Hat die Dorfgaststätte noch Zukunft?
Autor: Alexander Hartmann
Buchau, Montag, 12. Oktober 2015
Nicht allein die Einführung eines reduzierten Steuersatzes kann das Wirtshaussterben stoppen. Die Politik, die Gesellschaft und die Wirte selbst sind gefordert, sagt der Präsident des Gaststättenverbandes, Ulrich N. Brandl, bei seinem Besuch im Landkreis Kulmbach.
Es sei nicht leicht gewesen, die Gastwirtschaft wieder zum Laufen zu bringen. "Als wir sie vor zwölf Jahren übernommen haben, war sie im Keller", sagt der Wirt der Gaststätte "Zum Paul" in Buchau, Alfons Kraus. Heute sei er zufrieden. "Jetzt kommen wieder Leute, die zuletzt vor 20 Jahren in der Wirtsstube waren", berichtet Kraus, der seine Gäste mit Wild- und Fisch-Spezialitäten lockt.
Aus den Erfahrungen, die er zusammen mit seiner Frau Birgitt in der Gastronomie gesammelt hat, hat er Konsequenzen gezogen. Das Wirtshaus rund um die Uhr zu öffnen, sei wirtschaftlich nicht rentabel. "Wir haben unsere Öffnungszeiten reduziert, sind Dienstag bis Samstag nur noch ab 16 Uhr, an Sonn- und Feiertagen ab 10 Uhr da." Finanziell trage sich das, erklärt der Pächter, der an der Schänke und am Herd seinen Mann steht.
Kreativität ist gefragt
Das Buchauer Beispiel zeige, dass Wirtshäuser dann, wenn die Urtümlichkeit bewahrt werde und die Betreiber flexibel seien, eine Chance haben. Das betont Ulrich N. Brandl, der Präsident des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes. Der Verband hatte am Montag zusammen mit Landtagsabgeordnetem Martin Schöffel (CSU) zu einer Diskussion über die Zukunft der Gastronomie eingeladen. "Genuss mit Geschichte? Die Wirtshauskultur im Wandel" lautete das Thema des Treffens, bei dem deutlich wurde, dass das Wirtshaussterben gerade das flache Land trifft. Pro Jahr machen laut Brandl in Bayern 500 Gaststätten dicht. Dabei hätten Betriebe, die die Gastrokultur modern interpretierten, eine Zukunft. Kreativität sei gefragt. So könnten sich Wirte etwa durch Catering neue Absatzmärkte oder durch den Aufbau einer Kleinkunstbühne neue Zielgruppen erschließen, sagt der Präsident.
Die Bürokratie belastet
Für Bezirkvorsitzende Andrea Luger ist der Wirt Seelentröster, seine Stube Austausch- und Begegnungsstätte. Damit die Wirtshauskultur erhalten bleibt, dürfe die Politik der Branche keine weiteren Steine in den Weg legen. Wie Brandl fordert auch Luger einen Bürokratieabbau sowie die Einführung eines reduzierten Steuersatzes, wie es ihn in der Hotellerie bereits gibt. "Den brauchen viele Wirte, um existieren zu können." Doch auch die Gesellschaft sei gefragt. Sie müsse der Arbeit in der Gastronomie mehr Wertschätzung entgegenbringen und sollte bereit sein, für Qualität tiefer in den Geldbeutel zu greifen.
Das sagt der Abgeordnete
Dass er sich gegen immer neue Auflagen wehrt, erklärt MdL Martin Schöffel. Kleineren Betrieben dürften nicht die selben hohen Auflagen erteilt werden wie großen Unternehmen, sagt der Abgeordnete, der damit eine Forderung des Gaststättenverbandes aufgreift. Schöffel: "Je kleiner ein Betrieb ist, desto besser funktioniert die Kontrolle. Die übernimmt der Gast."Dass sich dort, wo es keine Gaststätten mehr gibt, eine große Lücke auftut, machen Kreisvorsitzender Stephan Ertl und der Guttenberger Bürgermeister Eugen Hain deutlich. In Guttenberg wurde das letzte Wirtshaus vor drei Jahren geschlossen. Alle Versuche, das Objekt wieder zu beleben, seien gescheitert, so Hain: "Ich habe selbst sogar Zeitungsannoncen aufgegeben." Nun werde die "zweitbeste Lösung" verfolgt. Um einen Wirtshaus-Ersatz zu erhalten, wolle man mit staatlicher Förderung einen Dorftreff einrichten.
Hain sieht das Problem auch auf viele weitere Orte zukommen. Das Grundproblem sei dabei der demographische Wandel. Die Politik sei gefordert, durch ihre Strukturpolitik den Landstrichen, die vom Bevölkerungsrückgang besonders stark betroffen seien, eine besondere Hilfe zu gewähren.