Druckartikel: Grüner Daumen braucht Zeit

Grüner Daumen braucht Zeit


Autor: Dagmar Besand

Melkendorf, Freitag, 05. Juni 2015

Ob wir es wollen oder nicht: Unsere Gärten sind Verräter! Sie sind Spiegel unserer Lebenseinstellung - so bunt, extravagant, witzig, formell, chaotisch und einfallsreich wie wir, die sie gestalten.
BR-Redakteurin Dagmar Besand zu Besuch bei Annemarie Heidenreich (links). Die 72-Jährige hat zwei grüne Daumen und sorgt in ihrer Pflanzen-Kinderstube stets für Nachwuchs in den Beeten. Foto: Barbara Herbst


Mir macht es viel Freude, die Menschen hinter den grünen und blühenden Paradiesen kennenzulernen, und so besuche ich dieses Jahr Rundschau-Leser in ihren Traumgärten. Auffällig ist: Selbst stille Zeitgenossen werden beim Thema Garten gesprächig. Und als Einsteigerin, die gerade erst angefangen hat, ihr eigenes Garten-Spiegelbild zu zaubern, freue ich mich, wenn ich von "alten Hasen" etwas lernen kann.

Zwei Dinge habe ich im Heidegarten des Ehepaars Heidenreich in Melkendorf gelernt. Erstens: Pflegeleicht heißt nicht steril! Auch ohne von früh bis spät hinter dem Unkraut her zu sein, kann man einen Garten haben, in dem es überall blüht und jeden Tag etwas Schönes zu entdecken gibt.

Zweitens: Geduld! Während ich schon bei zweijährigen Pflanzen kaum warten mag, bis sich die ersehnte Blüte zeigt, hat Annemarie Heidenreich die Ruhe weg.

Die 72-Jährige zieht aus einem wenige Zentimeter langen Trieb einer Weinrebe, mitgebracht aus dem Urlaub, einen stattlichen neuen Rebstock heran. Dass es acht Jahre dauert, bis er - vielleicht - erste Früchte trägt, stört die Rentnerin nicht. Ihr kommt es allein darauf an, dass ihr Zögling gut gedeiht, und sie freut sich über einen neuen Austrieb als wäre er eine Schüssel voll köstlicher Trauben.

Frau Heidenreich, Sie sind mein Vorbild!