Gehörlose fordern finanziellen Nachteilsausgleich: "Warum geht da nichts voran?"
Autor: Katrin Geyer
Kulmbach, Montag, 21. Januar 2019
Gehörlose Menschen brauchen im Alltag Unterstützung. Mit einer Petition soll die Einführung eines Landes-Gehörlosengeldes erreicht werden.
Der finanzielle Schaden war beträchtlich: Tagelang war in der Toilette des "Muffelhauses" das Wasser gelaufen. "Und niemand hat es gemerkt, weil es niemand gehört hat", sagt Ernst Dietrich, Vorsitzender des Gehörlosenvereins Kulmbach.
Das "Muffelhaus" in Kulmbach-Weiher ist das Vereinsheim des Verbandes. Dort haben sich in der letzten Woche etliche gehörlose oder schwer hörbehinderte Menschen zusammengefunden, um uns zu berichten, mit welchen Problemen sie infolge ihrer Hörbehinderung im Alltag zu kämpfen haben. Die beschränken sich nicht auf defekte Wasserspülungen oder auf die mangelnde Möglichkeit, ein verdächtiges Motorengeräusch im Auto zu hören: Den Schaden registriert man erst dann, wenn gar nichts mehr geht. Und dann wird es teuer.
Die Liste der Probleme, die gehörlose oder schwer hörbehinderte Menschen zu bewältigen haben, ist lang; die größten Probleme gibt es naturgemäß bei der Kommunikation mit den Mitmenschen: Ein Beratungsgespräch in der Buchhandlung? Der Kauf einer neuen Einbauküche? Ein Termin beim Notar oder bei der Bank? Der Besuch einer Wahlveranstaltung einer Partei oder die Teilnahme an einer Stadtführung? Ohne einen Dolmetscher, der die Gebärdensprache beherrscht, und der das, was Hörende sagen, für Gehörlose "übersetzen" kann, geht all das nicht.
Dolmetscher aber kosten Geld. Und so kann es, je nach Dauer des Einsatzes und Anfahrtsweg, schon passieren, dass die Dienste des Dolmetscher bei der Beerdigung eines nahen Angehörigen mit einigen Hundert Euro zu Buche schlagen. Nur in Ausnahmefällen und auf Antrag werden Kosten für einen Dolmetscher übernommen - dann zum Beispiel, wenn es um Kurse zur beruflichen Integration geht.
Auch bei unserer Gesprächsrunde ist eine Dolmetscherin dabei: Claudia Dehler, staatlich geprüfte Gebärdensprachdolmetscherin und selbst Tochter gehörloser Eltern, eine von (viel zu) wenigen Dolmetschern in der Region, hilft routiniert bei der Verständigung.
Sie übersetzt auch das Anliegen von Sabine Jaye aus Mainroth, Vorstandsmitglied im Gehörlosenverein, die eine Petition auf den Weg gebracht hat. "Forderung eines bayerischen Gehörlosengeldes/Änderung des bayerischen Blindengeldgesetzes" - das ist ihr Ziel (siehe dazu auch Infobox und Artikel unten). Mit einem solchen Gehörlosengeld, so erläutert Sabine Jaye, könnten die vielen zusätzlichen Kosten, die Gehörlose bei der Bewältigung ihres Alltags bisher allein stemmen müssten, zumindest ein wenig ausgeglichen werden.
"Für taub-blinde Menschen und für blinde und sehbehinderte Menschen gibt es einen finanziellen Ausgleich", sagt sie. "Bayern ist ein reiches Land. Ich verstehe nicht, warum da nichts vorangeht."