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Gruselbilder: Ob das die Raucher schockt?


Autor: Jochen Nützel

Kulmbach, Donnerstag, 02. Juni 2016

Die EU macht nun ernst mit den Gruselbildern. Die Tabakhändler, aber auch Kunden zweifeln an der abschreckenden Wirkung.
Drastisch geht es bald zu auf Zigarettenverpackungen und Tabaktütchen: Die EU-Tabakrichtlinie verpflichtet die Produzenten, mit großen Schockbildern auf die Gesundheitsgefährdung durch das Rauchen aufmerksam zu machen. Foto: Jonas Güttler/dpa


Selbst die meisten Darsteller jenes so lässig anmutenden Marlboro-Mannes aus den Werbespots der 1970er und 1980er sind ein Opfer der Raucher-Krankheit geworden: Lungenkrebs. Wayne McLaren, der diese Figur 1976 in einer Kampagne spielte und wohl den meisten Kinogängern in Erinnerung ist, starb nach langjährigem Zigarettenkonsum 1992 im Alter von 51 Jahren. Ebenso wie David Millar, David McLean und Eric Lawson. Sie alle verkörperten in Zeitungsannoncen oder Filmeinspielern den quarzenden Cowboy, der mit Fluppe im Mundwinkel den Inbegriff von Freiheit suggerieren sollte.

Vorbei. Marlboro - das wird eine jener großen Marken sein, die nicht mehr mit Lagerfeuerromantik werben dürfen, sondern übergroße Schockbilder auf ihre Produkte drucken müssen. Die Tabakrichtlinie der EU gibt es vor. Statt Genuss verheißender Botschaft nehmen Fotos zersetzter Raucherlungen, bis auf die Stümpfe verfaulter Zähne oder abgestorbener Zehen zwei Drittel der Packung ein. Ob das die erhoffte Wirkung zeigt und die Raucher vom Glimmstängel abbringt?


Sind die Gruselschachteln sinnvoll?

Simone Jeuthe, Inhaberin von Tabak John in der Langgasse, hat von ihren Kunden bislang noch keine Resonanz auf die angekündigten Gruselschachteln bekommen. Sie selber hält die Vorgaben für unsinnig. "Wenn man das konsequent zu Ende denkt, müsste auf jede Flasche Bier oder Schnaps ein solcher Hinweis drauf, schließlich ist Alkohol auf Dauer und im Übermaß auch gesundheitsschädlich." Als Händlerin habe sie freilich keinerlei Handhabe gegen die Auflagen aus Brüssel. "Ich dachte ja, die Tabaklobby sei stark, aber selbst die Größten der Branche konnten nichts dagegen ausrichten."

Noch hat sie keine der neuen "Gruselschachteln" im Laden, da den Herstellern eine einjährige Übergangsfrist eingeräumt wurde, in der sie die bereits produzierten Packungen abverkaufen dürfen. Simone Jeuthe, die selber Nichtraucherin ist, erinnert sich an die Zeit, als die ersten schriftlichen Warnhinweise auf den Schachteln prangten. "Das war anfangs bei den Rauchern kurz ein Thema und dann war es gut. Mit den Fotos wird sich der Schockeffekt ebenfalls in Grenzen halten."


Studie: Abschreckung ist belegt

Außerhalb der EU, beispielsweise in Australien und den USA, "zieren" die Schockbilder schon seit einigen Jahren die Packungen. Es gibt dort Untersuchungen zur Wirkung auf den Verbraucher. Gemäß einer Studie der Ohio State University sollen die drastischen Darstellungen durchaus Auswirkungen auf die Konsumenten haben. Diese gaben in Befragungen an, mehr negative Gefühle zu verspüren im Vergleich zu den Rauchern, denen man die Schachteln mit dem bloßen Warntext gab. Die Bilder veranlassten die Probanden offenbar, sich Gedanken zu machen über die eigene Gesundheit und die giftige Inhaltsstoffe im Tabak, was letztlich sogar die Tendenz zum Abgewöhnen ihrer Sucht verstärkt habe.

