Generationswechsel in Oberzettlitz
Autor: Jürgen Valentin
Oberzettlitz, Dienstag, 29. Dezember 2015
Im Traditionswirtshaus der Familie Räther im Kulmbacher Stadtteil Oberzettlitz führt ab 1. Januar Oliver Sesselmann das Regiment. Der 27-jährige Neffe von Fritz Räther hat klare Ziele. Sein Onkel wird weiter hinter dem Zapfhahn stehen.
Für Fritz Räther geht am 31. Dezember ein Lebensabschnitt zu Ende: 30 Jahre war er dann selbstständiger Wirt. Wenn der 62-Jährige am Neujahrstag aufwacht, wird nicht mehr er als Eigentümer des traditionsreichen Gasthauses Räther in Ober-/Unterzettlitz geführt, sondern sein Neffe Oliver Sesselmann (27). Die nötigen Verträge sind längst unterschrieben und notariell beglaubigt, vollzogen wird die Übergabe mit dem Jahreswechsel.
Nur ein Gerücht
Das Gerücht, dass mit dem Gasthaus Räther ein weiteres Dorfwirtshaus zumacht, stimmt also nicht! Im Gegenteil: Es geht weiter, sogar mit geballter Kraft und jugendlichem Elan, wenn auch erst im März. Denn Anfang des Jahres rücken die Handwerker an. Der Küchenbereich wird modernisiert und komplett neu gestaltet. "Ein Dorfwirtshaus kann heute nur mit einer guten Küche überleben", ist Fritz Räther überzeugt und unterstützt seinen Neffen in allen Belangen.Räther muss es wissen, schließlich hat er in den vergangenen Jahrzehnten alle Entwicklungen im Gastronomiebereich miterlebt. Aufgewachsen ist er in einer Wirtsfamilie, die auch eine kleine Landwirtschaft betrieb. Er hat die Zeiten erlebt, als es selbstverständlich war, dass die Dorfwirtshäuser sieben Tage die Woche geöffnet hatten.
Damals mussten fast alle Familienmitglieder mithelfen, wobei die Entlohnung meist aus Naturalien und einem warmen Händedruck bestand. Da passte es natürlich gut, dass Fritz Räther den Beruf des Metzgers erlernte und neben seiner Tätigkeit bei der Metzgerei Hermann in Katschenreuth dem Vater bei Hausschlachtungen zur Hand gehen konnte, ehe er vor 30 Jahren die Gaststätte übernahm.
Fritz Räther kann sich auch noch gut daran erinnern, als das Wirtshaus Treffpunkt und Nachrichtenzentrale war. Viele Vereine trafen sich früher dort, weil sie noch nicht über eigene Räumlichkeiten verfügten. Für Handwerker war es damals selbstverständlich, die Brotzeit oder das Mittagessen und natürlich das Feierabendbier im Wirtshaus zu genießen.
Und heute, in Zeiten des Mindestlohns, des Bürokratiewahnsinns und des Internets, wo man sich immer und überall mit Nachrichten versorgen kann? "Die alten Zeiten kommen nicht mehr wieder", gibt sich Fritz Räther keinen Illusionen hin, ist aber dennoch überzeugt, dass Dorfwirtshäuser auch künftig ihre Daseinsberechtigung haben. Voraussetzung: eine gute Küche. "Nur vom Bierverkauf allein kann ein Wirt nicht leben", weiß Räther. Deshalb steht er voll hinter dem Konzept seines Neffen, der eine gutbürgerliche, fränkische Küche bieten will, getragen von Regionalität, Qualität und Frische-Garantie.
Änderung nur juristisch
Mit dem 1. Januar 2016 und der Übergabe an seinen Neffen ändert sich zwar sein juristisches Dasein, alles andere bleibt aber beim Alten. So wird er auch künftig direkt über der Wirtsstube wohnen, wird einkaufen, hinter der Theke stehen und im Sommer im Biergarten das Bier zapfen. Eine Abschiedsfete gibt es nicht. Wozu auch? Es geht ja weiter - mit geballter Kraft.Oliver Sesselmann ist als Koch schon viel in der Welt herumgekommen. Österreich, Frankreich, England, zuletzt Australien. Mit seinen 27 Jahren hat er schon viel gesehen - und vor allem viel gearbeitet. 6-Tage-Wochen mit einem täglichen Arbeitspensum von zwölf bis 14 Stunden waren für ihn jahrelang die Regel. "Das ist nun einmal so in der gehobenen Küche", meint Oliver Sesselmann.
Bei Sterne-Köchen gearbeitet
Nach seiner Ausbildung im Kulmbacher "Schweizerhof" packte der junge Kulmbacher seine Koffer, um in der weiten Welt Erfahrungen zu sammeln. Gearbeitet hat er in den vornehmsten 5-Sterne-Hotels, bei denen es Standard ist, dass das angegliederte Restaurant mindestens über einen Michelin-Stern verfügt. Dabei hat der 27-Jährige alle Stufen einer Koch-Karriere durchlaufen, angefangen vom Jung-Koch bis zum Küchenchef - ein Posten, den er einige Jahre innehatte.Auch bei seinem Engagement bei TV-Koch Johann Lafer wurde ihm schnell klar: Die gehobene Küche muss nicht nur gut schmecken, die Show und das Drumherum sind genauso wichtig, was wiederum logistische Meisterleistungen erfordert: beim Einkaufen, Zubereiten und Personaleinsatz. "Es war ein sehr intensives Berufsleben", blickt Oliver Sesselmann zurück, für den der Beruf Koch eine Berufung ist. Und dann fügt er an: "Wenn man jahrelang in der Welt unterwegs ist, möchte man irgendwann wieder in seiner Heimat, in seinem Bett aufwachen - nicht nur im Urlaub."
Rückkehr war lange geplant
Die Rückkehr war lange geplant. Dass ein anderer Wind in der Küche weht, merkten die Gäste schon im Herbst, als Oliver Sesselmann die Speisekarte umstellte und erweiterte, wobei es auch künftig genügend Gerichte und Brotzeiten für den kleinen Hunger gibt. Aber eben anders präsentiert. "Alles wird mit Produkten aus der Region frisch zubereitet", darauf legt Oliver Sesselmann großen Wert."Ich möchte einfach nur gut kochen und zufriedene Gäste." Voraussetzung ist die passende Küchenausstattung. Und dafür nimmt der 27-Jährige viel Geld in die Hand.