Heiner Geißler in Kulmbach: "Ich hatte die Chance, etwas zu verändern"

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"Die Zuwanderung kann für uns eine echte Chance sein." Heiner Geißler fand bei seinem Vortrag klare Worte zu aktuellen Themen, die er jeweils in den geschichtlichen Kontext zur Zeit Luthers setzte. Fotos: Uschi Prawitz
"Die Zuwanderung kann für uns eine echte Chance sein." Heiner Geißler fand bei seinem Vortrag klare Worte zu aktuellen Themen, die er jeweils in den geschichtlichen Kontext zur Zeit Luthers setzte. Fotos: Uschi Prawitz
Am Ende seines Vortrags stand Heiner Geißler den Zuhörern noch Rede und Antwort und signierte stapelweise Bücher.
Am Ende seines Vortrags stand Heiner Geißler den Zuhörern noch Rede und Antwort und signierte stapelweise Bücher.
 

Heiner Geißler sprach am Montagabend in der Kulmbacher Buchhandlung Rupprecht. Er findet klare Worte, wenn es um Globalisierung, Macht und Geld geht.

Was müsste Luther heute sagen? Diese Frage stellt sich Heiner Geißler in seinem neuen Buch, das er im Rahmen eines Vortrags am Montagabend in der Kulmbacher Buchhandlung Rupprecht präsentierte. Gedanken über das Seelenheil, die Verflechtung von Kirche und Geld und die Kunst von Pussy Riot - ein wandelndes Geschichtsbuch erzählte aus seinem Leben.

Gespanntes Warten herrschte am Montagabend in der voll besetzten Buchhandlung Rupprecht - auf einen, der über Jahrzehnte das politische Umfeld der Bundesrepublik entscheidend mitbestimmt hat: Heiner Geißler. Von Applaus und Buchhändlerin Maria Rupprecht begleitet, nahm er schließlich an seinem Rednertisch Platz und überließ der Hausherrin die Einführung.


Voller Terminkalender

"Viele lehnen sich zurück, wenn sie älter werden", sagte Maria Rupprecht, "aber er hat noch immer einen vollen Terminkalender." Risikobereitschaft, Mut und Selbstvertrauen sind die Eigenschaften, die sie dem Menschenrechtler zuspricht, und das nicht zuletzt nur wegen der gewagten Sportarten wie Klettern oder Gleitschirmfliegen, die der inzwischen 85-Jährige sein Leben lang praktiziert hat.

Heute treiben ihn ganz andere Gedanken um. Geißler beschäftigt sich mit den Themen Kirchenspaltung, Nächstenliebe und Menschenrechtsverletzung und findet ganz klare Worte, wenn es um Globalisierung, Macht und Geld geht. Man merkt, da sitzt noch immer der Rebell, der streitbare Demokrat, der er sein Leben lang war, und das tut gut.

"Die Globalisierung ist keine Einbahnstraße", ermahnte er und wies angesichts der Flüchtlingskrise darauf hin, dass Deutschland schon immer ein Volk der Mitte und damit ein Land der Zuwanderung gewesen sei. "Schließlich hat das zur Hochkultur unseres Landes beigetragen." Das Gebot der Nächstenliebe sei keine Gefühlsduselei. Es verlange, Menschen in Not zu helfen - das könne jeder praktizieren und damit seinem Leben einen Sinn geben.


"Grundgesetz respektieren"

Aber er betonte auch, dass alle, die als Moslems bei uns leben möchten, unser Grundgesetz achten und respektieren müssten. "Und das bedeutet auch, dass Mädchen zur Schule und ins Schwimmbad gehen dürfen", sagte Geißler und kam damit zurück auf Luther, der damals mit seiner Reformation (ungewollt) für die Emanzipation der Frau eingetreten ist.

Die Gleichberechtigung der Frau ist und war dem ehemaligen CDU-Generalsekratär ein wichtiges Anliegen, denn seiner Meinung nach wird keine Bevölkerungsgruppe der Welt derart intensiv diskriminiert, wie es bei Frauen der Fall ist. Dafür trügen die prophetischen Weltreligionen die Verantwortung. Luther brach einst mit dieser Anti-Frauen-Tradition, und nicht nur deshalb ist Heiner Geißler der Ansicht, er hätte uns heutzutage viel zu sagen.


Die Ursachen für vieles Elend

"Die Welt, in der wir leben ist nicht geprägt von christlichen Werten", sagte der einstige Jesuitenschüler Geißler und prangerte Geiz, Gier und Geld als Ursachen für vieles Elend an. "Wenn wir beispielsweise in Afrika mit subventionierten Agrarexporten die dortigen Kleinbauern kaputt machen, brauchen wir uns nicht zu wundern, dass sie dort weggehen." Man müsse die Ursachen beseitigen, aber das könne die Politik allein nicht lösen. "Wir brauchen endlich eine Einigung der Kirche", plädierte Heiner Geißler. "Zwei Milliarden Menschen bekennen sich zu ihr, aber sie übt keine Macht aus, weil sie gespalten ist."

Was müsste Luther also heute sagen? "Macht nicht die gleichen Fehler wie wir vor 500 Jahren! Redet auf Augenhöhe miteinander", meint Heiner Geißler. Und das scheint ein Lebensmotto zu sein, das der Politiker sein Leben lang verfolgte. Er kann heute beruhigt zurückblicken und sagen: "Ich hatte die Chance, etwas zu verändern." Und er hat diese Chance genutzt.