Heinersreuth wird Energiedorf
Autor: Sonny Adam
Heinersreuth, Donnerstag, 26. Juli 2012
Das Nahwärmenetz im Pressecker Ortsteil soll auch Strom erzeugen.
Ob es nun 19 oder 20 Anschlussnehmer sein werden, ist noch in der Schwebe. Aber auf jeden Fall werden sich mindestens 24 Liegenschaften in Heinersreuth bei Presseck zu einem Nahwärmenetz zusammenschließen.
In einer Scheune im Ortskern wird ein Biomassekraftwerk entstehen, das mit heimischen Hackschnitzeln betrieben wird. Kernstück ist ein 400 Kilowatt starker Kessel. Hinzu kommt eine thermische Leistung von weiteren 66 Kilowatt, die ein Holzvergaser erzeugt. Dieser ist der Clou der Anlage, denn er wird zusätzlich 30 Kilowatt Strom erzeugen, erläutert Wolfgang Degelmann von der Energie Vision Frankenwald. Da der Holzvergaser 7000 Stunden im Jahr läuft, werden 210 000 Kilowattstunden Strom erzeugt. Und das ist bei einem durchschnittlichen Verbrauch von 3000 Kilowattstunden pro Haushalt mehr als die Beteiligten des Nahwärmenetzes überhaupt benötigen.
"Wir speisen den Strom ins Netz ein und bekommen für die nächsten 20 Jahre 20,3 Cent pro Kilowattstunde dafür", so Degelmann.
Gründung binnen zwei Wochen
Schon am Freitag lassen sich die Interessenten in punkto Gesellschaftsform beraten. Zur Diskussion steht eine Genossenschaft oder eine GmbH & Co.
"Die Kombination von Wärme und Strom war von Anfang an angedacht, aber wird sind hier einzigartig in Oberfranken", sagt Ludwig Freiherr von Lerchenfeld erfreut, der seine Scheune zur Verfügung stellen, Hackschnitzel liefern und sechs Liegenschaften ans Nahwärmenetz anschließen wird.
"Wenn aus dem Ort nicht der Antrieb gekommen wäre, hätten wir das Projekt nicht verwirklichen können", erklärt Bürgermeister Siegfried Beyer. Die Kombination Wärmegewinnung und Stromerzeugung sei neu und einzigartig. "Die Holzvergasertechnik ist aus der Experimentierphase draußen, aber es gibt noch nicht viele Anlagen", erläutert Wolfgang Degelmann von der Energie Vision Frankenwald. Deshalb habe das Projekt in Heinersreuth Modellcharakter für die Region.
Unterdessen arbeiten die Interessenten und künftigen Mitglieder des Nahwärmenetzes mit Feuereifer an der Umsetzung. Willibald Gareis (63) hat in seinem Privathaus, das nur wenige Meter vom Zentrum der künftigen Nahwärmeversorgung entfernt liegt, erst vor vier Jahren eine neue Heizung eingebaut. "Eine Ölheizung, aber den Kessel kann man ja wieder veräußern", sagt er. Insgesamt braucht er rund 3500 Liter Heizöl im Jahr. Und diese Kosten können in Zukunft reduziert werden. "Aber mir ist auch der Strom wichtig", so Gareis, der dafür pro Jahr wohl 300 Euro weniger zahlen muss. Hinzu kommt eine Ersparnis von 750 Euro für die Heizung: "Das merkt man schon."
Auch Karl Wirth (65) hat die Kombination aus Wärme und Strom überzeugt. "Ich habe erst 2007 eine neue Öl-Holz-Heizung einbauen lassen und 20 000 Euro investiert. Ich wäre nicht dazu gegangen, wenn die Sache mit der Stromerzeugung nicht wäre", sagt Wirth und sieht die Ersparnis hier als wichtigen Faktor für seinen Gasthof an.
Und auch bei Burkhard Wunner (69) war es die Kombination. Wunner heizt sein Haus an der Hauptstraße mit Strom und Öl. "Ich denke, ich kann beim Strom viel sparen", sagt er, betont aber, dass auch ein bisschen Idealismus dabei ist. Denn er wolle etwas für die Umwelt tun.
Ein echter Glücksfall ist der Bau des Nahwärmenetzes für Helmut Schott. Denn für den 66-Jährigen kommt der Zeitpunkt genau richtig. "Ich habe sowieso damit gerechnet, dass die Heizung irgend wann erneuert werden muss, aber ich war mir noch nicht schlüssig, welche Art ich wähle - Holzpellets oder Hackschnitzel."
Klaus Heidenreiter (49) gehört zu den jüngeren Gesellschaftern. "Ich habe ein Ölheizung, brauche aber eigentlich, weil mein Haus gut isoliert ist, wenig Öl", erläutert er. Aber er ist überzeugt, dass sich die Investition rechnet.
Nicht nur der Ortskern ist mit von der Partie, sondern auch aus der Siedlung wollen sich etliche Anwesen anschließen lassen. Peter Kuhn (69) will Solidarität zeigen und die Dorfgemeinschaft stärken. Allerdings ist er nicht gerade ein Vielverbraucher. Denn er lebt mit seiner Frau allein im Haus, benötigt, da er noch zwei Kaminöfen hat und im Winter auch nicht das gesamte Haus beheizt, rund 1200 Liter Öl. Trotzdem ist er Feuer und Flamme für das Konzept.
"Wir sind hier eines der größten zusammenhängenden Waldgebiete. Es kann doch nicht sein, dass wir dieses Potenzial nicht nutzen", sagt Ludwig Freiherr von Lerchenfeld. Er setzt sich als CSU-Landtagsabgeordneter auch politisch für das Projekt ein. Im Zuge der Erdarbeiten könnte, bei Interesse, auch gleich schnelles DSL mit in die Erde gelegt werden.
Geld für private Investitionen?
Und noch eine Idee hat der Baron: Er will versuchen, dass durch die Bauarbeiten Heinersreuth in das Dorferneuerungsprogramm aufgenommen wird. "Ich könnte mir vorstellen, dass dann auch private Investitionen wie Fassadensanierung, Zaunerneuerung, Neugestaltung der Hofeinfahrten gefördert werden. Man muss das Konzept ganzheitlich sehen", betont er.
Als nächster Schritt wird nun eine Machbarkeitsstudie, die Voraussetzung für die Beantragung der Mittel bei der KfW-Bank ist, in Auftrag gegeben. Ende August, spätestens Anfang September, soll dann Baubeginn sein. Dass rechtzeitig bis zum Winter das Netz steht, davon geht allerdings keiner der Beteiligten aus. Doch es wird der letzte Winter mit herkömmlicher Heizung sein.