Giftleger von Gärtenroth blitzt bei Gericht ab
Autor: Stephan Tiroch
Gärtenroth, Mittwoch, 19. Oktober 2016
Das Landgericht Coburg bestätigt die Bewährungsstrafe gegen den Mann, der drei Hunde vergiftet hat. Aber der Angeklagte will das Urteil erneut anfechten.
Dieses Gift ist hochgefährlich. Ein paar Tropfen des früher in der Landwirtschaft verwendeten Schädlingsbekämpfungsmittels E 605 reichen aus, um ein Tier oder einen Menschen ins Jenseits zu befördern. Kein Wunder, dass Verkauf und Anwendung der auch als "Schwiegermuttergift" bekannten Substanz vor 15 Jahren verboten worden ist.
Schwerpunkt Kulmbach
Trotzdem taucht das Gift immer mal wieder auf. Seit dem Verbot zählte das Landeskriminalamt 15 Fälle in Bayern - davon allein fünf (!) im Raum Kulmbach. Wenn das nicht auffällig ist?Die Antwort darauf haben die Gerichte gegeben: Die Kulmbacher Fälle aus dem Jahr 2014 sind wohl einem Täter zuzuordnen. Der 57-jährige Mann aus dem Landkreis Kulmbach wird für die Vergiftung von drei Hunden in Gärtenroth verantwortlich gemacht. Zwei weitere Giftköder in der Nähe seines Wohnortes wurden rechtzeitig entdeckt und unschädlich gemacht.
Das Amtsgericht Lichtenfels hatte den Kulmbacher im Mai zu acht Monaten Freiheitsstrafe mit Bewährung verurteilt. Außerdem sollte er 3000 Euro an den Tierschutzverein Lichtenfels bezahlen. Dagegen legte er Berufung ein - und das Verfahren wurde jetzt vor der 2. Strafkammer des Landgerichts Coburg erneut aufgerollt.
"Eine glatte Lüge"
Im Gegensatz zum Lichtenfelser Prozess schwieg der Angeklagte diesmal nicht. "Was mir vorgeworfen wird, ist eine glatte Lüge", sagte er. Er sei nicht für den Tod der Hunde seines Neffen - Rocky, Nick und Lizzy, alle vergiftet mit E 605 im Jahr 2014 - verantwortlich. Dass bei einer Hausdurchsuchung in seinem Anwesen das extrem seltene Gift gefunden wurde, erklärte der Landwirt damit, dass er vor über 30 Jahren seine Rapsfelder gespritzt habe. Die aktuellen Gebrauchsspuren kämen daher, dass er E 605 gegen Wühlmäuse in seinem Obstgarten eingesetzt habe. Kommentar von Staatsanwalt Christian Pfab: "Eine reine Schutzbehauptung."Der Angeklagte ("Ich bin körperlich und nervlich völlig fertig") räumte aber ein, dass es Streitigkeiten mit den beiden betroffenen Hundehaltern gegeben habe. Bei der Familie seines Neffen ginge es um den Umzug der Oma ins Altenheim. Bei der Nachbarsfamilie aus dem Wohnort des Angeklagten gab es offenbar Differenzen wegen der Pferdehaltung. Er habe droht, deren Haus in die Luft zu sprengen. Deren Hund überlebte, weil ihm der Besitzer den Wurstzipfel mit E 605 wieder aus dem Maul genommen hatte.
"Ein großer Tierfreund"
So viel Glück hatte der Neffe nicht. Die Giftköder - ebenfalls Wurststücke mit E 605 - waren über den Gartenzaun seines 16.000 Quadratmeter großen Anwesens in Gärtenroth geworfen worden. Die Hunde hätten ihm sehr viel bedeutet, betonte der 51-Jährige ("Ich bin ein großer Tierfreund") und schilderte sichtlich bewegt das Tierdrama, wie Rocky, Nick und Lizzy 2014 elend verendet waren.Dass der Onkel hinter den feigen Giftanschlägen stecken könnte, hatte der Neffe gleich vermutet. Er berichtete von Drohungen des Angeklagten, der nicht nur einmal gesagt habe: "Ich werd' dir schon helfen mit deinen Viechern, Freundla." Außerdem will der Zeuge den Angeklagten erkannt haben, als er nachts auf sein Grundstück eingedrungen sei. Er habe die Polizei informiert, die gezielt gegen den 57-Jährigen ermittelte. Was dabei rauskam, reichte für einen Prozess.
Nachbarn laufen Streife
Die Vorfälle im Sommer und Herbst 2014 hatten für große Unruhe bei der Bevölkerung in Gärtenroth und den umliegenden Orten wie Schimmendorf, Danndorf und Eben gesorgt. Teilweise waren nachts Streifen unterwegs. "Die Leute waren in heller Aufregung und völlig verängstigt", sagte ein Polizeihauptkommissar. Er schilderte auch, dass man im Anwesen des Angeklagten große Mengen Pflanzengifte gefunden hatte, darunter eine Flasche mit E 605 und eine Spritze mit Resten der blauen Giftflüssigkeit sowie Hausmacherleberwurst, wie sie bei den Gärtenrother Ködern verwendet worden war.Staatsanwalt Pfab forderte in seinem Plädoyer wegen der Tötung von drei Wirbeltieren ohne vernünftigen Grund eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten ohne Bewährung. "Zu seinen Gunsten kann ich wenig sehen", meinte der Anklagevertreter und sprach von einer erdrückenden Beweislage. Das Motiv des Täters ("Er lebt wohl in seiner eigenen Welt") bezeichnete Pfab als eine Art Sippenhaft. Streit mit einer Person habe er jeweils auf die ganze Familie übertragen.
Verteidiger fordert Freispruch
Dagegen hielt es Verteidiger Volker Beermann für unzulässig, aus einem möglichen Motiv und dem Giftfund eine Täterschaft seines Mandanten zu konstruieren. "Es gibt keinen Zeugen und kein objektives Beweismittel, dass er die Giftköder ausgelegt hat", meinte der Bayreuther Rechtsanwalt. Er warf dem Gärtenrother Neffen Belastungseifer vor und forderte einen Freispruch.Damit konnte Vorsitzender Richter Klaus Halves nicht dienen. Die Kammer bestätigte das Lichtenfelser Urteil. Die Gesamtschau aller Indizien ergebe ein schlüssiges Bild und spreche für die Schuld des Angeklagten. Er habe das Tatmittel besessen, das extrem seltene und extrem giftige E 605, er habe den Geschädigten gedroht, und es liege eine plausible Motivation vor. Bei dem Mann seien keinerlei Schuldeinsicht oder Reue festzustellen.
Rechtskräftig wird der Coburger Richterspruch aber noch nicht. Die Verteidigung legt Revision ein. "Selbstverständlich", sagte Beermann. Nun ist der Bundesgerichtgshof am Zug.