergie, zum Beispiel Strom vom eigenen Dach."

Das ist das Stichwort, wenn es um das Betreiben von Wärmepumpe, Waschmaschine, Fernseher, E-Auto geht. Das Prinzip ist bekannt und basiert auf der Umwandlung von Licht in Energie. Photovoltaikanlagen (PV) bestehen aus mehreren Modulen, die wiederum aus Solarzellen aufgebaut sind. "Als Faustformel gilt: Der Platzbedarf für ein Kilowatt Spitzenleistung (kWp) liegt bei etwa 5 bis 6 Quadratmetern. Pro kWp können in Oberfranken im Jahr bis zu 1000 Kilowattstunden Strom geerntet werden. Eine vierköpfige Familie mit einem Jahresbedarf von 4500 kWh bräuchte für eine passende Anlage mit 4 bis 6 kWp, also ungefähr 20 bis 36 Quadratmeter Dachfläche." Die Kosten für eine solche Anlage - inklusive Montage und Anschlüssen - beläuft sich auf etwa 10.000 Euro (ohne Speicher). Aber was ist mit Lieferengpässen und Handwerkerauslastung? "Wir empfehlen: Selbst bei Engpässen dranbleiben und die Bestellung aufgeben. Manche Handwerker haben noch Bestand auf Halde und könnten schnell loslegen." Die eigene PV ist laut Ruckdeschel die einfachste Möglichkeit, einen großen Hebel umzulegen. "Selbst für die Fassaden-PV gibt es diverse Angebote, die alle marktreif sind und über die Jahre ihr Geld verdienen helfen."

Wer sich unschlüssig ist, ob seine Immobilie taugt: Das Solarpotenzialkataster des Landkreises gibt erste wertvolle Hinweise. Zu finden ist es online unter der Internetadresse www.solare-stadt.de/landkreis-kulmbach.

Anders als bei PV wird bei Solarthermie durch das Sonnenlicht kein Strom erzeugt, sondern Warm- beziehungsweise Brauchwasser (also für Heizung, aber auch die Dusche) erhitzt. Dafür erwärmt die Sonne eine Trägerflüssigkeit in den Modulen - das können Flächen- oder Röhrenkollektoren sein. In einem System mit solarer Heizungsunterstützung wird die Solarwärme nicht direkt an das Trinkwasser abgegeben, sondern in einen Heizwasser-Pufferspeicher geführt. Gerade zu einer Holzheizung sind Solaranlagen eine sinnvolle Ergänzung. Doch der Energieexperte rät: "Der Warmwasserverbrauch muss dazu passen. Es muss also eine gewisse Menge verbraucht werden, soll sich das Modell rechnen." Ab einer benötigten Warmwassermenge von etwa 40 Kubikmeter pro Jahr und Haushalt ist es sinnvoll, über eine solarthermische Anlage nachzudenken. "Die Solarthermie sorgt für mehr Ausbeute als PV, also pro Quadratmeter bekomme ich mehr Kilowattstunden raus. Damit kann ich natürlich kein E-Auto betreiben."

3. Externe Speicher

Apropos E-Auto: Das kann zwar keinen Strom erzeugen, wohl aber lässt sich seine Batterie als Speicher für Strom vom Dach nutzen. Natürlich in allererster Linie, um damit zu fahren. Aber es gibt noch einen weiteren Aspekt: Immerhin haben die Batterien in aktuellen Fahrzeugen meist eine Kapazität zwischen 50 und 100 Kilowattstunden (und sind bereits vorhanden), während ein zusätzlicher Speicher fürs Haus noch 500 bis 1000 Euro pro Kilowattstunde kostet. Um als Stromspeicher für den Hauskreislauf fungieren zu können, muss das Elektroauto mit einer bidirektional ladefähigen Batterie ausgestattet sein. "Da gibt es noch rechtliche Hürden, aber daran wird derzeit gearbeitet", sagt Ruckdeschel. "Es ist leider im Energierecht bei uns immer komplizierter als anderswo." In Japan versorgen Elektroautos von Mitsubishi bereits heute erfolgreich die Haushalte mit Strom. Noch gibt es aber nicht viele Pkw-Modelle.