Gelebte Inklusion: Neue Freunde statt alter Vorurteile
Autor: Dagmar Besand
Kulmbach, Freitag, 21. Februar 2014
In der Theodor-Heublein-Grundschule Grundschule im Kulmbacher Ortsteil Melkendorf werden Förder- und Regelschüler gemeinsam in Partnerklassen unterrichtet. Nach dem ersten Halbjahr ist klar: Das Konzept hat sich bewährt.
Sie spielen in der Pause zusammen Fußball, helfen sich im Unterricht bei kniffligen Aufgaben und sind auch in der Freizeit beste Freunde. Dabei kennen sich Kevin Rohr und Felix Kunze erst seit Beginn des Schuljahres, als eine vierte Klasse der Theodor-Heublein-Schule und eine vierte Klasse des Awo-Förderzentrums zu Partnerklassen wurden. Das Besondere: Die Kinder werden soviel wie möglich gemeinsam in gemischten Klassen unterrichtet, soviel wie nötig wird getrennter Unterricht erteilt.
Der elfjährige Kevin aus dem Förderzentrum fühlt sich in der Partnerklasse sehr wohl: "Das ist toll hier. So lernt man mehr Kinder kennen und kann viel mehr Freunde haben. "Kevin ist ein toller Kumpel", sagt Felix.
Der Neunjährige findet das Konzept Partnerklasse prima: "Wir können uns gegenseitig helfen, wenn einer etwas besser kann als der andere."
Auch Emily Reß (9) ist gerne mit den Förderschülern in einer Klasse: "Ich habe früher gedacht, die sind anders, aber das stimmt gar nicht. Sie sind genauso wie wir, und wir haben viel Spaß zusammen."
Kooperation seit vielen Jahren
Diese drei Aussagen von Kindern aus den beiden Klassen stehen stellvertretend für das Ergebnis eines Versuchs, der unser Bildungssystem bereichert und zeigt, wie Vorurteile ab- und Freundschaften aufgebaut werden können. Die Theodor-Heublein-Schule empfahl sich besonders für dieses Projekt. Da das Förderzentrum unter großer Platznot litt, in der Grundschule aber zwei Klassenzimmer frei waren, wurden vor 16 Jahren Förderschüler nach Melkendorf ausgelagert.
Es ergaben sich erste Kooperationen, und ältere Kinder übernahmen wechselseitig Patenschaften für Jüngere.
Regulären Partnerklassen-Unterricht gibt es aber erst seit Beginn des laufenden Schuljahrs. Gemischt sind die Klassen in Werken, Handarbeiten und Sport. Darüber hinaus finden gemeinsame Ausflüge und Projekte in Kunst und Musik statt.
Was zeichnet eine Partnerklasse aus? "Sie ist eine Inklusionsmaßnahme mit einem gemeinsamen pädagogischen Konzept", erläutert Regierungsschuldirektor Günter Wagner, der bei der Regierung von Oberfranken für den Förderschulbereich zuständig ist und sich gestern bei einem Besuch in der Schule beeindruckt von dem positiven und zwanglosen Miteinander im Klassenzimmer zeigte.
"Nur fünf bis sechs Prozent der Grundschulkinder haben einen besonderen Förderbedarf, aber es ist wichtig, diesen Bedarf frühzeitig zu erkennen und gezielte Förderung anzubieten - je früher, desto besser", sagt Schulrat Jürgen Vonbrunn.
Am intensivsten kann das die Förderschule leisten, doch welche Schule ein Kind besuchen soll, darüber entscheiden letztlich die Eltern. Und denen ist oft die soziale Teilhabe wichtiger als die fachliche Förderung. Diese Erfahrung haben Schulleiter Klaus Altenburger vom Förderzentrum, seine Stellvertreterin Christine Schödel und Claudia Schmidt, kommissarische Rektorin der Melkendorfer Schule, schon mehrfach gemacht. "Wir entsprechen den Wünschen und versuchen gemeinsam, den besten Weg für das Kind zu finden."
Zurück in die Regelschule
Dieser Weg kann durchaus in einer Förderschule beginnen und in einer Regelschule weitergeführt werden. Dies sei erklärtes Ziel der Förderung, so Schödel.
Ängste und Abwehrhaltungen gegenüber sonderpädagogischer Förderung bekommt Schulrat Vonbrunn seltener zu spüren als viele seiner Kollegen in anderen Schulamtsbezirken. Das zeigt, dass der offene Umgang mit dem Thema Früchte trägt. "Anteil daran hat auch die enge Zusammenarbeit mit den Kitas und natürlich das Engagement der Lehrer, die in Unterrichtsmodellen wie der Partnerklasse besonders gefordert sind."