Der Kulmbacher Henker: Gefürchtet und verachtet
Autor: Dagmar Besand
Kulmbach, Dienstag, 16. Juni 2020
Verstöße gegen Gesetze wurden früher mit äußerster Härte geahnet. Bis ins 19. Jahrhundert war in Kulmbach der Henker für die Vollstreckung zuständig.
Hart und oft auch grausam wurde im Mittelalter bestraft, wer sich nicht an Recht und Gesetz hielt. Schon bei relativ geringen Vergehen konnten die Missetäter kaum auf Milde hoffen. Zuständig für die Vollstreckung von Todes-, aber auch allen anderen Strafen war in Kulmbach bis ins 19. Jahrhundert der Henker.
Schaurige Geschichten
Einer, der sich bestens auskennt mit der Rechtsprechung und dem Strafvollzug früherer Jahrhunderte, ist Hermann Müller. Seit rund zehn Jahren schlüpft der Stadtführer regelmäßig in die Rolle des Scharfrichters und begibt sich mit seinen Gästen zu den dunklen Schauplätzen in den Gassen der Altstadt - schaurig-spannende Geschichten inklusive.
Was sich da in früheren Zeiten in Kulmbach abspielte, ist nichts für schwache Nerven. Hinrichtungen mit Schwert und Strick, Rädern, Vierteilen, Abschneiden von Fingern, Ohren und Zunge, öffentliches Auspeitschen und an den Pranger stellen - es gab vielfältige gewaltsame Bestrafungen.
Freiwillig Henker werden? Das wäre niemanden in den Sinn gekommen, weiß Hermann Müller. Der Beruf galt als unehrenhaft. Mit einem solchen Menschen wollte man lieber nichts zu tun haben. Nicht einmal in ein Wirtshaus eintreten durfte der Henker, ohne dass zuvor alle Gäste ihr Einverständnis erklärten. In der Regel erbte der Sohn das "Handwerk" vom Vater. Wer Pech hatte, wurde einfach zum Henker bestimmt: Unfreie oder Soldaten konnten sich nicht wehren.
Wer fällte die Urteile, die der Henker vollstrecken musste? Recht gesprochen wurde vom Kulmbacher Magistrat im Rathaus auf der Grundlage der Brandenburgischen Halsgerichtsordnung. Die Räte und der Stadtvogt als Vertreter des Markgrafen hörten die Anklage, befragten die Beschuldigten und die Zeugen. "Deshalb befinden sich am Rathausgiebel über der Uhr zwei Figuren, die die Weisheit und die Gerechtigkeit symbolisieren", so Hermann Müller.
Mit Folter zur Wahrheit?
Wie gerecht die gefällten Urteile tatsächlich waren, ist fraglich, denn: "Die Folter galt durchaus als probates Mittel der Rechtsfindung", sagt der Stadtführer. Auch dafür war der Henker zuständig. Da bei der Folter aber niemand sterben durfte, musste sich der Henker sehr gut mit dem menschlichen Körper auskennen. "Er war deshalb in der Regel auch ein recht guter Mediziner und wurde häufig um Rat gebeten, wenn man nicht zu einem richtigen Arzt gehen konnte oder wollte."
Todesstrafen waren damals keine Seltenheit. Eine Hinrichtung mit der Schwert war da noch die humanste Art, die Verurteilten vom Leben in den Tod zu befördern. Dieser schnelle, "ehrenhafte" Tod konnte noch als gnädig durchgehen.