Glanzvoller Abschluss der Kulmbacher Kirchenmusiktage
Autor: Stephan-Herbert Fuchs
Kulmbach, Montag, 01. Dezember 2014
Kaum ein geistliches Oratorium ist so aufwühlend, farbig und kontrastreich wie der "Messias" von Georg Friedrich Händel. Am Sonntag erklang das kurzweilige und auch gekürzte Werk zum Abschluss der 30. Kulmbacher Kirchenmusiktage in der leider nicht ausverkauften St.-Petri-Kirche.
Die Weissagungen von der Ankunft des Messias, von seinem Leidensweg und seiner siegreiche Apotheose bewegen in der Interpretation von Händel seit Jahrhunderten die Zuhörer. Doch jenseits aller romantisierender Frömmigkeit und opernhafter Opulenz ist der "Messias" auch eine Komposition, die zu den ganz großen Werken der Musikgeschichte gehört. Kaum zu glauben, dass Händel sein Werk in nur dreieinhalb Wochen geschaffen hat.
"Ich glaubte", so schrieb Händel damals im Sommer 1741, "ich sähe alle Himmel offen vor mir und Gott selbst". Diese Begeisterung hörbar zu machen, das ist das Ziel einer jeden Aufführung des "Messias".
Vier Solisten
Dekanatskantor Ingo Hahn, der Kulmbacher Kantorei, dem Orchester "Musica Juventa" und den vier Gesangssolisten ist es gelungen, den melodisch-packenden Schwung aufzugreifen und Händels berühmteste Komposition lebendig zu
Der "Messias" ist im Gegensatz zu anderen großen Oratorien, etwa Johann Sebastian Bachs Passionen, an keinen festen kirchlichen Termin gebunden, weil es von Jesu Geburt bis zu seiner Auferstehung reicht. Gleichwohl wird das Werk in den zurückliegenden Jahren immer öfter in der Adventszeit aufgeführt. Zuletzt in der Petri-Kirche übrigens genau vor zehn Jahren bei den 20. Kirchenmusiktagen, ebenfalls mit der Kantorei und dem Orchester "Musica Juventa" unter der Gesamtleitung von Ingo Hahn.
Damals wie heute hatte Ingo Hahn mehrere Rezitative, Arien und Chöre und auch einige Wiederholungen in den Arien gestrichen. Bei der Vielfalt kursierender Fassungen von Händels Messias soll das aber nicht weiter ins Gewicht fallen.
Kernige Bässe, helle Tenöre
Die Kulmbacher Kantorei unter Ingo Hahn wird den Anforderungen des "Messias" mit seiner musikalischen Rhetorik und seinen Koloraturpassagen mehr als gerecht. Jugendlich schlank und ohne großes Pathos erklingt der Chor beispielsweise in Nummern wie "Denn es ist uns ein Kind geboren" oder im berühmten "Halleluja", dem Klassik-Hit schlechthin, der am Schluss als Zugabe wiederholt wird.
Ingo Hahn hat es wieder einmal geschafft, aus den vielen Stimmen innerhalb eines viertel Jahres Probenzeit ein homogenes Ensemble zu machen. Kernige Bässe, helle Tenöre und glänzende Frauenstimmen machen die Aufführung aus.
Aus der Händel-Stadt Halle
Voll und opulent, dabei aber auch höchst agil spielt das etwa 20-köpfige Kammerorchester "Musica Juventa" aus der Händelstadt Halle auf, mit dem Ingo Hahn eine 25 Jahre andauernde musikalische Zusammenarbeit verbindet. Die Musiker werden in sämtlichen Arien zu gleichwertigen Partnern der Solisten und des Chores.
Akzente setzt der Klangkörper erst recht in seinen Solonummern, der Einleitung oder in der "Pifa", der Hirtenmusik. Verstärkt werden die Instrumentalisten vom früheren Wunsiedler Dekanatskantor Hermann Bohrer an der Orgel.
Das Solistenensemble hätte mit Ausnahme der Altistin Dorothea Zimmermann durchaus etwas kraftvoller auftreten können. Vor allem im ersten Teil wirken die Meininger Sopranistin Anna Gann, der aus Gera stammende Tenor Christoph Rösel (er war schon bei der Aufführung vor zehn Jahren dabei) und der Bassbariton Tobias Freund aus Wendelstein bei Nürnberg etwas farblos, was nicht heißen soll, dass sie nicht schön, intensiv und ausdrucksvoll gesungen hätten.
Nur kam in der ansonsten recht guten Akustik der St.-Petri-Kirche manchmal recht wenig an, etwa auf der ersten Empore. Zumindest steigern sich alle drei während der Aufführung noch merklich.
Eine brillante Leistung ist dagegen der Altistin Dorothea Zimmermann aus Dresden zu bescheinigen, die ihre Passagen virtuos und überaus textverständlich vorträgt.
Dorothea Zimmermann glänzt
Plastisch, kontrastreich gestaltet sie ihre Arien, absoluter Höhepunkt, vielleicht der gesamten Aufführung, ist die Nummer 21 "Er ward verschmähet und verachtet". Wie sie zum Beispiel das Wort "verachtet" mit einer kleinen Pause in den Raum haucht, das berührt tief und führt dem Zuhörer die Leiden des Erlösers plastisch vor Augen.
Die Passage zeigt auch, dass Dorothea Zimmermann den sicheren Zugriff auf alle Details ihres Textes hat.