Druckartikel: Guttenberger holen sich ein Stück Wirtshauskultur zurück

Guttenberger holen sich ein Stück Wirtshauskultur zurück


Autor: Redaktion

Guttenberg, Montag, 24. Februar 2020

Mit dem Umbau der alten Schule in ein Dorfgemeinschaftshaus ist Guttenberg der große Wurf gelungen.
Die kreativen Frauen des Gartenbauvereins töpfern in dem neuen Dorftreff. Foto: privat


Ländliche Regionen haben es schwer. Die Jugend wandert ab, Geschäfte schließen, Wirtshäuser sterben, Vereine lösen sich auf. Das einst florierende soziale Leben erlischt, und die Dörfer werden zu reinen Wohn- und Schlafstätten. Doch was tun gegen die Agonie?

Vorbild für andere

Guttenberg hat einen erfolgreichen Weg gefunden, der auch für andere ein Vorbild sein kann. Sein vor wenigen Monaten eröffneter Dorftreff haucht der Gemeinschaft aus nicht einmal 500 Bürgern neues Leben ein.

Die zunehmende Verödung machte dem Rat der kleinsten oberfränkischen Gemeinde Sorge. Als 2012 auch noch das letzte verbliebene Wirtshaus, die "Post", schloss, hatten die Einheimischen so gut wie keine Möglichkeit mehr, sich auf neutralem Boden zu einem geselligen Zusammensein zu treffen.

Fast alle im Ort waren dafür

Eine Lösung des Dilemmas deutete sich 2018 an: Das ehemalige Schulgebäude wurde frei. Damit schlug die Geburtsstunde für den heutigen Dorftreff. Der Gemeinderat einigte sich darauf, eine kleine Gaststätte einzubauen und ein Gemeinschaftshaus zu gründen. Die Entscheidung fiel nicht aus der hohlen Hand: "Wir hatten alle Bewohner und die Vereine eingeladen, damit sie sich äußern konnten, wie sie zu solchen Vorstellungen stehen. Mit ganz wenigen Ausnahmen waren alle dafür", erinnert sich Bürgermeister Eugen Hain.

Doch wie finanzieren? Für die kleine Ortschaft mit ihren 480 Einwohnern wären die Sanierung und der Umbau zu einer kaum stemmbaren Herkules-Aufgabe geworden. Hilfe nahte aus München, wo die Staatsregierung ein Millionenprogramm für exakt derartige Vorhaben auflegte: die Förderkulisse Nord-Ost-Bayern. Mithilfe dieser Mittel konnte der Rat das ehrgeizige Projekt angehen. Von der Gesamtbausumme von 800 000 Euro musste die Kommune nur ein Viertel tragen. Die Förderkulisse lag bei 90 Prozent der zuschussfähigen Kosten.

Ausgestattet mit diesem komfortablen Finanzpolster nahm man das Projekt in Angriff. Eine neue Heizung wurde eingebaut, das Dach saniert, Wärmedämmung angebracht. Im Inneren entstanden ein Saal und eine kleine Wirtschaft mit Küche. Draußen befestigte man die Zufahrtswege, schuf Parkplätze und legte eine großzügige Terrasse an. Das Amt für Ländliche Entwicklung billigte das Konzept nur mit Rücksicht darauf, dass Guttenberg kein eigenes Wirtshaus mehr hatte. Der Bürgermeister: "Wir mussten Überzeugungsarbeit leisten."

Sehr gut etabliert

Am 13. Oktober war es dann so weit: Der Dorftreff, so der offizielle Name, wurde seiner Bestimmung übergeben. Mittlerweile hat sich die neue Einrichtung sehr gut etabliert. Die Gemeinde betreibt die Wirtschaft, und Eugen Hain selbst betätigt sich am Ausschank. Unterstützt wird er von drei Damen, die als Teilzeitkräfte arbeiten.

Sie haben gut zu tun: An sieben Abenden pro Woche ist geöffnet, bewirtet wird von 16 bis 21 Uhr. Das hat sich herumgesprochen, und so nutzen immer mehr Gäste - auch von außerhalb - das Angebot. Man kann die Räume mieten, um etwa Familienfeiern auszurichten. Aber auch den Vereinen steht die neue Einrichtung offen. So versammelt sich dort die Feuerwehr immer montags, die Yoga-Gruppe nutzt eines der drei ehemaligen Klassenzimmer.

Eine Kreativ-Gruppe des Gartenbauvereins töpfert. Gut gelungen war die Dorfweihnacht, und erstmals seit fünf Jahren begingen die Guttenberger mit der Feuerwehr Maierhof wieder einen großen Faschingsabend mit Programm.

Ansprechende Atmosphäre

Inzwischen hat sich so etwas wie ein Stammpublikum herausgebildet. Damen treffen sich sonntags zum Kaffeekränzchen, die Schafkopf-Karter sind froh, eine neue Heimstatt gefunden zu haben. Für Getränke ist gesorgt, und wenn der Magen knurrt, liefert die Küche von der Brotzeit angefangen bis zum Schnitzel viele Speisen.

Die ansprechende Atmosphäre ist im Grunde genommen der Kern dessen, was die Gemeinde mit ihrem Vorstoß erreichen wollte: "Unser Ziel war es, wieder ein Stück Wirtshauskultur zurückholen - mit allem, was dazugehört", unterstreicht Eugen Hain. Ihm ist es nicht bange um die Zukunft des Dorftreffs. Immer wieder flattern neue Anfragen auf seinen Tisch: Mal ist es eine Jagdgenossenschaft, dann der örtliche Fischclub oder eine Gesellschaft, die Konfirmation feiern möchte. Das Konzept geht nicht nur organisatorisch gut auf, sondern auch finanziell.

Obwohl die Startphase noch nicht vorüber ist, rechnet Hain nur mit einem kleinen, überschaubaren Minus. Gewinne einstreichen will die Kommune eh nicht. "Alles hat sich sehr gut entwickelt. Aber wir sind nicht profitorientiert, sondern wollen nur kostendeckend arbeiten."

Eugen Hains Vermächtnis

Doch ausruhen auf den Lorbeeren wollen sich die Guttenberger nicht. Noch gibt es Räume, die nicht dauerhaft belegt sind. Allerdings deuten sich auch schon für sie neue Nutzungsmöglichkeiten an, lässt der Bürgermeister durchblicken. Die Bandbreite der Verwendungsmöglichkeiten ist groß. Und sie sind nicht nur gastronomisch-geselliger Art. So werden am 15. März die Guttenberger im Wahllokal des Dorftreffs drüber entscheiden, wer ihre Gemeinde in die Zukunft führt.

Eugen Hain wird es nicht mehr sein. Mit seinen 70 Jahren will er den Chefsessel in der Gemeindekanzlei einem Jüngeren überlassen. Mit dem neuen Gemeindetreff aber hat sich der amtierende Bürgermeister Meriten erworben, deren positiven Auswirkungen weit in die Zukunft reichen ...