Große Koalition: Geteilte Meinung bei Kulmbacher SPD
Autor: Jochen Nützel
Kulmbach, Dienstag, 03. Dezember 2013
Der Berliner Koalitionsvertrag liegt vor - jetzt soll die SPD-Basis für das schwarz-rote Zweckbündnis grünes Licht geben. In Stadt und Landkreis Kulmbach sind die Meinungen geteilt, wie eine Umfrage bei den Genossen zeigt.
Im "Weberhof" werden nicht-politische Gäste am Mittwoch Abend rot sehen. Denn in die Gaststätte in Petzmannsberg schwärmen zuhauf Sozialdemokraten aus Stadt und Landkreis. Simon Moritz, Unterbezirksvorsitzender für Kulmbach, hat dazu eingeladen. Anette Kramme, Bayreuther Bundestagsabgeordnete, gesellt sich dazu und stellt ab 19.30 Uhr den Parteimitgliedern den Koalitionsvertrag vor. Werben für ein Regierungsbündnis mit der Union inklusive, denn Kramme war im Arbeitskreis Arbeit und Soziales unmittelbar an der Ausgestaltung des Vertrags beteiligt.
Es besteht aber offensichtlich noch Informations- und vermutlich auch Diskussions bedarf. Denn nun ist die Basis gefragt nach der Devise: Genossen aller Bundesländer entscheidet euch, ob ihr in die Große Koalition einwilligt.
Erika Brose will hingehen am Mittwoch Abend und sich alles anhören - auch wenn ihr Votum schon so gut wie feststeht: "Ich tendiere dazu, zuzustimmen." Vom Bauchgefühl, sagt sie, müsste sie gegen eine Regierungsbildung mit CDU und CSU sein. Die Burghaiger Distriktsvorsitzende hat schlechte Erinnerungen an die "GroKo" von 2005 bis 2009, als die SPD ihrer Meinung nach als Verlierer vom Feld ging. "Die Merkel hat alle Lorbeeren eingeheimst, die Prügel bezogen wir."
Befragung ist positives Signal
Das Vorgehen der SPD-Oberen, diesmal alle Mitglieder zu befragen, wertet die Burghaigerin als wichtiges Signal. "Es gibt den Kleinen das Gefühl, mitentscheiden zu dürfen. Und außerdem setzen sich dadurch viele mit dem Koalitionsvertrag auseinander. Das kann nicht von Nachteil sein."
Der Distrikt, sagt sie, sei noch unentschieden, was Zustimmung oder eben Verweigerung angeht. 28 Sozialdemokraten gehören zum Burghaiger Kreis. Was für ein Ja spricht? "Dass der gesetzliche Mindestlohn, wenn auch mit Verspätung, politischer Konsens der beiden Volksparteien ist, ist schon mal ein positives Omen", sagt Erika Brose. Man müsse aber als SPD-Anhänger bei einem Wahlergebnis von 25,7 Prozent die Kirche im Dorf lassen, was Forderungen angeht: "Wir sind eben nur der kleinere Partner. Da wäre es vermessen, noch mehr sozialdemokratische Handschrift zu erwarten." Sie hofft jedoch, dass die SPD nach dem Ende der Koalition gestärkt aus dem Zweckbündnis hervorgehen wird.
Ott: "Bekommt der SPD nicht gut"
Eine Hoffnung, die Nikolaus Ott nicht teilt. "Ich gehe davon aus, dass es der SPD wieder nicht gut bekommt, so wie 2005 auch schon." Für den stellvertretenden Ortsvereinsvorsitzenden in Marktschorgast, seit 1972 mit dem roten Parteibuch ausgestattet, ist klar: "Ich bin gegen die Große Koalition."
Auch die Mehrheit im Ortsverein stehe dem Vertrag ablehnend gegenüber. "Für die allermeisten von uns waren die schwarz-roten Verhandlungen von Beginn an überflüssig", sagt Ott. Die SPD sollte sich hüten, sich zum "Steigbügelhalter der Union" degradieren zu lassen. Der Koalitionsvertrag erhalte zwar lobenswerter Weise einen Mindestlohn. "Aber mal ehrlich: Es gab ja schon in der Union Stimmen dafür. Das war also nur eine Frage der Zeit, dass so etwas kommt", bekundet Ott. Bleibt noch die ausgehandelte Rente mit 63 für Arbeitnehmer, die 45 Beitragsjahre zusammen haben. "Das ist sicher ein positiver Aspekt, mir aber an Ergebnis zu wenig."
Und was ist mit der Verantwortung für das Land? Kann ein Machtvakuum in Berlin im Sinne der Genossen sein? Nikolaus Otts Antwort kommt postwendend: "Ich finde, es ist doch zunächst mal ein Problem von CDU/CSU, sich eine Regierungsmehrheit zu suchen." Immerhin: Die Entscheidung der SPD zu einer Basis-Befragung hält der Marktschorgaster für absolut richtig. "Und wenn sich die Mehrheit für ein Zustandekommen von Schwarz-Rot ausspricht, bin ich Demokrat genug, das Ergebnis zu akzeptieren."
Das Ergebnis ist die eine Sache - allein der Entschluss zur Mitgliederbefragung hat im Vorfeld bereits zu Kontroversen geführt (die öffentlich unter anderem im ZDF-Duell zwischen SPD-Chef Sigmar Gabriel und Moderatorin Marietta Slomka gipfelten).
Simon Moritz, Vorsitzender für den SPD-Unterbezirk Kulmbach-Lichtenfels, hält die Debatte um eine angeblich fehlende demokratische Grundlage einer Basis-Befragung für "Blödsinn", um das Gabriel-Wort "Quatsch" zu vermeiden. "Die SPD verbreitert ihre Legitimationsbasis für eine enorm wichtige Entscheidung. Immerhin betrifft das 470 000 Menschen. Ich kann beim besten Willen nicht erkennen, was daran nicht legitim oder gar verfassungswidrig sein soll." Das Volk habe seinen Willen ja bereits am 22. September kundgetan, jetzt gehe es um eine konkrete Entscheidung über ein politisches Bündnis und seine Ausgestaltung.
Wie er selber abstimmen wird, wollte Moritz nicht sagen. "Ich möchte vermeiden, vorab eine Tendenz zu suggerieren. Nach dem Motto: Wenn sich der Unterbezirksvorsitzende schon in die eine odere andere Richtung äußert, dann sollten die Mitglieder folgen. Da ist jeder absolut frei in seinem Votum."
Aures: "Können zufrieden sein"
Landtagsvizepräsidentin Inge Aures hat gestern Mittag ihre Abstimmungsunterlagen ausgefüllt. "Ich habe Ja angekreuzt, denn ich bin mit dem, was im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, aus SPD-Sicht sehr zufrieden." Das Wahlprogramm der Sozialdemokraten habe bei der Bundestagswahl leider nur 25 Prozent Zustimmung gefunden. "Dass jetzt trotzdem zentrale Forderungen, wie der Mindestlohn und auch eine Begrenzung der Leiharbeit, Eingang in den Vertrag gefunden haben, ist als Erfolg zu werten. Ich sage mal so: Es ist ein Angebot, das man in unserer Situation nicht ablehnen sollte."