Das glaubt Winfried Pfeiffer nicht. Der 74-Jährige ist seit 15 Jahren Inhaber mehrerer Tabakgeschäfte, darunter Tabak Ködel in der Webergasse. Der gelernte Handwerker aus Himmelkron sagt, gerade die Australier hätten sich trotz der Fotos nicht vom Rauchen abhalten lassen, wie die Verkaufszahlen belegten. Pfeiffer nimmt auch nicht an, dass das Rauchverlangen der Deutschen geschmälert wird.

Er kenne das von sich selber. "Ich habe als junger Mann mit dem Rauchen angefangen, damals war das gang und gäbe. 30 Jahre war ich starker Raucher, dann habe ich aus Gesundheitsgründen aufgehört. Das ist mir wichtig zu betonen: Der mündige Verbraucher, und damit meine ich den Erwachsenen, sollte das Recht haben, über sein Leben selber zu bestimmen."


Das Rauchen besitzt eine Doppelmoral

Gerade beim Thema Rauchen herrsche eine gewisse Doppelmoral vor. "Es wird politisch verteufelt - aber wie selbstverständlich wird die Tabaksteuer eingestrichen." Pfeiffer spricht von insgesamt 17 Milliarden Euro pro Jahr, die die Produzenten respektive der Handel in die Staatskassen spülten. Gegner hantierten zudem mit Unwahrheiten und Verdrehungen. "Bestes Beispiel: die E-Zigarette. Sie ist erwiesenermaßen bis zu 95 Prozent unschädlicher als ihr Tabak-Pendant, nach Berechnungen gibt es dadurch bis zu 15000 weniger Tote, die an den Folgen des Nikotinkonsums sterben. Trotzdem wird das Produkt bekämpft."

Und wenn die neuen Schock-Packungen kommen? "Es gibt Möglichkeiten etwa durch die Platzierung", sagt Pfeiffer. Man könne die Packungen schräger stellen oder mit Abdeckhalterungen arbeiten, damit die Frontseiten dem Konsumenten nicht frontal präsentiert werden. "Aber die Fotos dürften wohl schnell genauso ignoriert werden wie die Warnsprüche."

Dem pflichtet auch Frank Wilzok bei. Kulmbachs Dritter Bürgermeister ist bekennender Raucher - und bleibt es, Gruselfotos hin oder her. "Ich sehe das, was da abgebildet ist, ja des Öfteren im Original, wenn ich als Anästhesie-Krankenpfleger im Operationssaal tätig bin." Aber selbst das habe ihn bislang nicht vom Glimmstängel kuriert. "Ich bin starker Raucher, eine Schachtel am Tag brauche ich schon."

Wilzok habe schon Versuche gestartet aufzuhören - unter anderem unter Zuhilfenahme von Nikotinpflastern. "Ich habe mir die draufgepappt und trotzdem weitergeraucht. Nachts im Bett merkte ich, dass ich zitterte. War wohl eine Nikotin-Überdosierung. Ich habe dann natürlich - genau - das Pflaster weggelassen." Seine Frau und Kinder versuchten ihn mehrfach zum Abgewöhnen zu bewegen. "Ich weiß natürlich, dass Rauchen schädlich ist, das erzähle ich auch in meinen Gesundheitskursen. Bei mir selber muss es wohl erst ,klick' machen im Kopf."

Beschluss Die Richtlinie für Tabakerzeugnisse trat am 19. Mai 2014 in Kraft und wurde am 20. Mai 2016 in den Mitgliedsstaaten geltendes Recht. Sie enthält Vorschriften über Herstellung, Aufmachung und Verkauf von Tabakerzeugnissen. Dazu gehören Zigaretten, Drehtabak, Pfeifentabak, Zigarren, Zigarrillos, nicht zum Rauchen bestimmter Tabak, E-Zigaretten und pflanzliche Raucherzeugnisse. Die Richtlinie besagt, dass Zigaretten und Drehtabak mit charakteristischen Aromen generell verboten werden, spätestens ab Mai 2020; dazu zählen auch die Menthol-Produkte, wie sie etwa Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt zu rauchen pflegte. Die Warnhinweise (Abbildung und Text zusammen) müssen 65 Prozent der Packungsvorder- und -rückseite bedecken. Quelle: EU