"Heinzelmännchen": Geburtstag im Paradies im Hinterhof
Autor: Katharina Müller-Sanke
Kulmbach, Freitag, 19. Juni 2015
Weil es zu wenige Plätze gab, gründeten Kulmbacher Eltern hinterm Kino einen eigenen Kindergarten. Heuer werden die "Heinzelmännchen" 20 Jahre alt.
Vor dem Holztor in einer Seitengasse hinter dem Cineplex deutet noch fast nichts darauf hin, was sich hinter dieser schmucklosen Fassade verbirgt. Nur diese kleine Tür trennt die düstere Gasse draußen vom Hinterhof. Hier ist es bunt, es riecht nach Blumen und Natur, Kinderlachen ist zu hören, man sieht Klettergerüste, Schaukeln und vieles mehr, was Kindern Spaß macht. Es könnte der Hof einer fröhlichen Großfamilie sein.
Tatsächlich ist es der Außenbereich der Kindertagesstätte Heinzelmännchen in Kulmbach. 14 Kinder werden hier in einer ehemaligen Wohnung betreut. Seit 20 Jahren gibt es die Einrichtung. Damals wurde das Konzept eigentlich mehr aus der Not geboren: 60 Kindergartenplätze fehlten 1995 allein in Kulmbach. Viele Eltern waren verzweifelt und auch sauer. Zahlreiche Leserbriefe wurden geschrieben.
Unterstützung durch Freistaat
Zum Beispiel auch von Cynthia Milz. Die junge Mutter war damals ziemlich genervt. "Mit ein paar anderen habe ich beschlossen: Wenn es keine Plätze in den bisherigen Einrichtungen gibt, dann machen wir eben unseren eigenen Kindergarten auf." Ein mutiger Schritt. Der Freistaat Bayern hat sie dabei im Rahmen des Programms "Netz für Kinder" unterstützt. Insgesamt 150 Elterninitiativen dieser Art sind damals bayernweit ins Leben gerufen worden. Der Clou: Die Kindertagesstätte wird von den Eltern selbst über einen Verein betrieben. Die Eltern treffen alle Entscheidungen, stellen Personal ein und packen auch selbst Alltag mit an.
Der Vorteil für den Staat liegt auf der Hand: Die weiteren Plätze konnten damals schnell und unkompliziert geschaffen werden. Und: Sollten einmal weniger Plätze benötigt werden, brauchen keine großen Kindergärten geschlossen werden. Nur neun Wochen hat es gedauert von der Idee bis hin zur Eröffnungs. Selbstverständlich steht der Verein unter staatlicher Aufsicht. "Die Regierung von Oberfranken hat die Räumlichkeiten und den Garten abgenommen," erinnert sich Cynthia Milz. "Dann konnte es losgehen!"
"Es ist bei uns wie in einer großen Familie"
"Es ist bei uns wie in einer großen Familie", so Erzieherin Anja van Avondt. "Wir betreuen Kinder von zwei bis zwölf Jahren, aber nie mehr als 15 gleichzeitigr. Eine überschaubare Gruppe." Anja von Avondt ist als gelernte Erzieherin mit Montessori-Diplom die Konstante im Kindergartenalltag. Für Bürozeiten oder Elterngespräche hat sie außerdem eine Teilzeitkraft und oft auch eine Praktikantin an ihrer Seite.
Das Besondere bei den Heinzelmännchen: Auch die Eltern arbeiten mit. "Manche machen zwei Dienste im Monat - das ist das Mindestmaß - andere kommen häufiger," so die Erzieherin. "Das wird bei uns ganz flexibel geregelt. Wie es jeder leisten kann."
Probleme gibt es kaum. Und auch sonst sehen die Eltern die Vorteile und schönen Seiten der engen Bindung an den Kindergarten. "Wir kennen uns untereinander alle sehr gut. Ich weiß, aus welchen Familien die Kinder kommen, die mit meinem Sohn den Tag verbringen," so Sonja Schlund. Sie hatte bereits ihren ersten Sohn in der Einrichtung. Auch Sprössling Nick wird hier betreut. Oft passt auch seine Mutter im Kindergarten auf ihn und seine Kumpels auf.
Konzept hat Schule gemacht
Das enge Verhältnis zu den anderen Eltern überzeugt die Mutter und hat auch damals Cynthia Milz überzeugt. "Wenn man im Kindergarten mit Dienst tut und mit den Kleinen Zeit verbringt, bekommt man tiefe Einblicke, wie andere Eltern erziehen", erinnert sich Milz. "Aber man bekommt auch oft den Spiegel vorgehalten." Einig sind sich alle: Die Arbeit im Kindergarten erweitert den eigenen Horizont und die Betreuung durch die Eltern erweitert auch den Horizont der Kinder.
Die Heinzelmännchen haben mit ihrem Konzept auch Schule gemacht. Einige Jahre später hat sich mit der Kindertagesstätte "Lummerland" ein ähnlicher Verein gegründet.